26. August 2011 Lesezeit: ~5 Minuten

Zeit

Time is what prevents everything from happening at once. ~John A. Wheeler

Zeit

Jetzt. Ich kaufe ein Buch und bekomme es: jetzt (Kindle). Ich lade einen Film herunter und schaue ihn: jetzt. Ich möchte ein neues Spiel probieren und bekomme es: jetzt. Ich möchte mich fotografisch weiterentwickeln und bekomme es: in zwei Jahren.

Niemand würde sich beschweren, wenn er innerhalb von 30 Sekunden via Download die neuesten Fotoskills erlernen und diese dann sofort umsetzen könnte. Und die Fotoindustrie setzt alles daran, mittels neuer Bücher, Onlinetrainings oder gar der allerfrischesten Technik die Lerndauer so kurz wie nur möglich zu halten – oder zumindest der Ungeduld des ambitionierten Hobbyfotografen so weit entgegenzukommen, dass er alles sofort haben kann.

Da entsteht schnell der Eindruck, dass man nur das eine Buch, genau dieses Objektiv oder exakt dieses Lerntraining braucht, um „viel krassere Fotos“ zu machen. Doch wir müssen aufpassen, dass wir hier auf Dauer nicht der ungebremsten Konsumlust in die Falle gehen.

Dieser einen Strich durch die Rechnung zu machen und sich mal für ein, zwei Jahre kein neues Buch, kein Equipment, kein neues Tool zum Bearbeiten oder sonst was zu kaufen, könnte ein Ausweg aus der Dauerschleife sein. Was zunächst opportunistisch oder gar technikfeindlich anmutet, könnte den Weg freimachen zu einer Sache: tatsächliches Fotografieren.

Denn es ist keine kühne Behauptung, zu konstatieren, dass die wichtigsten Dinge sich nur über einen gewissen Zeitstrang entwickeln. Die gern benutzte Abkürzung wird zur Sackgasse. Umdrehen und neu navigieren.

Klar. Man kann live oder per Video einem Superprofi zuschauen, wie er ein bezauberndes Foto erstellt, die feinsten technischen Finessen erklärt und wenn man selbst die Kamera in die Hand nimmt, findet man nicht mal den Auslöser.

Selbstverständlich ist der letzte Halbsatz eine glasklare Übertreibung, aber dieses „auf Abruf lernen“ funktioniert mitnichten so, wie es oft deklariert wird. Wer sich selbst nicht dazu begeistern kann, ein, zwei Mal in der Woche zu fotografieren, der kann in einer halben Stunde 77 Videos gleichzeitig ansehen, es wird ihm exakt so viel bringen: Nichts.

Denn niemand lernt durch reines Zusehen. Man kann drei Jahre lang einem Stickermeister bei der Nadelmalerei zusehen und dadurch ein paar Sticktechniken erlernen, doch die „Magie“ passiert dann, wenn der Zuschauer zum Akteur wird, sich ein Stück Seide schnappt und am Spaltstich versucht.

So ist es nicht verwunderlich, dass so manche Einsteiger mit einer Überforderung kämpfen, die sie unfreiwillig freiwillig von der Fotoindustrie adaptiert haben. Es klappt einfach nicht so, – wie man es erwartet. Denn selbst wenn wir alles kaufen könnten, was wir bräuchten, und bis morgen (an)lernen könnten, was wir wollten eines hätten wir nicht: Erfahrung, die nur die Zeit bringt.

Denn die Einsicht (und darauf folgende Kurskorrektur), das man beispielsweise Insektenmakropanoramen in vergilbten Vintagefarben machen und gar keine Lust auf HDR-Landschaften oder Straßenfotos (nur weil die gerade so „in“ sind) hat, kommt mit der Erfahrung. Um den letzten Satz noch einmal zu verkürzen: Einsicht kommt mit Erfahrung.

Denn Erkenntnisse dieser Art lassen sich weder kaufen noch in drei Tagen per „Vision“ abrufen, da es vor allem ein Learning. By. Doing. ist. Erkenntnisse über den eigenen Weg lernt man nur hier: auf dem Weg. Ergo an Kamera, in Gesprächen mit Freunden, vielleicht nach einer langen Lustlosigkeitsperiode et cetera.

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Wie schnell man in der Zeit X vorankommt, hängt natürlich von vielen Faktoren ab. Setze ich mich drei liebe Jahre lang auf die Couch und drücke ab bei spontanem Lusteinfall auf den funkgesteuerten Fernauslöser meiner am Baggersee vormontierten Kamera, wird die Lernkurve in etwa so ausfallen: –

Nehme ich mir aber den Artikel von Maximilian Zimmermann zu Herzen und verbringe die Zeit X möglichst häufig an den Orten, wo ich gerne fotografiere, könnte die Lernkurve so ausfallen: /

Wie in meinem letzten Posting vorgelegt, möchte ich nicht mit der Rute warnend Leser unter Druck setzen – ich gehe immer von einem großen Anteil Eigenmotivation aus und glaube an das Lebensgefühl des Fotografierens.

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Jedoch möchte ich dazu ermutigen, nicht zu vergessen, dass ZEIT ein ganz entscheidender Faktor ist und hoffe, dass dies als Resultat

a) Mut macht, sich auf die Hinterbeine zu stellen aber

b) Auch zur Entspannung unter Druck geratener Leser beiträgt, die dann, wenn beim Shooting gar nichts geklappt hat, die Hinterbeine auf den Tisch legen und sich sagen können:

„Wird schon.“

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