18. April 2023 Lesezeit: ~6 Minuten

Wie kommt eine Ausstellung an ihre Künstler*innen?

Habt Ihr Euch schon einmal gefragt, wie eine Galerie oder ein Museum an die ausgestellten Künstler*innen herankommt? Das läuft doch bestimmt alles nur über Vitamin B, oder? Am Beispiel einer Ausstellung in der Kunsthalle Trier möchte ich Euch einen Einblick in die Ausstellungsplanung geben.

Der Europäische Monat der Fotografie (kurz: „EMOP“, für „European Month of Photography“) steht an. Zu diesem Anlass wurde ich im letzten Sommer angefragt, das kuratorische Team einer Ausstellung in der Kunsthalle Trier zu ergänzen. Das diesjährige übergeordnete Thema der EMOPLUX (der luxemburgischen Ausgabe des EMOP) lautet „Identität“. Damit war schon einmal ein grober Rahmen für die Künstler*innenauswahl gesteckt.

Wie findet man passende Positionen für eine Ausstellung? Das Zauberwort lautet in diesem Fall Recherche. Dazu gehört, dass ich meine grauen Hirnzellen etwas in Bewegung setzen musste und mich erst einmal gefragt habe, ob ich schon Fotograf*innen kenne, die sich mit einem Bereich von Identität beschäftigt haben.

Letztendlich ist es sehr hilfreich, regelmäßig in Ausstellungen und auf Messen zu gehen, viel gesehen zu haben, Magazine zu lesen, Ausstellungskataloge zu sammeln oder auch, sich Beiträge in den sozialen Medien zu speichern. Nur muss man in diesem Sortiment der Möglichkeiten auch die passenden Positionen finden.

Denken Sie groß, klein wird’s von alleine. (Professorin in meinem Studium der Kunstgeschichte)

Zwei weitere Limitationen sind immer Raum und Geld, beziehungsweise Kosten und Aufwand, die mit einem Vorhaben einhergehen. Sicherheit, Klimatisierung, Lichtverhältnisse, Transport – lauter Faktoren, die nicht unerheblich für eine Ausstellung sind.

Vielleicht mag der einen oder dem anderen beim Thema Identität schon Wolfgang Tillmanns in den Sinn gekommen sein. So war das auch bei mir. Dennoch war er nicht in meinem Vorschlag, den ich dem Institutionsleiter vorlegte. Über das Monetäre hinaus war es auch der Wunsch, etwas Neues zu zeigen. Manchmal muss man dazu auch um die Ecke denken.

Cosmic © Alma Haser

Ich blätterte also Literatur durch, durchforstete meine Sammlung von Magazinen, gespeicherten Links sowie Beiträgen und erinnerte mich hier und da an Ausstellungen, in denen ich angrenzende Themen gesehen hatte. Nachdem ich dann etwa 20 bis 30 Positionen auf meiner Liste hatte, habe ich die Portfolios auf den Webseiten oder Instagram-Accounts durchgearbeitet.

Dabei habe ich etwas strenger aussortiert, je nachdem, wie gut die Arbeit ins Gesamtkonzept passte. Auswahlkriterien waren dabei die gesellschaftliche Relevanz, die qualitative Umsetzung und auch die Vermeidung von Dopplungen. Ebenfalls war eine Voraussetzung, eine diverse und vielfältige Mischung von Künstler*innen aus BeNeLux, Deutschland sowie Frankreich zusammenzustellen.

Somit fanden sich dann in meiner Vorauswahl Künstler*innen, die ich beispielsweise vorher schon durch Ausstellungen, Artikel auf kwerfeldein oder auch die sozialen Medien kannte, aber auch Positionen, die ich erst im Laufe meiner Recherche neu entdeckt hatte. Diese Vorauswahl habe ich in das nächste Treffen mit dem Institutionsleiter und der stellvertretenden Kuratorin getragen. Während der Sichtung der Portfolios hat sich letztendlich auch die Konkretisierung des Themas auf die Identitätsfindung ergeben.

Inheritance — Poems of Non-Belonging © Akosua Viktoria Adu-Sanyah

Über die Ausstellung

Unter dem Titel „IDENTITIES. Portraying the Intangible“ werden in der Kunsthalle Trier Werke gezeigt, die sich mit der Selbstsuche, Selbstdarstellung und Selbstfindung der eigenen Identität beschäftigen. Dazu geben die Künstler*innen einen intimen fotografischen Einblick in ihre Erlebniswelt. Auch wenn die Fotografie häufig als eher gegenständliche Kunstform wahrgenommen wird, steht hier das Ungreifbare im Mittelpunkt.

Dabei reicht die Spanne von figurativen fotografischen Darstellungen bis hin zu abstrakten Installationen. Doch auch über die physische Erscheinung hinaus bieten die Arbeiten eine große Varietät von Themen, die immer wieder Schnittmengen ergeben und die Überschneidungen und Gleichzeitigkeit der Probleme im Prozess der Selbstfindung zeigen. So werden aus persönlichen Einblicken in die inneren Konflikte, Traumata, Ambivalenzen und Sehnsüchten Sprachrohre für Betroffene und Leidensgenoss*innen.

Dazu hinterfragen die Künstler*innen gesellschaftliche Erwartungen, Geschlechterrollen, eigene Gefühle, wie auch Stereotypen und fordern ein Recht auf Selbstbestimmung. Beispielsweise hinterfragt der Luxemburger Fotograf Pit Reding die Vergeschlechtlichung von Kinderspielzeug. Dabei beleuchtet er nicht nur die gesellschaftlich vorgegebenen Geschlechterrollen, die sich bereits in Spielzeugen wiederfinden, sondern gewährt darüber hinaus auch Einblick in eine queere Perspektive zum Thema der kindlichen Selbstentfaltung.

Drag und Barbie © Pit Reding

Dagegen zeigt Franziska Stünkel eine Auswahl fotografisch festgehaltener Schaufenster- und Glasreflexionen, die sie selbst in einer mehrdimensionalen und vielschichtigen Umgebung zeigen. Oft nur schemenhaft sind Gegenstände und Figuren zu erkennen, wie das auch in unseren Erinnerungen der Fall ist. So gesehen also die Erforschung des Einflusses und der Interaktion mit der Umwelt in Bezug auf die eigene Identität.

Akosua Viktoria Adu-Sanyah öffnet ihren Selbstfindungsprozess für die Betrachtenden und lässt sie teilhaben auf dem Weg. Mit großer Intimität bearbeitet sie die die Themen um Selbstidentität, Erwartungen und Rassismus. Darüber liegt die These, dass „Identität nicht verhandelt, sondern befreit wird“. So entsteht ein breites und vielschichtiges Bild des Begriffs der Identität und lädt zum Austausch und zur eigenen Reise ein.

 

Informationen zur Ausstellung

IDENTITIES. Portraying the Intangible
Zeit: 18. Mai – 11. Juni 2023
Ort: Kunsthalle Trier, Aachener Straße 63, 54294 Trier

Gezeigt werden:
Akosua Viktoria Adu-Sanyah
Alma Haser
Natalia Kepesz
Stefan Krauth
Sanne Maes
Martine Pinnel
Rebecca Racine Ramershoven
Pit Reding
Franziska Stünkel

Die Ausstellung wird von einem umfassenden Rahmenprogramm begleitet.

Das Titelbild stammt aus der Serie „Coexist“ von Franziska Stünkel.

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