Werkstattbuch: Die stillen Helden
Mein Kamerakoffer, den ich zu jedem Auftrag mitnehme, enthält – wenig verwunderlich! – die Kameratechnik: Zwei Profikameras von Fujifilm, eine weitere „Jokerkamera“, drei Zooms und diverse Festbrennweiten. Auch die Funkauslöser für die Blitzgeräte finden sich dort, Ersatzakkus verschiedener Art, einige Filter und ein Fernauslöser.
In der Fronttasche transportiere ich zudem eine Hülle mit Filterfolien und neuerdings auch einen runden Reflektor von California Sunbounce zum Aufhellen. Soweit – so vorhersehbar. Das sind eben die Dinge, die ich als Fotograf zu meinen Terminen mitnehme.
Aber das ist bei Weitem nicht alles und der Koffer beinhaltet noch eine ganze Reihe zusätzlicher Werkzeuge, Hilfsmittel und Geräte, die in manchen Situationen von entscheidender Bedeutung sein können und den Erfolg einer Fotoproduktion oft erst sicherstellen.
Ortstermin in einer mitteldeutschen Großstadt: wir sind im öffentlichen Raum unterwegs und warten auf ein Ereignis, das fotografiert werden soll. Es ist ein warmer, schwüler Tag, die Sonne brennt vom Himmel. Spätestens um 10 Uhr wird mir klar, dass ich heute Abend einen veritablen Sonnenbrand haben werde, wenn ich nicht vorsorge. Ich hoffe, an alles gedacht zu haben und greife in eine der Seitentaschen des Koffers.
Darin befindet sich mein Erste-Hilfe-Paket, das allerlei medizinisches und körperschützendes Material enthält: ein Paar Pflasterstreifen, für den Fall, dass man sich irgendwo verletzt. Ein kleines Fläschchen Desinfektionsmittel (für die gleiche Situation), ein paar homöopathische Tabletten für akute Heuschnupfen-Anfälle (falls ich mal in einem blühenden Feld fotografieren muss – und ja, die wirken wirklich!).
Ein Deo (Ihr wisst schon), zwei Ersatzkontaktlinsen samt Pflegemittel und eine Reisezahnbürste plus Zahnpasta (für unvorhergesehene Übernachtungen). Und eben auch eine kleine Flasche Sonnenschutzmilch. Faktor 30 und damit genau richtig für den vor uns liegenden Tag.
Schutzfaktor 30
Ich versorge alle aus dem Team, die ebenfalls Bedarf haben, und creme mich selbst ein. Es ist noch genug da für uns und ich bin verdammt froh, irgendwann im Frühjahr die Erste-Hilfe-Tasche überprüft und um jahreszeitlich relevantes Material ergänzt zu haben. Am Abend habe ich eine schöne Bräunung mit nach Hause genommen – ohne jeden Anflug von Röte und ohne gesundheitliches Risiko.
Nur ein Beispiel, aber typisch: Es hat überhaupt nichts mit Fotografie oder Fototechnik im engeren Sinne zu tun, war aber wirklich wichtig und hat mir zumindest einiges an Unbill erspart. Werkzeuge und Hilfsmittel außerhalb klassischer Fototechnik gibt es in dem Koffer aber noch viel mehr. Ich versuche mich ein mal an einer Aufstellung:
- Ein Multitool von Victorinox
für Basteleien diverser Arten.
- Eine Rolle Panzerband von Tesa für Befestigungen, die sich nicht anders realisieren lassen.
- Eine Taschenlampe von Zweibrüder
als ergänzendes Effektlicht oder auch wirklich zum Ausleuchten von Räumen.
- Ein Säckchen mit Adaptern, Fotoschrauben und Kleinstativen zum Verbinden von Ausrüstungsteilen und für kleine Lichtlösungen.
- Vier bis fünf durchsichtige Plastiksäckchen, aufgerollt. Für den Fall, dass wir draußen Blitze aufgebaut haben und es anfängt zu regnen. Schützt bei Bedarf auch eine Kamera.
- Eine leistungsstarke Powerbank mitsamt Ladekabel, um iPad, iPhone oder auch meinen Laptop aufzuladen.
- Ohrenschützer gegen Lärm – die gibt es bei Industrie-Unternehmen zwar auch immer kostenlos, aber ich lege Wert auf meine eigenen, die man weniger leicht verliert und die bequemer zu tragen sind.
- Handschuhe, für den Fall, dass es irgendwo besonders kalt, besonders dreckig oder auch besonders heiß wird – oder dass geklettert werden muss.
Regelmäßige Überprüfungen
Mindestens zweimal im Jahr überprüfe ich alle meine Taschen und Ausrüstungsbestandteile auf Vollständigkeit. Einmal in der Weihnachtspause, wenn viel Zeit ist, ein Jahr abgeschlossen wird und ein neues vor der Tür steht. Und einmal beim Übergang vom Winter in den Frühling. Dabei stelle ich mir immer wieder diese Fragen:
- Was ändert sich saisonal und worauf kann ich mich noch besser vorbereiten?
- Habe ich an alles gedacht? Gab es Situationen, in denen etwas fehlte und ein bestimmtes Werkzeug entscheidende Verbesserungen gebracht hätte?
- Hat es irgendwo „Schwund“ gegeben und fehlt womöglich etwas, von dem ich eigentlich annahm, dass es noch vorhanden ist?
- Oder auch: Ist etwas hinfällig geworden? Schleppe ich Sachen mit mir herum, die ich noch nie verwendet habe und die besser ausgemustert werden sollten?
Jüngstes Beispiel einer Revision: Bei einem zweitägigen Shoot fiel mir bei einem Portrait-Motiv auf, dass sich ein Objektiv nicht mehr richtig am Bajonett befestigen ließ. Irgendetwas störte und verhinderte das saubere Einrasten. Die Ursache war schnell gefunden: Eine der Endschrauben am Objektiv hatte sich gelöst und war ein Stück herausgedreht. Obwohl mein Victorinox-Multitool auch über ein externes Werkzeug für allerlei Schrauben verfügt, war keine dabei, die fein genug für diese winzige Schraube war.
An dem Tag konnte ich das leicht überspielen und fotografierte statt mit der Festbrennweite eben mit einem Zoom-Objektiv. Aber es zeigte mir einmal mehr, dass ich an eine mögliche Situation nicht gedacht hatte. Nach der Fotoproduktion sind wir daher nicht gleich ins Hotel gefahren, sondern haben beim nächstgelegenen Baumarkt einen Stopp eingelegt. Mit Hilfe des Objektivs und eines Fachberaters war der passende Schraubenvorsatz schnell gefunden.
Der hat ab jetzt einen Ehrenplatz in der Batterie der standardmäßig mitgelieferten Vorsätze (die ich bis dato selten bis nie gebraucht hatte). Wenn sich die nächste feine Schraube dieser Machart lösen sollte (und von denen gibt es bei Objektiven, Kameras und auch Blitzgeräten nicht wenige): Ich bin vorbereitet!
Produktionssicherheit
Das ist für mich ein wichtiges Gefühl: auf möglichst alle Eventualitäten eine Antwort haben. Als Fotograf, der fast immer vor Ort – „on location“ – arbeitet, ist man auf das angewiesen, was man auch dabei hat. Was nicht im Gerätekoffer oder wenigstens im Auto ist, das fehlt und kann auch nicht auf die Schnelle beschafft werden. Dann sind Adrenalinschübe vorprogrammiert, vor allem, wenn es sich um ein wichtiges Teil handelt.
Manches kann man mit Improvisationstalent oder Redundanz ausgleichen und entschärfen. Ein vergessenes Kamerastativ kann man zur Not durch ein Lichtstativ ersetzen. Die liegengelassene Panzerband-Rolle durch ein beim Kunden geliehenes Paketklebeband. Aber nicht immer funktioniert das – und dann hat man ein echtes Problem. Das will ich vermeiden. Sorgfalt und Vorausdenken hilft und schont die Nerven.
Da bleibt mir nur ein ?
Zur Erklärung des ?:
– Platidüden sind Ahrens‘ Stärke.
– Schleichwerbung (mit Amazon Links!) sein Metier.
Neu ist, dass er jetzt bei sich selbst abschreiben- der Text entammt einem seiner (m.E. entbehrlichen) Bücher.
Das war das letzte Mal, dass ich auf Kwerfeldein war, es ist mir zu flach geworden.
Erwin
Hallo Erwin,
freut mich sehr, dass Du eines meiner Bücher gelesen hast.
Zur Erklärung, worum es geht: gerne auch mit Amazon-Link: https://amzn.to/30KoYwN
VG, Christian
-Platidüden….
„„Kaufe ein gutes Paar bequeme Schuhe, halte deine Ellbogen bei dir, sei geduldig,
optimistisch und vergesse niemals zu lächeln.“ Mit diesem Credo, seinem
feinen britischen Humor und einem untrüglichen Gespür für sich entwickelnde
Szenen und Begebenheiten macht sich Matt Stuart auf die Suche nach den
„entscheidenden Augenblicken“.
Finde ich jetzt einen guten Rat. Besser als die zehn ToDo-Vorschriften für den guten Streetfotografen. ;)
Na ja, daran sieht man eben, Fotografie ist eben doch, soweit sie professionell betrieben wird, Handwerk geblieben. Jeder Handwerker muss sein Werkzeug pflegen, sonst wird sein Werkstück nicht gelingen. Und, last not least, ist Materialpflege auch ein Stück Nachhaltigkeit, schont den Geldbeutel und ist gut für die Bilanz. Was nützt die beste Kunst oder fotografische Idee, wenn das Material nicht mitspielt.
Hi Michael,
ja, das ist so und eine besondere Eigenschaft unserer kreativen Kunst: Fotografie ist in besonderer Weise technisch geprägt. Das fängt bei Kameras und Objektiven an und hört bei sehr speziellen Tools noch lange nicht auf. Einerseits ein Faszinosum, manchmal aber auch eine Versuchung (wenn man der Technik zu viel Aufmerksamkeit widmet). Statt „Handwerk“ würde ich aber lieber „technisch geprägtes Medium“ sagen…. :-)
VG, Christian
Hm, für mich ist der Begriff des „Handwerks“ nicht negativ konnotiert.
Zur Fotografie gehört ein bisschen die Faszination der glitzernden und schillenden Ausrüstung dazu, im Schreinerhandwerk vielleicht die technische Raffinesse einer Dekupiersäge. Das Werk eines begabten Schreiners kann durchaus „künstlerischer“ sein als so manches Foto. Leider hat hier der Zeitgeist dem Begriff des Handwerks ziemlich viel Übles angetan.
Hi Michael,
für mich ist „Handwerk“ auch nicht negativ konnotiert, allerdings sträube ich mich schon etwas dagegen, die Fotografie als „handwerklichen Lehrberuf“ zu sehen. Sie kann – aber sie muss nicht – ja viel mehr sein, als die handwerklich saubere Umsetzung eines Bildes.
Aber natürlich hat jedes Fotografenleben eine „handwerkliche“ oder „technische“ Seite, die man so weit beherrschen sollte, dass man seinem Ausdruckswillen folgen kann – wo auch immer das einen hinführt.
VG, Christian
Wer braucht so etwas? Wen interessiert das? Ein vollkommen überflüssiger Beitrag.