03. August 2021 Lesezeit: ~16 Minuten

Im Gespräch mit Judith von Secret Famous Places

Judith und ihr Freund Robin stellen seit sieben Jahren berühmte Filmszenen nach und reisen dafür zu den Drehorten. Entstanden ist daraus das Projekt „Secret Famous Places“. Beide sind keine Fotograf*innen, doch beim Fotografieren sehr perfektionistisch. Welche Technik sie verwenden, wie sie die Drehorte finden und welche Regeln sie sich selbst gestellt haben, hat mir Judith in einem Telefoninterview verraten.

Filmszene Forest Gump

„Forest Gump“

Hallo Judith, kannst Du Dich noch an das erste Bild erinnern, das Ihr nachgestellt habt?

Ja, klar! Es ist aber noch nicht veröffentlicht, weil es für uns etwas ganz Besonderes ist. Deshalb warten wir noch auf den perfekten Moment, um es zu zeigen. Das Bild entstand in Prag im Jahr 2014. Damals hatten wir unsere Idee, Filmaufnahmen nachzustellen, das erste Mal ausprobiert. Wir wollten testen, ob das überhaupt klappt.

Welchen Film hattet Ihr Euch für diese erste Aufnahme ausgesucht?

Es war „Mission: Impossible“. Wir sind dafür ein paar Tage nach Prag gefahren und wollten das Foto am vorletzten Abend machen. Als wir uns dann umgezogen und geschminkt hatten und aus dem Hotel kamen, hat es so angefangen zu regnen, dass wir direkt wieder umgedreht sind.

Es begann also direkt mit einem Fail. Aber am letzten Abend haben wir es noch einmal probiert und es hat richtig gut funktioniert. Es war zwar wahnsinnig kalt, aber auch so witzig. Wir haben eine Paar-Aufnahme und ein Einzelbild gemacht und kamen so mit zwei Bildern wieder nach Hause. Und wir hatten die Bestätigung, dass unsere Idee funktioniert.

Und nicht nur das! Trotz der Schwierigkeiten hat es Euch anscheinend solchen Spaß gemacht, dass Ihr auch jetzt noch, sieben Jahre später, Filmszenen nachstellt.

Ja, es hat sehr viel Spaß gemacht. Es war aufregend und großartig zu sehen, wie der Originaldrehort aussieht. Da war zum Beispiel eine Klingel im Hintergrund auf dem Bild. Beim Filmdreh war sie sehr alt und auf unserem Bild ganz modern. Es ist immer spannend, diese kleinen Unterschiede zu entdecken.

Als wir das allererste Mal unsere Bilder übereinander gesehen haben, war das so cool, dass wir es unbedingt weitermachen wollten. Am Anfang noch eher sporadisch, aber mittlerweile ist es doch sehr regelmäßig.

Schade, dass man das erste Bild jetzt noch nicht sehen kann, aber auch ein guter Grund, Euch zum Beispiel auf Instagram zu folgen. Ich bin selbst Fotografin und weiß, wie schwer es ist, ein Bild exakt nachzustellen. Ihr müsst Euch mit Perspektiven auseinandersetzen, mit Brennweiten, Blende, Licht und mehr. Habt Ihr einen fotografischen Hintergrund?

Ich habe Kommunikationsdesign studiert und die Spiegelreflexkamera hatte ich dadurch schon. Aber ja, wir sind keine Fotograf*innen und mussten uns dafür viel selbst beibringen. Robin ist auch schon immer sehr am Film interessiert gewesen und hat einen eigenen YouTube-Kanal. Dadurch kannte er sich auch ein wenig mit Kameras aus.

Ich muss auch fairerweise sagen, dass die Aufnahme immer sein Job ist. Er ist da mittlerweile wahnsinnig gut drin und sieht direkt, von welcher Stelle ein Film gedreht wurde, analysiert Größenverhältnisse und Unschärfen in den Bildern.

Filmszene auf einem Boot

„Tenet“

Eure technischen Voraussetzungen sind natürlich auch ganz andere als die der Filmfirmen. Die kommen ja teilweise auch mit einem Kran zum Aufnehmen an ein Set.

Genau, das stellt uns immer wieder vor riesige Herausforderungen, weil wir teilweise mit der Kamera gar nicht an die Orte kommen, wo sie eigentlich stehen müsste. Dann arbeiten wir schon einmal mit Kofferbändern, die wir zufällig dabei haben und als Seile nutzen, damit unsere Kamera nicht von der Burgmauer fällt.

Oder beim Film „Tenet“ stand die Kamera vorn auf einem Boot auf Augenhöhe. Wie sollen wir denn mit dem Boot fahren und das Bild gleichzeitig aufnehmen? Wir haben ja keine dritte Person, die die Kamera dann hält. Also mussten wir Seile mitnehmen, um das Stativ wirklich gut zu sichern, damit es auf gar keinen Fall ins Wasser fällt. Es ist immer sehr kreativ.

Ihr macht meistens Paar-Bilder und nutzt dann einen Selbstauslöser, oder?

Genau.

Welche Technik nutzt Ihr denn mittlerweile für Eure Aufnahmen? Ich nehme an, von 2014 bis heute hat sie sich auch verändert.

Wir nutzen eine Canon 700D. Das ist auch noch die Kamera, die ich mir vor zehn Jahren für das Studium gekauft hatte. Wir überlegen natürlich ständig, ob wir uns mal etwas Besseres zu kaufen, aber dadurch, dass wir kein Geld mit dem Hobby verdienen, ist alles, was wir darin investieren, unser privater Spaß. Deshalb überlegen wir schon, ob es unbedingt eine Kamera für 3.000 € sein muss.

Wir haben uns aber zwei neue Objektive zugelegt, um die Brennweiten besser hinzubekommen. Manchmal fotografieren wir auch einfach mit meinem iPhone. Das macht auch super Bilder und trifft den Winkel in einigen Fällen besser, als die Canon. Aber mehr haben wir tatsächlich nicht.

Pärchen spaziert

„Charade“

Ich habe ein wenig über Eure Filmzusammenstellung gestaunt. Ihr habt unter anderem Star-Wars, Downton Abbey und Sex and the City nachgestellt. Das passt auf den ersten Blick nicht richtig zusammen-

Doch, doch, wir sind ja zwei Personen und haben durchaus sehr unterschiedliche Filminteressen. Was wir nicht machen, ist, Filme nachzustellen, die uns beiden nicht gefallen. Wir haben einmal einen Film geschaut, der in Berlin gedreht wurde und nach einer halben Stunde abgeschaltet. Wir haben bei solchen Filmen gar keine Lust, unsere Energie reinzustecken.

Aber auch wenn ich zum Beispiel kein Star-Wars-Fan bin, ist es natürlich super cool, an diese Drehorte zu fahren. Robin ist dafür ein umso größerer Fan. Und ich habe wiederum früher „Sex and the City“ geschaut und Robin nicht. Da ist dann einfach ein Kompromiss gefragt. Auch von „Downton Abbey“ bin ich großer Fan und Robin hat es nie gesehen. Ich habe ihm erst vor Ort gesagt, dass er gerade in dieser Szene verlassen wird.

Unser beider Filmgeschmack ergibt, denke ich, eine schöne Mischung und deckt ein breites Spektrum ab.

Könnt Ihr eigentlich noch ganz entspannt Filme schauen?

Manchmal vergessen wir unser Hobby, aber meist immer nur eine*r von uns. Es ist schon so, dass wir abends auf der Couch liegen und dann plötzlich jemand von uns beiden ruft: „Stopp, stopp, drück auf stopp, schau mal die Szene!“ und die andere Person erschrickt sich etwas.

Das war bei „The Marvelous Mrs. Maisel“ so, wo eine richtig tolle Szene drin vorkam. Die Serie wird eigentlich in Amerika gedreht, aber plötzlich gibt es einen Ausflug nach Frankreich. Wir dachten zuerst, es ist vielleicht in einem Studio aufgenommen worden, aber dann ging die Protagonistin an einem Straßenschild vorbei. Das haben wir gegoogelt und mit Street View standen wir eine Minute später genau an der Stelle, an der sie stand. So wussten wir, dass es den Drehort gibt und er auch nicht weit von uns weg ist.

Manchmal kommt Robin auch total begeistert aus dem Kino, weil er einen Ort im Film wiedererkannt hat. Es ist schon so, dass wir versuchen, immer neue Motive zu finden und uns unser Hobby nicht loslässt.

Filmszene

„Der Herr der Ringe“

Viele Drehorte sind ja sicher gar nicht so leicht zu finden. Bei sehr bekannten Filmen gibt es Listen mit Drehorten im Internet, aber das gibt es ja längst nicht zu allen Filmen.

Ja, je berühmter der Film und je größer die Fanbase, umso einfacher ist es, die Drehorte zu finden, weil sich viele Leute schon die Mühe gemacht haben, sie ausfindig zu machen.

Aber manchmal ist es sehr schwierig. Beim Film „Der Hobbit“ ist im Hintergrund einer Szene zum Beispiel der Mount Cook in Neuseeland zu sehen. Also dachten wir natürlich, dass dieser See im Vordergrund um den Berg herum liegen muss. Robin hat tagelang gesucht, im Internet und mit Google Street View und es einfach nicht gefunden.

Wir haben dann begonnen, in Foren nachzufragen, ob uns jemand weiterhelfen kann und ein Pärchen, das seit Monaten mit dem Wohnmobil durch Neuseeland reist, hat den See wiedererkannt. So kam heraus, dass er auf der anderen Seite von Neuseeland liegt, für den Film hat man den Berg mit Hilfe von CGI nachträglich hinzugefügt. Das ist für uns natürlich echt fies.

Filmszene Game of thrones

„Game of Thrones“

Ihr reist ja wirklich viel für Eure Bilder. Ich habe auch Schottland, Griechenland und Amerika gesehen. Sind das Eure Urlaubsziele und dann schaut Ihr, welche Szenen dort gedreht wurden oder ist es anders herum und Ihr schaut, wo etwas Tolles gedreht wurde und so entscheidet sich Euer Urlaubsziel?

Es gibt tatsächlich beide Fälle. Wir würden natürlich niemals nach Berlin, in diese Unterführung, wo „Tribute von Panem“ gedreht wurde, als Urlaubsziel fahren. Das war wirklich eine gezielte Reise für dieses Foto. Oder Robin wollte zum Beispiel unbedingt zu den Drehorten von „Derr Herr der Ringe“. Neuseeland ist durchaus ein Reiseziel, worüber ich nicht lange nachdenken musste.

Aber oft ist es so, gerade auch jetzt während der Corona-Pandemie, dass wir überlegen, wohin wir reisen können und wollen und wenn wir etwas gefunden haben, wie bei unserem letzten Urlaub in Kroatien, dann schauen wir erst, was da so gedreht wurde. Meistens ist es auch eher so herum.

Ihr stellt ja nicht nur die Szene an dem Ort nach, sondern geht dabei auch wirklich sehr ins Detail. Ihr kauft passende Kleidung oder bastelt sie, in einem Eurer Videos hatte ich sogar gesehen, dass Ihr zwei große Blumentöpfe auf einer Reise dabei hattet. Wie perfektionistisch seid Ihr und gibt es eine Grenze, bei der es für Euch dann reicht?

Eine Grenze hatten wir selten. Wir haben da nie wirklich drüber geredet, aber für uns ist klar, dass das Ergebnis perfekt für uns sein muss. Deswegen bremsen wir uns nicht. Wir wollen beide, dass es ein gutes Foto wird.

Klar kam es schon einmal vor, dass wir im Nachhinein festgestellt haben, dass jemand noch eine Kette anhatte oder so etwas. Dann ist das so. Aber wir versuchen schon, alles bis hin zur Falte des Kleids genau nachzustellen. So perfektionistisch sind wir lustigerweise gar nicht im Alltag, nur in unserem Hobby.

Aber so ist das Ergebnis dann auch cool. Wenn wir immer sagen würden: „Ach komm, Du hast jetzt eine blaue statt einer schwarzen Hose an, egal“, dann wird das irgendwann nicht mehr so beeindruckend und zufriedenstellend für uns selbst.

Filmszene

„Keinohrhasen“

Ich hatte auch ein Video von Euch gesehen, in dem Ihr ein Bild mit Nora Tschirner aus „Keinohrhasen“ nachgestellt habt. Bei Euch war es furchtbar kalt und die Bäume im Hintergrund noch kahl. Auf dem Originalbild waren sie jedoch bereits grün. Stört Dich so etwas?

Ja, manchmal sind die Umstände nicht anders machbar. Auch in unserem Star-Wars-Bild ist das so. Das war um Ostern herum, aber es war in den Wochen davor kalt und wir hatten gar nicht daran gedacht, dass die Büsche noch nicht blühen könnten. Bei „Keinohrhasen“ wurde ein Film über uns gedreht und dann vor Ort zu sagen, dass wir das Bild heute nicht machen, weil es nicht grün genug ist, geht auch nicht.

Ich denke auch, solange man das Motiv und den Ort noch erkennt – und das tut man ja – dann passt das. Wir haben auch nur sechs Wochen Urlaub im Jahr. Die Sachen, die wir beeinflussen können, beeinflussen wir. Wenn der Busch noch nicht grün ist, dann ist das nun einmal so.

Filmszene

„Star Wars“

Ihr passt nach der Aufnahme jedes Bild noch farblich dem Original an. Habt Ihr Euch Grenzen bei der Bildbearbeitung gesetzt? Als Fotografin wäre es für mich ja ein Leichtes, eine blaue Hose in eine schwarze umzufärben, eine Hand nach oben zu korrigieren oder eben einen grünen Busch von einem ins andere Bild zu übernehmen.

Es gibt tatsächlich strenge Regeln, die wir auch einhalten. Regel Nummer 1 ist, dass nichts nachträglich hinzugefügt oder wegretuschiert wird. Ich habe Kommunikationsdesign studiert und könnte das auch leicht machen. Aber ich mache das bewusst nicht.

Beim Bild „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ steht neben uns ein Motorrad, das da eigentlich nicht hingehört. Das könnte ich leicht rausnehmen, aber wir wollen ja auch zeigen, wie es in Wirklichkeit war und diese kleinen Unterschiede machen es für uns aus. Zu sehen, dass das Haus dahinten renoviert wurde. Oder der Film „Hangover“ ist jetzt zehn Jahre alt, aber im Hintergrund ist immer noch dieselbe Baustelle. Die haben seit zehn Jahren nicht weitergebaut, das gibt es doch nicht! Solche Kleinigkeiten finden wir so cool und machen den Reiz des Projekts aus.

Auch hinzufügen dürfen wir nichts. Den schweren Koffer für das Bild von „Dark“ haben wir wirklich bin dahin geschleppt. Wir könnten ihn auch von einem ins andere Foto duplizieren, aber das wäre nicht richtig. Was man sieht, war da und was man nicht sieht, war nicht mehr da.

Das einzige, was wir nachträglich verändern, sind Farbfilter und Kontraste. Eben genau das, was die großen Filmfirmen auch für ihre Filme machen. Wenn wir das nicht tun würden, wäre der Vergleich zwischen den beiden Bildern am Ende nicht so stark.

Ja, die Firmen tricksen natürlich auch sehr. Auch mit CGI, wie Du schon im Fall des Bergs in Neuseeland erwähnt hast.

Ja, genau. Wir würden auch sehr gern mal nach Hawaii, wegen Jurassic Park. Dass da dann ein Dinosaurier steht, ist aber wohl sehr unwahrscheinlich. Mal schauen, wie wir das dann lösen.

Filmszene

„Dark“

Oh, ich bin gespannt! Was gibt es denn für Rückmeldungen zu Eurem Projekt? Haben sich mal Produzent*innen oder Schauspieler*innen bei Euch gemeldet?

Ab und zu kommentieren oder liken die Schauspieler*innen unsere Bilder auf Instagram. Der allererste war Tom Cullen von „Downton Abbey“. Da hatten wir erst ein paar hundert Follower und es war unser drittes Bild. Dass da der Schauspieler kommentiert, damit haben wir nie gerechnet.

Er schrieb darunter: „Nailed it!“ Ich las es früh morgens noch im Bett liegend, hatte nur kurz gelesen „Tom Cullen hat kommentiert“ und hatte gar nicht gecheckt, dass das der Schauspieler ist. Und erst dann hat es langsam klick gemacht und ich habe mich richtig erschrocken.

Hilary Swank war natürlich auch eine riesen Überraschung oder Marion Cotillard von „Inception“. Lisa Vicari von „The Dark“ hat letztens unser Bild in ihrer Story geteilt. Deshalb ist das Bild, wenn man nach Likes geht, nun auch das erfolgreichste.

Wir hatten in einer Story um Rat gefragt, weil wir in der nächsten Woche nach Potsdam zu einem Drehort fahren wollten, aber noch gar keine Ahnung hatten, wo das genau ist. Wir hatten Christian Ulmen verlinkt, aber nie damit gerechnet, dass er antworten würde. Fünf Minuten später schrieb er uns dann aber mit der genauen Wegbeschreibung. Das war total verrückt und wir haben uns besonders gefreut.

Es macht auch einfach Spaß, wenn man weiß, dass die Originalschauspieler*innen nicht doof finden, was wir machen, sondern im Gegenteil sogar ganz begeistert davon sind.

Lachendes Pärchen umarmt sich

„Inception“

An welchem Bild arbeitet Ihr gerade?

Das wüssten wir ehrlich gesagt auch gern. Wir haben bald Urlaub, aber wissen durch die Corona-Pandemie noch nicht, wie und wohin. In Planung ist natürlich viel, aber die aktuelle Situation macht es schwierig.

Vermutlich werden wir nicht weit reisen können. Wenn Du eine Idee hast, was wir in Deutschland noch fotografieren könnten, sag es uns gern Bescheid.

Das gebe ich gern an unsere Leserschaft weiter. Vielleicht schreibt sie ein paar Ideen in die Kommentare zu diesem Interview. Ich wünsche Euch auf jeden Fall noch ganz viel Spaß mit dem Projekt und freue mich schon auf weitere Filmszenen!

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