07. Januar 2019

The Gentlemen Portraits

Mit meiner Aussage „ich mache nur Männerportraits“ bin ich schon oft angeeckt. Weil ich eine Frau bin? Vielleicht. Wenn man wie ich eine Zeitlang vor allem auf Facebook in diversen Fotogruppen unterwegs war, stellt man schnell fest, dass unendlich viele Männer unendlich viele Frauenportraits schießen und dafür gefeiert werden. Männerportraits und Männermodellen wird meist nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt.

Sätze wie „Frauenportraits mache ich auf TFP-Basis, Männer müssen zahlen“ habe ich zuhauf von Fotografen gehört oder gelesen. Und ich kann es nachvollziehen – ein wenig. Was mein Portfolio und das meines Modells erweitert, schieße ich auf TFP-Basis. Da ich nur Männer in meinem Portfolio habe, gilt das in den meisten Fällen nur für Männer. Allerdings scheint man es mir vorzuhalten, weil ich eine Frau bin, die nur Männer fotografiert, dabei bin ich sicherlich nicht die einzige.

Als ich damit anfing, war es für mich das Normalste auf der Welt. Ich verschwendete keinen Gedanken daran, was andere darüber denken würden. Doch nach und nach stieß ich auf Kommentare und Gesprächsverläufe, die ich nicht erwartet hätte. „Wie, Du fotografierst nur Männer? Das ist schon etwas seltsam“ und „Mach es Dir doch einfacher und fotografiere Frauen“!

Ich hatte ständig das Gefühl und Bedürfnis, mich zu rechtfertigen. Zunächst frustrierten mich diese Bemerkungen und Fragen, aber ich bemerkte schnell, dass einfach das Verständnis bzw. das Bewusstsein dafür fehlte. Denn alle hatten eins gemeinsam: Wies man sie darauf hin, dass es doch andersherum den Fall ebenso gibt und sich da niemand weiter Gedanken macht, reagierten sie plötzlich voller Verständnis.

Männerportrait
Ein Mann zieht sich das T-Shirt nach oben.Männerportrait
Mann liegt rauchend auf dem BodenMännerportrait mit Zigarette

Nachdem ich die ersten Kommentare in diese Richtung erhielt, fing ich an, meine Fotografie in Frage zu stellen. Und das war falsch. Denn von Beginn an stand ich voll und ganz dahinter. Was ich auch immer noch (oder wieder) tue. Deshalb habe ich mich auch dazu entschlossen, diesen Artikel zu schreiben. Es hat mich erschrocken, dass meine Fotografie im Zusammenhang mit meiner Person als „seltsam“ abgetan wurde.

Natürlich ist es immer gut und wichtig, zu reflektieren, aber man sollte sich nicht so schnell verunsichern und schon gar nicht beeinflussen lassen. Sollte es denn nicht eigentlich völlig egal sein, wer wen fotografiert?

26 Kommentare

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  1. Von Zeit zu Zeit werde ich tatsächlich gefragt, ob und warum ich keine Männer fotografiere. Von Männern (meist Hobbymodels, daher wohl eigennützig) und Frauen. „Interessiert mich nicht“ sollte als Antwort, falls überhaupt eine geschuldet ist, eigentlich immer ausreichen. Daß der Artikel die Frage nicht beantwortet, find ich gut.

  2. Jeder der sich näher mit der Fotografie beschäftigt erarbeitet sich seinen eigenen fotografischen Ausdruck.
    Dieser Ausdruck ist nicht nur die Technik sondern auch das was einen an Motiven besonders interessiert. Diese Begeisterung für das Thema sollte dann in den Bildern umgesetzt werden. Deine Bilder zeigen doch deutlich dass Du schon Deinen Weg gefunden hast. Weiter so !
    „Mach es Dir doch einfacher und fotografiere Frauen“ ist nicht DEIN Weg.
    …und wer wen (oder was) fotografiert muss also jeder für sich selber herausfinden.

  3. Hi Joy,

    ich glaube, dass dein junger, vielversprechender und passionierter Weg der Portraitfotografie dich durch die Selbstbeschränkung in eine Sackgasse führen könnte. Mein Rat: Fotografiere alle Typen von Menschen, egal ob Mann, Frau, Kind, jung, alt usw. Es wird deinen Horizont erweitern – künstlerisch und menschlich.

    Das einige männliche Fotografen immer ihr „Beuteschema“ in ein enges Schema von halbnackten Posen bei schönem Licht fotografieren, sollte nicht Ausgangspunkt deiner Entwicklung sein, denn Kunst liebt Freiheit. Diesen langen und steinigen Weg solltest du ohne Beschränkung weitergehen.

    Weiterhin viel Erfolg wünscht Harald

    • Lieber Harald,
      vielen Dank für dein Kommentar und deine Gedanken!
      Ich stimme dir zu, man sollte auch mal über den Tellerand schauen um sich weiter zu entwickeln, man muss ja nicht alle Fotos teilen. Und natürlich fotografiere ich auch ab und an etwas anders, zeige diese Fotos dann aber nicht. Was mir eben am meisten Spaß bereitet und mich am meisten interessiert sind Männerportraits. Deshalb bin ich dort hängen geblieben und denke dort meinen Weg gefunden zu haben, nach einigen anderen Fotografieversuchen vorher :)

  4. Gute Männerportraits fallen häufig schwerer (Nummer 1, 4 und 5 finde ich übrigens hervorragend). Ich glaube der Grat eines passenden Fotos, weder zu viel „Macho“ noch zu sehr „Weichei“, ist extrem schmal. Das scheint bei Frauen einfacher, weil die Spanne des erlaubten grotesk weit ist. Lüstern blickend, leicht bekleidet, inmitten eines Bergpanoramas? Klar, warum nicht. Dabei ist es zumindest mal legitim, ausschließlich Männer zu fotografieren..

  5. Hey Joy!

    Die Kritik an deiner Fotografie verstehe ich nicht. Was ich sehe, sind schöne Portraits von schönen Menschen. Jeder fotografiert doch das am besten, was er sich gerne ansieht und wenn Du mehr auf Männer achtest, werden es bessere Bilder, weil Du Dir vorher schon Motive vorstellen kannst. Ich könnte das besser bei Frauen. Aber deshalb keine Männer zu fotografieren, finde ich falsch.

    Lass Dich nicht beirren und tu das, was Dir gefällt.

    Viel Spaß dabei und viel Erfolg,
    Dimi

  6. Warum sieht man in der Portraitfotografie hauptsächlich attraktive und schöne Menschen? Mir fehlen die „normalen“ Leute. Warum keine Menschen mit Handicaps oder sichtbaren Makeln?

    Vielen Dank für die Antwort

    • Hallo Gunnar,
      diese Frage kann ich dir natürlich nicht allgemein beantworten, ich denke diese kann man fast jedem Fotografen stellen.
      Ich für meinen Teil suche mir die Menschen die ich fotografiere nach meinem ersten Eindruck und Bauchgefühl aus, soweit es geht. Ich schließe nicht aus, dass dies in der Zukunft noch kommt, aber explizit nach solchen Menschen suche ich nicht.
      Es gibt großartige Fotografen die genau dies als Thema haben und tolle Fotografien entstehen lassen.

    • Ich denke, das hat was damit zu tun, was man als Fotograf für ein Umfeld hat. Wer keine Berührungspunkte hat mit, nehmen wir mal die Menschen mit Behinderungen aus deinem Beispiel, setzt seinen Fokus halt anders.
      Zusätzlich fühlen die meisten Menschen sich zu schönen Menschen eher hingezogen. Deshalb sind die oft auch erfolgreicher.
      Aber es gibt ja auch eine Menge Fotografen, dich sich anderen Themen als schönen Menschen widmen. Sabine Lewandowski zum Beispiel, die Ihre Schwester mit Down-Syndrom fotografiert hat
      http://m.spiegel.de/panorama/gesellschaft/down-syndrom-ein-essay-und-fotos-zu-trisomie-21-a-1042469.html

  7. Hallo Joy,
    tu einfach was du tun must. „Die anderen“ sind nicht wichtig. Konzentrier Dich auf das, was Dich leitet und ausmacht! Tu das was Du tust voller Leidenschaft – immer!

    Ich finde es nicht als etwas Besonderes, dass Du einen Fokus hast.

    Deine „Kritiker“ können natürlich nur von Ihrer Perspektive und Ihrem Horizont aus bewerten. Sehr aufschlussreich – findest Du nicht?

    Mach Dein Ding
    LG Doro

  8. Liebe Joy,
    du bist noch sehr jung und für dich sind die gezeigten Männer eben „Männer“. Für mich sind es eher junge Männer. Ich fotografiere gerne Menschen mit einem sichtbaren Leben im Gesicht, das sind natürlich dann eher ältere Menschen. Natürlich bin ich auch Ästhet und sehe und fotografiere gerne perfekte Gesichter. Ich habe auch schon Menschen auf der Straße angesprochen, die dann oft kurz entschlossen zu mir gekommen sind. Von einer Ausnahme, der mir schroff erwiderte „ich weiß, wie ich aussehe“… (die Ergebnisse sind unter meinem Namen)

    Hier wurde von Fotos von Behinderten geschrieben. Ist das für manche die einzige Alternative zu jungen unausgeprägten Gesichtern? Denke doch mal darüber nach, ältere Gesichter zu fotografieren, du wirst eine ganz neue Sichtweise entdecken.

    Hier wird auch geschrieben, dass du „deinen Weg gefunden“ hättest. Ich hoffe, dass dies nur der Anfang eines interessanten Weges ist, besonders, wenn du offen bleibst für neue Anregungen und Ideen. Ich wünsche dir dafür alles Gute und viel Erfolg.
    LG dierk

    • Hallo Dierk,
      danke dir! So habe ich das tatsächlich noch gar nicht betrachtet, da hast du natürlich recht.
      Wirklich interessante Portraits auf deiner Seite!
      Wie angemerkt suche ich meine Models momentan fast komplett nach meinem Bauchgefühl aus und danach ob mir gleich eine Idee zu den Fotos mit dem Menschen kommt.
      Ja, mit „meinen Weg gefunden“ meine ich in diesem Fall tatsächlich den Anfang des Weges, so lange mache ich diese Portraits nämlich noch gar nicht, fühle mich aber auf dem richtigen Weg, offen für Anregungen und neue Ideen bin ich auf jeden Fall immer :)
      Vielen Dank!

      • Liebe Joy,
        wenn du dich mit diesem Namen vorstellst, erntest du doch sicher schon ein Lächeln :-)

        Ich kann nur empfehlen, einmal ältere Gesichter zu fotografieren. Da gibt es Landschaften des Lebens zu entdecken und zu erkunden! Meine älteste Nachbarin und „Modell“ ist 96 Jahre alt.

        Wenn du deine Portraitkünste einmal in einem Heim für alte Menschen anbietest (in dem ich leider auch wohne), wirst du viele sehr interessante Gesichter finden, die du mit Einverständnis der Leitung und ggf. der Angehörigen auch fotografieren kannst. Wenn du mit Licht und Hintergrund kommst und dort einfach mal Portraits für alle anbietest, sollte das funktionieren, zumal mit digital man den Menschen gleich die Bilder zeigen kann. Meistens werden sie dann sehr kooperativ.
        LG dierk

        dazu habe ich zwei Beispiele heraus gesucht
        hier war sie noch jung, erst 90 (sie sagt immer, der Lack ist langsam ab :-) )
        https://www.flickr.com/photos/dierktopp/6277203303/in/album-72157627967118544/
        und noch eine andere, auch mit 90 Jahren
        https://www.flickr.com/photos/dierktopp/8709455797/in/album-72157627967118544/

    • Lieber Dierk,
      das ist wirklich ein schöne Idee, danke für die anregung! Dort enstehen sicher auch Interessante Gespräche. Mal schauen was das Jahr 2019 bringt.
      Wirklich schöne Fotos von den zwei Frauen! Sie sehen sehr zufrieden und glücklich aus.

  9. Ganz ehrlich, ich wundere mich immer, wieder über was sich manch einer Gedanken macht, oder sogar meint andere zu kritisieren. Ist es nicht so egal wie das berühmte Fahrrad, dass in China umfällt, ob jemand nur Männer, Frauen, Tiere, Bäume oder sonst was fotografiert? Ich finde Deine Portraits durchweg richtig gut. Tolle Bildstimmung, grandiose Nutzung der Schärfentiefe und durchweg schön und spannend anzusehen. Das einzige was mir an Kritik dazu einfällt, ist die Tatsache, dass mir selbst diese Klasse beim Fotografieren von Männern nicht gelingt.
    Also, lass Dich nicht entmutigen, sondern gehe Deinen Weg, solange er Dir Freude bereitet weiter. LG Yens