18. März 2019 Lesezeit: ~3 Minuten

Rezension: Fuck Me

Stellt Euch vor, Ihr findet ein Tagebuch. Ihr blättert zunächst vorsichtig darin, um einen Hinweis auf die Person dahinter zu finden und verliert Euch dann in den Texten und Bildern. So zumindest erging es mir beim Durchsehen des Buchs „Fuck Me“ von Josh Kern.

Die Sicht durch das Buch hat etwas sehr Intimes und Verbotenes. Es fühlt sich nicht richtig an. Durch die offene Bindung bin ich sehr vorsichtig beim Blättern, das Aufbrechen der ersten Seiten lässt erste Gebrauchsspuren entstehen, obwohl ich vermeiden möchte, dass meine Neugierde offensichtlich wird.

Buch mit Selbstportrait

Aber halt! Es ist kein Tagebuch. Es ist ein Fotobuch, käuflich zu erwerben und dafür da, es anzusehen. Das musste ich mir tatsächlich hin und wieder ins Gedächtnis rufen, wenn ich die Handschrift Joshs las, die abfotografierten Tagebuchseiten sah und seine Bilder betrachtete.

Nach und nach wurde ich mutiger, versuchte, durchgestrichene Zeilen zu entziffern und begann, die Personen in den einzelnen Bildern zu untersuchen und Beziehungen herzustellen. Ist die junge Frau mit den wilden Locken die Freundin? Und da sieht man den verletzten Skater einige Seiten später wieder sehr betrunken auf einer Party.

Buchseite aufgeschlagen

Ich entwerfe Geschichten und Zusammenhänge, wo vielleicht keine sind. Denn Josh erklärt nicht, was man sieht. Und das ist gut so. Dadurch verbinde ich meine eigenen Erlebnisse mit seinen Bildern und erinnere mich zurück an meine Jugend. An meine Zerrissenheit und einige dumme, aber sehr wichtige Abenteuer.

Die Fotos sind analoge Aufnahmen. Vielfach wirken sie wie Schnappschüsse von Partys, langen Nächten und Skateboarding. Einige wirken wie aus billigen Einwegkameras, teilweise sind sie schlecht gescannt mit Fusseln. Aber das stört nicht, denn genau diese Effekte sind passend und erinnern wieder an das eigene Damals.

Buchseite aufgeschlagen

Man sieht den Fotos trotz der offensichtlichen, qualitativen Mängel an, dass sie von einer Person gemacht wurden, die sich mit Fotografie beschäftigt. Josh hat ein gutes Gespür für Bildkomposition und gute Geschichten.

Zwischen den Fotos hat Josh Notizen und Tagebuchseiten veröffentlicht. Man bekommt hier Einblick in seine Gefühlswelt. Er schreibt ausschließlich auf Englisch und berichtet im Einleitungstext von seinen damaligen Ängsten und Destruktivität. Und erklärt, warum er das Buch veröffentlicht. Ehrlich und ohne Attitüde.

aufgeschlagenes Buch

Ich möchte nicht zu viel vorwegnehmen. Das Buch ist für mich ein kleines Gesamtkunstwerk, das man mehrmals in die Hand nehmen muss, um es komplett zu erfassen. Zusammen mit Calin Kruse vom Verlag dienacht hat Josh die Idee großartig in eine sehr passende Form gebracht.

Sogar das Impressum wurde passend von Josh handschriftlich verfasst. Nichts im Buch stört den Gesamteindruck eines echten Tagebuchs. Mit einem Format von 10,5 x 15 cm passt es bequem in meine Hand. Seitenzahlen sind unwichtig und werden auf der Verlagsseite mit 196 angegeben. Das Buch kostet 20 €.

Informationen zum Buch

Fuck Me von Josh Kern
Sprache: Englisch
Einband: Softcover
Seiten: 196
Maße: 10,5 x 15 cm
Verlag: dienacht
Preis: 20 €

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