Was passiert, wenn wir in einen Moment stolpern, bei dem wir einem wilden Tier in die Augen sehen? Bleiben wir stehen wie angewurzelt, eingefroren – was erfüllt uns? Angst, Unsicherheit, Erhabenheit, Neugier?
Selten passiert es noch, dass wir unberechenbaren Wesen begegnen, selten laufen wir nachts durch den Wald oder über Wiesen. Trotzdem haben wir immer dieses Unbehagen vor dem Unbekannten, wenn es knackt und knarzt und wir den Ursprung nicht kennen. Wenn der Wind besonders menschlich heult. Wenn es im Dunkeln im Garten raschelt.
Mit meiner Serie „caught by night“ wollte ich das Gefühl einer klassischen Wildkamera aufgreifen. Mit Blitz in der tiefsten Nacht, wie wir es von Jäger*innen kennen. So bekommt der Mensch die besonders scheuen Tiere zu Gesicht. Oft sagen wir uns, dass sie doch mehr Angst vor uns haben als wir vor ihnen, aber ist das wirklich so?
Die Bilder zeigen Frauen, die frei durch die Nacht tanzen, laufen, fliegen und lachen. Wer hat Angst vor einer starken, unabhängigen und freien Frau, die man nicht beherrschen kann? Man sollte meinen, dass es im zwanzigsten Jahrhundert niemand mehr haben sollte, aber wenn man in die Welt schaut, ist es doch immer noch nicht selbstverständlich.
Die Hexe verkörpert oft eben die Frau, die sich nichts gefallen lässt und für ihre Freiheit kämpft und damit den Bürger*innen der braven Städte Angst und Unbehagen bereitet. Wie der Wolf noch heute.
Doch wie schön ist es, frei zu sein, für jeden Menschen. Wie wunderbar wohl das Gefühl ist, nachts durch den kalten Nachthimmel zu fliegen und mit einem Augenzwinkern an die zu denken, die hoffen, dass man mehr Angst vor ihnen hat als sie vor einem.
Die böse und gefährliche Hexe passt leider nicht gut zur Wäscheleine … Hausfrauen-Klischee …
Wer sagt, dass sie böse und gefährlich ist? Sie ist verspielt und frei, spielt Verstecken mit der Kamera. Vielleicht hat sich da die Wäsche einfach gut angeboten?
Hexen sind nicht die, die sich nichts gefallen lassen, sondern in der Vergangenheit oft die gewesen, die man für das eigene Leid verantwortlich machen und los werden wollte. Es waren die Hexen, die Angst hatten. Richtig ist aber auch, dass wir oft Angst vor dem Unbekannten, dem Selbstbewusstsein der anderen haben.
Ich habe gerade das Hexendenkmal in Vardö besucht, es steht für haltlose Anschuldigungen, für sadistische Verhörmethoden und für Verbrennen bei lebendigem Leibe.
Wer verdächtigt wurde, eine Hexe zu sein, den warf man ins Wasser. Ertrank die Beschuldigte, war sie unschuldig, konnte sie sich über Wasser halten, war sie schuldig und wurde verbrannt.
Vor diesem Hintergrund des Besuchs des Denkmals tue ich mich weniger mit den hier gezeigten Aufnahmen als mit der vorgegebenen Interpretation etwas schwer, wobei ich die Idee an sich sehr gut finde.
Mir fällt zu diesen Bildern eher in der auch heute noch oft gezeigten Wahrnehmung die Überschrift „Freiwild“ für diese Serie ein.
Auf jeden Fall sind es Bilder, die ein Thema anreißen, das passiert nicht so oft in der heutigen Fotografie.
Wer Angst vor freien Frauen hat ist ja wohl bekannt, der, der sie verhüllt. Das wird aber in den Bilder nicht thematisiert. Das Hexenbild geht ins triviale.