Rezension: Before Publication
„Before Publication – MONTAGE in Art, Architecture, and Book Design“ , herausgegeben von Nanni Baltzer und Martino Stierli und erschienen bei Park Books, ist eine englischsprachige Lektüre, die sich mit den Entstehungsprozessen unterschiedlicher Arbeiten namhafter Künstler*innen auseinandersetzt, die in verschiedenen Disziplinen die Montage im weitesten Sinne in ihrer Arbeitsweise nutzen oder bei denen die fragmentarische Form noch im Endresultat sichtbar bleibt.
Die Fotografie ist nicht Hauptbestandteil der Betrachtungen in diesem Buch – berühmtester Vertreter der Fotografie ist hier sicherlich für die meisten Ed Ruscha mit „every building on the sunset strip“ – jedoch empfinde ich auch die Auseinandersetzung mit anderen Bereichen immer wieder als Bereicherung und wollte Euch dieses Buch daher nicht vorenthalten. Durch Abbildung von Arbeitsprozessen im Bild, durch das Zeigen von Skizzen und unfertigen Arbeiten ermöglicht das Buch der Leserschaft, eigene Arbeitsweisen zu befragen.
In diesem Buch wird Montage als Kunst des Zusammenfügens behandelt, jedoch ist hier zu beachten, dass es sich nicht um ein Buch zum Thema Collage oder Digital Composing handelt. Die Differenzierung der einzelnen Begrifflichkeiten ist innerhalb des Buches wichtig.
In Essays von mehreren Autor*innen wird anhand exemplarischer Arbeiten erläutert, wie sich Montagetechniken überhaupt erkennen lassen und was bezogen auf einzelne Arbeiten damit gemeint sein kann. Hierbei wird weitsichtig auf einzelne Künstler*innen im Besonderen eingegangen und es werden nicht bloß einzelne Werke rekonstruiert, sondern ganze Schaffensprozesse beleuchtet und Zusammenhänge hergestellt.
Durch viele Fußnoten und Querverweise sowie großen Textanteil, der sehr genau auf ausgewählte Werke eingeht, hat man als Leser*in die Möglichkeit, auf wissenschaftlichem Niveau in die Materie einzusteigen.
Besprochen werden unter anderem Lebenswerke von Sergei M. Eisenstein, beginnend mit Zeichnungen als Grundlage für kreatives Schaffen, konstruktivistische Architektur in Entstehungsprozessen und Publikationswesen, dadaistische Strömungen und ihr Umgang mit der Montage im geschichtlichen Kontext und Ad Reinhardts Entwicklungen der Nachrichtenbilder durch Karikaturen in Zeitschriften.
Neben den Einblicken in künstlerische Schaffensprozesse wird auch auf die jeweilige Zeit und Geschichte eingegangen, die natürlich nicht unbemerkt an den Künstler*innen vorbeigegangen ist und sich – neben technischer Machbarkeit von Vorhaben – thematisiert auch in Arbeiten wiederfindet.
Die große Ära Bauhaus wird ebenfalls besprochen und gibt Einblick in die Entstehungsgeschichte des Buches Das-Bauhaus Weimar Dessau 1919–1933 und die Zusammenkunft der Arbeit mit Computern im Designkontext. Aus heutiger Sicht mag dies absurd erscheinen, doch darf man nicht aus dem Hinterkopf verlieren, dass wir heute weniger oder anders limitiert sind, was (technische) Möglichkeiten anbelangt.
Ed Ruschas Arbeit every building on the sunset strip ist die bekannteste fotografische Position im Buch, die Herangehensweise und die Beweggründe zu seiner Arbeit werden beleuchtet und durch spannende Hintergrundbilder ergänzt.
Insgesamt ist es eine Lektüre, die nicht für „eben mal nebenbei“ geeignet ist. Eine intensive Auseinandersetzung ist sinnig. Doch gerade, wenn man den Titel „Before Publication“ bedenkt, wird deutlich, dass der Inhalt des Buches im Groben zusammenfasst, was vor der Veröffentlichung einer Arbeit passiert oder passieren kann und Aufschluss über (mögliche) Arbeitsweisen gibt, die einem vielleicht selbst wegweisend sein können.
Mit seinem 143 Seiten in handlichem Format, sehr ansprechend gestaltetem und wertigem Design ist dieses 2016 erschiene Buch mit einem Preis von 38 € als Taschenbuch eine nicht ganz günstige – aber gemessen an der Masse des Inhalts – lohnenswerte Investition für diejenigen, die nicht vor englischsprachigen, wissenschaftlichen Texten zurückschrecken und sich gern intensiv in Arbeitsweisen verlieren.