27. Januar 2022 Lesezeit: ~7 Minuten

Werkstattbuch: Was ich schon immer machen wollte

Wer kennt das nicht? Alle von uns haben fotografisch motivierte Projekte, die wir „schon immer mal machen wollten“. Deren Umsetzung wir uns seit Jahren wünschen, für die wir irgendwann eine starke Anregung bekommen haben und die wir seitdem auf einer Art inneren Bucket-Liste mit uns herumtragen.

Eben Projekte, die in diesem Leben noch getan werden sollten. Und das sind keineswegs immer nur „große“ Sachen, wie ein Jahr im Süden leben oder endlich Auswandern oder etwas in der Art. Das können auch ganz überschaubare Themen sein. Dinge, die man an einem Nachmittag erledigen könnte und es bisher trotzdem nie getan hat.

Bis, ja bis irgendwann ein Impuls so stark wird, dass man sich doch einen Ruck gibt, das Thema angeht und sich hinterher wundert, wie einfach das alles eigentlich war. Ein solches Projekt ist für mich eine große Magnetwand in meinem Atelier, an der man nach Lust und Laune Fotos befestigen kann.

Chaos bei den frei fotografierten Arbeiten

Seitdem ich fotografiere, schleppe ich eine Menge angefangener Foto-Projekte, begonnene Serien oder einfach bestimmte Motivwelten mit mir herum. Sehe die Motive, fotografiere die Bilder und lege sie irgendwo (in meinem Fall: chronologisch) auf der Festplatte ab. Es gibt auch eine große, thematische Ordnerstruktur, in die ich (manchmal) fertig ausgearbeitete, dazugehörige Fotos reinkopiere, oft aber auch nicht.

Es gibt Dutzende von angefangenen InDesign-Dateien – meist „irgendwie als Buch“ gedacht – mit einer chaotischen Fotoablagestruktur und mit garantiert vielen dazugehörigen, aber noch nicht ausgewerteten Bildern, die irgendwo auf meinen Festplatten schlummern.

Ich habe schon eine Menge ausprobiert, um dieses Material zu strukturieren. Nicht nur digital, auch ganz handfest analog. Da ich gern und viel drucke, gibt es neben dem Dateien-Chaos auch Hunderte Drucke, die sinnvoll aufzubewahren und zu ordnen gleichermaßen herausfordernd ist. Es gibt in meinem Atelier umgebaute Ikea-Regale, um Bilder thematisch abzulegen, es gibt Versuche mit physischen Konzept-Büchern mit Buchbinderringen (damit man umsortieren kann) und ich habe zwei wunderbare und randvoll gefüllte Grafikschränke für größere Formate.

Aber alle meine Versuche, zu einem schlüssigen Endergebnis zu kommen, blieben bisher auf halber Strecke stecken. (Wohlgemerkt: Ich spreche hier von „frei“ fotografierten Fotos, nicht von Jobs. Die sind alle fein säuberlich nach Kundschaft und Produktionsdaten sortiert. Da finde ich jedes Projekt innerhalb von Sekunden.)

Nützlich zum Lagern von Drucken, aber keine „kuratorischen Instrumente“.

Magnetwand als kuratorisches Instrument

Aber nicht bei meinen freien Arbeiten. Da gibt es einen Riesenhaufen unerschlossenes Material, das ich in den letzten 20 Jahren fotografiert habe. Da gibt es viele Drucke und noch viel mehr Bilder, die eigentlich gedruckt werden müssten, von denen ich aber noch nicht mehr weiß, dass sie überhaupt existieren – und schon gar nicht, wo sie abgelegt sind. Es fehlt schlicht an einem kuratorischen Werkzeug, um dieser Flut Herr zu werden und ein Projekt auch mal abzuschließen.

Einen „fertigen“ Dummy zu drucken oder einen Dienstleister ein durchgestaltetes Buch drucken zu lassen – das ist mir nur in der Anfangszeit hin und wieder mal gelungen. Da will ich wieder hin!

Und damit kommen wir zu den „Ich wollte schon immer mal“-Projekten. Zu meiner Magnetwand, an die man Drucke „einfach so“ befestigen kann, nach Lust und Laune hin und her schieben, umsortieren kann und dabei immer das Ganze im Blick behält. Dabei auf neue und überraschende Zusammenstellungen kommt (ich liebe Doppelseiten) und irgendwann das Gefühl hat, dass da etwas Stimmiges an der Wand hängt, das man in ein endgültiges Format überführen kann.

In unserer Dachwohnung gibt es viele Schrägen und nur wenige senkrechte, große Wände. Eine davon bietet sich im Flur an. Dort hingen auch schon immer Bilder – auf herkömmliche Weise befestigt. Mit Stecknadeln oder mit Rahmen. Oder mit Doppelklebeband. Oder irgendeinem anderen Murks. Alles nicht so das Wahre und für meine Projektarbeit untauglich, weil zu unflexibel. Diese Wand ist ein guter Kandidat für eine Magnetwand! Tausend Mal habe ich diesen Wunsch schon verspürt, aber ihn nie umgesetzt, vor mir hergeschoben und zeitweilig sogar auch wieder vergessen.

Endlich gemacht

Bis vorgestern. Ich weiß gar nicht, welcher Impuls mich da geritten hat. Ob es die gemeinsame Challenge ist, die ich mit einem befreundeten Fotografen zum Jahresanfang beschlossen habe? Ob es einfach der Neujahrsschwung war, der mich endlich mal in Bewegung gebracht hat? Wie auch immer. Nachdem ich mich ordentlich mit DIY-Videos auf YouTube heiß gemacht hatte, bin ich endlich zum Baumarkt gefahren, habe mir zwei Töpfe Magnetfarbe besorgt und habe es einfach gemacht.

Vier Anstriche später hafteten kleinere und größere Drucke schon ganz ordentlich auf der Oberfläche (Tipp: Neodym-Magnete verwenden, die normalen sind viel zu schwach). Und es hängen jetzt schon eine Menge Bilder daran, von denen ich hoffe, dass sie irgendwann einmal ein fertiges Projekt ergeben. Das ist ein richtig tolles Gefühl. Man kann davor stehen, hat alles im Blick, kann Bilder hin und her schieben, Fotos aussortieren, Bilder wieder aufnehmen – und so weiter. Work in progress. Und: Man hat eines der vielen unerledigten Lebensprojekte abgehakt. Das ist einfach klasse.

Die Magnetfarbe habe ich direkt auf die Latex-gestrichene Rauhfasertapete aufgebracht. Ist nicht der beste Weg, aber machbar, wenn die Tapete gut verklebt ist. Ich brauchte vier Schichten, bis kleine Neodym-Magnete ausreichend gut hafteten. Zwischen jeder Schicht sollte man mindestens vier Stunden Trockungszeit einkalkulieren, ich habe das Projekt auf zwei Tage verteilt. Kostenaufwand: ca. 50 € für die Magnetfarbe.

Um weiter und das eigentliche Ziel zu erreichen, muss ich jetzt aber ganz tief in meine Festplatten eintauchen und das verschüttete Material sichten. Und fleißig drucken. Möglichst jeden Tag dranbleiben. Spätestens in der Jahresmitte soll daraus etwas Fertiges entstanden sein. So der Plan. Die Wand ist groß genug, um in dem gewählten Format immerhin 108 Seiten unterzubringen. Das ist schon ein Fotobuch. Ich bin gespannt.

Postscriptum

An diese Wand passt – vielleicht – gerade mal ein Projekt. Ich habe aber mindestens zehn davon, die ich einigermaßen intensiv verfolge und zu denen es schon viele Bilder gibt und laufend neue dazukommen. Verdammt, ich brauche mehr Wände! Hm, im Schlafzimmer bietet sich noch etwas an? Und eventuell hinter dem Schreibtisch? Schauen wir mal! Immerhin weiß ich jetzt, dass dieser ewig unerfüllte Wunsch geradezu lächerlich einfach zu realisieren war. Guter Punkt, sollte ich mir merken.

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