Wer war Charles Clyde Ebbets?
„Mittagspause auf dem Wolkenkratzer“ ist eines der bekanntesten Fotos des 20. Jahrhunderts. Es zeigt elf Bauarbeiter auf einem Stahlträger des Rockefeller Centers, die in höchster Höhe über New York sitzen. Jeder von ihnen hält eine Brotdose oder ein Getränk in der Hand und tut so, als wäre es das Normalste der Welt, scheinbar ungesichert in etwa 250 Metern Höhe zu sitzen, um Pause zu machen.
Nur ein Mann schaut mit zusammengekniffenen Augen direkt in die Kamera. Aber wer stand eigentlich dahinter? Warum ist der Fotograf nahezu unbekannt? Ein wichtiger Grund dafür ist sicher, dass das Bild lange fälschlicher Weise Lewis Hine zugeordnet wurde. Noch in Sachbüchern vom Anfang der 2000er Jahre findet man das Bild mit dem falschen Urheberhinweis.
Lewis Hine war ein sozialdokumentarischer Fotograf, der mit seinen Arbeiten auf die schwierigen Arbeitsbedingungen der armen Bevölkerung in Amerika aufmerksam machte. Von ihm gibt es tatsächlich einige Aufnahmen von den Bauarbeiten des Empire State Building. Diese waren jedoch nie stark inszeniert, sondern zeigten die Menschen eher dokumentarisch.
Die berühmte Aufnahme der Bauarbeiter auf dem Stahlträger ist im Gegensatz dazu werblich und wurde klar inszeniert. Wie man sie Lewis Hine zuordnen konnte, ist aus heutiger Sicht daher wenig verständlich. Erst 2003 entdeckte das Bettman-Archiv den wahren Fotografen hinter dem Foto wieder. Es ist der 1905 in Alabama geborene Charles Clyde Ebbets.
1932 wurde er beauftragt, den Bau des Rockefeller Centers zu dokumentieren, der von 1931 bis 1940 andauerte. In dieser Zeit entstanden neben dem so berühmten Bild noch viele weitere, die das Großprojekt weltweit bekanntmachen sollten. Das Hauptmotiv dabei waren stets die sogenannten Skywalkers. Die Stahlarbeiter balancierten dafür auf den 15 bis 20 cm breiten Strahlträgern, machten ein Nickerchen in 200 m Höhe oder lächelten einfach für die Kamera, während sie der harten Arbeit nachgingen.
Den Job hatte Ebbets seinem Wagemut und seiner großen Abenteuerlust zu verdanken. Im Alter von nur acht Jahren erhielt er seine erste Kamera, eine Kodak Brownie. Nach Abschluss der 10. Klasse zog er nach Montgomery, Alabama, und begann für eine Zeitung der Stadt zu arbeiten. Er reiste für seine Aufnahmen durch den Süden des Landes und machte dabei einige spektakuläre Action- und Tieraufnahmen, sowie einige frühe Luftbilder. Dank dieser Bilder hatte er schnell einen guten Ruf und wurde 1932 der fotografische Leiter des gewaltigen Bauprojekts.
Das Unterfangen begann in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit kurz nach dem Beginn der Großen Depression. Ebbets’ Aufgabe bestand deshalb darin, das Rockefeller Center in ein möglichst gutes Licht zu rücken und auf die Titelseiten der Zeitungen zu bringen. Mit dem ikonischen Bild der Stahlarbeiter gelang ihm dies ohne Zweifel. Am 2. Oktober 1932 wurde es in der New York Herald Tribune veröffentlicht.
Eine ausführliche Dokumentation zum Hintergrund des Bildes, der damaligen Zeit und den Arbeitern.
1935 zog er nach Südflorida und wurde einer der ersten offiziellen Associated-Press-Fotograf*innen für die schnell wachsende Region. Es war auch das Jahr des verheerenden Hurrikans der Kategorie 5 am Labor Day, der einen Großteil der Florida Keys zerstörte. Charles war der erste Fotograf vor Ort und arbeitete drei Tage lang am Stück daran, die Fotos, die das ganze Ausmaß des Unglücks zeigten, im ganzen Land bekannt zu machen. 1938 gründete er die Miami Press Photographer’s Association und wurde zu ihrem ersten Präsidenten gewählt.
Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete er als fotografischer Leiter für das Embry-Riddle Aeronautical Institute in Florida und Südamerika und dokumentierte alle Phasen der militärischen Operationen. Nach Kriegsende gründete er 1945 zusammen mit einem lokalen Publizisten das City of Miami News Bureau und von 1945 bis 1962 arbeitete er als Cheffotograf des Miami Publicity Department.
Er gewann mehrere Preise für seine Tierfotografien, seine umfangreiche Arbeit über den Stamm der Seminolen-Indianer und erhielt nationale Anerkennung. Seine Arbeiten wurden in den größten Magazinen Amerikas wie der The New York Times und dem National Geographic abgedruckt. 1962 zog er sich aus seiner festen Arbeit bei der Miami City zurück, fotografierte jedoch bis zu seinem Tod im Alter von 72 Jahren weiter freiberuflich.
Sein vielleicht bekanntestes Bild „Mittagspause auf dem Wolkenkratzer“ gibt nach wie vor Rätsel auf. Immer wieder wird spekuliert, wer die Männer auf dem Stahlträger sind – unzählige New Yorker*innen sind sich sicher, dass ihr Urgroßvater darauf zu sehen ist und die New Yorker Skyline mitgestaltet hat. Auch, ob die Aufnahme tatsächlich von Ebbets stammt, wird in einigen Quellen noch angefochten. Der Grund dafür ist, das am Tag der Aufnahme zwei weitere Fotografen vor Ort waren: William Leftwich und Thomas Kelley. Auch sie selbst sind auf einigen Aufnahmen zu sehen, wie sie wagemutig auf den Stahlträgern stehen, um den Bau zu dokumentieren.
Auf dem Glasnegativ, das mittlerweile in drei Teile zerbrochen ist, stehen weder der Name des Fotografen, noch die der Arbeiter. Zur damaligen Zeit wurde dem Bild noch nicht die Bedeutung beigemessen, die wir heute damit verbinden. Die Fotografie war keine anerkannte Kunstform, der Fotograf nur ein Dienstleister. So bleibt dieses so populäre Foto weiterhin ein kleines Mysterium, das das komplette Werk des Fotografen in den Schatten treten lässt.
Die Rechte an den Bildern von Charles Clyde Ebbets liegen zum Teil bei Corbis. 2016 wurden einige an die Visual China Group verkauft. Aus diesem Grund bleibt dieser Artikel leider unbebildert.
Quellen
- https://www.abendblatt.de/vermischtes/journal/article107210875/Das-Original-Lunchtime-atop-a-Skyscraper.html [Stand: 14.02.2022]
- https://www.ebbetsphoto-graphics.com/#/page/home/ [Stand: 14.02.2022]
- https://fotomenschen.kopfstim.me/lunch-atop-a-skyscraper/ [Stand: 14.02.2022]
„Aus diesem Grund bleibt dieser Artikel leider unbebildert.“
Da das besagte Bild (dessen Rechte seine Veröffentlichung vermutlich teuer machen würden?) ja eine „Ikone“ ist, kennen es wohl die meisten Fotograf*innen…
Ich würde hier gerne zur Bebilderung den Bezug zum Titelbild von „Der Mensch und das unbekannte Land“ (kwerfeldein, Aileen W., vom 11. Februar 2022) herstellen…
Damit die Kritiker von kwerfeldein mal sehen können, wie groß „die Bandbreite“ hier ist…
Armin
„Damit die Kritiker von kwerfeldein mal sehen können, wie groß die Bandbreite hier ist…“
Es liegt vermutlich an mir, dass ich da keine große Bandbreite erkenne. Nur immer mehr vom Gleichen.
Niemand hat die Absicht, „Bandbreite“ als das Maß aller Dinge zu verstehen…
Wenn es Plattformen gibt, die immer Anderes zeigen, statt „nur immer mehr vom Gleichen“, dann wäre ich als absoluter Laie (und vermutlich auch andere) hier für einen Link dahin (von Peter oder von kwerfeldein?) dankbar…
Manchmal genügt es aber vielleicht schon die „kleine“ Bandbreite (an) zu erkennen…
Wenn kwerfeldein für sich reklamiert, die Fotografie zum Gegenstand zu haben, fehlt es m.E. den Beiträgen an guten Bildern und der Auseinandersetzung mit diesen.
Wortklaubereien finde ich da fehl am Platze.
Ich war jetzt mal auf flickr (über den Link von kwerfeldein, auf einen anderen warte ich ja noch)…
Von den diversen Motiven mal abgesehen, fand ich die Bandbreite der dort gezeigten Fotos (hinsichtlich Qualität) sehr viel eingeschränkter als bei kwerfeldein obwohl ja zigtausende Fotos bei flickr gezeigt werden…
Ich wiederhole mich ungern. Aber „Wortklauberei“ soll hier, wie manch anderen Orts „Übertreibung“, doch nur zur besseren Veranschaulichung dienen – sorry, wenn sie, wie Peter meint, „da fehl am Platze“ ist…
Es gibt auf flickr im Verhältnis der Gesamtzahl von dort abrufbaren Bildern nur wenig kuratierte Inhalte.
Mein Kritikpunkt an kwerfeldein ist die m.E. fehlende „Bandbreite“. Auf flickr gibt es beispielsweise die Gruppe ‚kwerfeldein‘, aus der sich die Bilder auf der Startseite von kwerfeldein speisen. Es erscheint auf kwerfeldein aber immer nur dieselbe Suppe von verquastem Bildgewürge und nur selten einmal ein gutes Foto. Entsprechend eintönig ist mit der Zeit der Inhalt der Gruppe auf flickr geworden: Die Leute da haben mit den Füßen abgestimmt und geben viele gute Fotografien garnicht erst dort ein, weil sie schnell gelernt haben, dass man auf kwerfeldein einen nur sehr begrenzten Horizont pflegt und anders geartete Fotos ohnehin nicht auswählt.
Leider ist das ein Effekt, der auch anderswo nicht anders ist.
Eine ziemlich gelungene Auswahl an Fotografien hat für meinen subjektiven Geschmack zum Beispiel die Seite https://www.eyeshotstreetphotography.com/ Es erscheinen dort zwar Fotografien mit aus meiner Sicht ausserordentlich guter Qualität. Noch dazu ist die Initiative der Macher, ein Magazin herauszubringen, sehr gut gelungen. Jedoch ist es dort ähnlich: Es erscheinen dort nur Bilder einer bestimmten Machart.
Diese – ich nenne es mal – ‚Musterbildung‘ ist m.E. symptomatisch für die Auswahl, wenn bzw. weil sie permanent durch dieselben Leute geschieht.
Der Unterschied zu kwerfeldein liegt im Anspruch: Während Eyeshot erklärtermaßen auf deren Interpretation von ‚Street‘ fokussiert, hat man auf kwerfeldein offenbar den Anspruch, Fotografie als Ganzes zu adressieren und dafür fehlt leider nicht nur ein gewaltiges Stück des Rests der Fotografie sondern das Bisschen, das ständig aufs Neue hier erscheint ist für meinen Geschmack – ich bedaure die harten Worte – ziemlich bemüht und kläglich. Aber man muss sich an dem Anspruch messen lassen, den man vorgibt.
Danke Peter,
die langen Ausführungen zeigen mir, dass du dir richtig Mühe gibst. Das schätze ich sehr. Danke auch für den Link. Die Problematik, die du so ausgewogen beschreibst, ist gut nachvollziehbar…
Danke auch für deine „harten“ Worte. Der Anspruch der von kwerfeldein vorgegeben wird, den mag ich nicht messen oder bewerten. Erfüllen kann ich ihn ja ohnehin nicht, da ich Laie bin…
Als Laie sehe ich vermutlich mehr das „Bemühen“. Darüber kann ich ein Lied singen, Titel: „Du gibst dir Mühe, aber es reicht noch nicht“…Vielleicht lernt „kwerfeldein“ auch noch dazu? Dank der kritischen und meist deshalb auch wohlmeinenden Kommentare wäre es ja ein Leichtes!
Das sind unsere Ausblicke von Flickr: https://kwerfeldein.de/category/format/ausblick-format/
Ich sehe da eine große Bandbreite, obwohl es limitiert ist auf die Einsendungen der Community. Vielleicht klagen manche über fehlende Bandbreite und meinen einfach nur „zu wenig von dem, was mir gefällt…“
„Ich sehe da eine große Bandbreite“
Prima. Dann ist ja alles in Butter, also weiter so.
„Vielleicht klagen manche über fehlende Bandbreite und meinen einfach nur zu wenig von dem, was mir gefällt…“
Also ich kann da nur für mich sprechen und muss sagen, da ist nicht zu wenig sondern nichts was mir gefällt.
Charles Clyde Ebbets war ein Mann und wurde als solcher 1935 schlicht und einfach einer der ersten AP-Fotografen. Und nicht einer der ersten Fotograf*innen. Man kann über das Gendern denken, wie man will, aber wenn man es so praktiziert, schadet man dem Anliegen, dem es dienen soll, ganz sicher.
„—Man kann über das Gendern denken, wie man will, aber wenn man es so praktiziert, schadet man dem Anliegen…“
Gleich viermal „man“ in obigen Kommentar zum Gendern – dabei kommt der Artikel über Charles Clyde Ebbets doch von einer Frau. Im Gegensatz zu dem Kommentar. Denke ich nun, wie ich will…
Mannomann!
Sorry Katja,
der Link zur eigenen Gruppe? Ich versteh nicht ganz. Das ist doch genau „das immer Gleiche“ was in den Kommentaren kritisiert wird. Da stimmt es am Ende doch, dass die Bandbreite sich von selbst einschränkt. Es stimmt wohl: „Wiederholungen gefallen nicht immer“…
Als Laie hätte ich mir aber einen Link als Alternative zu flickr bzw. zu kwerfeldein gewünscht, da hat Peter ja „geliefert“. Vielleicht muss ich und andere endlich begreifen, dass kwerfeldein – wie das Leben – kein Wunschkonzert ist…
Vielen Dank für eure Mühen…
Hallo Armin, vielleicht haben wir aneinander vorbei geredet. Aber wenn Peter die fehlende Bandbreite in unserem Ausblick kritisiert, muss ich den Link dazu hier reinstellen. Denn es ist nicht wahr, dass hier immer das Selbe gezeigt wird.
Das scheint in der Diskussion hier ohnehin das Problem zu sein, Katja.
Die Frage lautet also, was ist Wahrheit?
Wenn zwei das Gleiche tun (sehen), ist es noch lange nicht das Selbe…
So heisst’s im Sprichwort.
Nehmt Euch doch vielleicht mal ein Beispiel an Sebastian Wells. Sein Interview auf FAZ.net fehlt leider in den Browserfruits heute. https://www.faz.net/-ipx-alktv
Das ‚Bild zur Nachricht machen‘ finde ich ein schönes Ziel. Ein solcher Ansatz könnte auch hier vielleicht zu mehr Vielfalt führen.