Der Weg der Fotografie
Meine erste Kamera hielt ich dank meines Vaters in den Händen. Er, als ehemaliger Kameramann für Spielfilme, hatte stets Geschichten mit Erlebnissen von seinen damaligen Dreharbeiten zu erzählen und zudem etliches Equipment im Keller liegen.
Schon früh festigte sich bei mir der Wunsch, später selbst einmal im Filmbereich tätig zu sein und so wurde es zu meinem größten Hobby, Videos zu filmen und zu schneiden. In meiner Ausbildung zum Mediengestalter war ich dann erst einmal in einem Betrieb tätig, der sich vorwiegend mit Fotografie beschäftigte, was mich zunächst jedoch ein wenig enttäuschte.
Meinen Einstieg in die Fotografie fand ich neben der Ausbildung durch einen Freund und passionierten Fotografen: Leon Beu. Leon mag verlassene Orte. Die Schönheit des Verfalls. Die Geschichten, die verfaulende Tapeten einem erzählen. Er nahm mich mit auf seine Erkundungen. Bauernhäuser, Kongressgebäude, Brauereien und sogar einen Autofriedhof durfte ich mit Leon ablichten.
Dieser Einfluss, und jener, der vom Bewegtbild kommt, prägten nach und nach meinen Bildstil. Denn auch wie bei meinen Videos wollte ich mit meinen Bildern Geschichten erzählen. Was mich beim Foto dabei so fasziniert, ist, dass es keine Rolle spielen muss, zu welchem Zeitpunkt der Geschichte das Bild entsteht.
Ein Bild hält einen Zeitpunkt für immer fest. Unendlich viel kann davor passiert sein, unendlich viel könnte danach noch passieren, doch dieser eine Moment ist es, der die Geschichte erzählen wird. Und alle Betrachter*innen werden ihre eigenen Geschichten sehen. Diese Freiheit fehlt beim Film – was ein Vorteil oder Nachteil sein kann.
Zur analogen Fotografie kam ich durch einen Flohmarktfund. Ich stolperte über eine Polaroid SLR 680, deren Zustand ordentlich erschien. Die Kamera selbst war günstiger als die entsprechenden Filmkassetten und als es dazu kam, zum ersten Mal abzudrücken, wurde mir klar, dass mich jedes Foto Geld kosten würde. Dass es tatsächliches Filmmaterial verbraucht.
Der Schuss musste also sitzen und so setzte ich den Sucher oft ans Auge, ohne abzudrücken. Ich begann, die Umgebung in das ungewohnte, quadratische Format zu quetschen, um mögliche Motive für meine Polaroid zu finden.
Inzwischen bin ich in einer TV-Produktion in München tätig und filme und schneide meinem ursprünglichem Wunsch entsprechend Videos. Es gab also einen Rollentausch und ich betreibe nun das Fotografieren als mein Hobby weiter.
Dabei lasse ich meine digitale Spiegelreflexkamera immer öfter liegen: Das Fotografieren auf Film dient als Zuflucht vor dem digitalem Leben und ich begann, mit zwei alten Freunden meines Vaters zu knipsen: einer Canon A1 und einer Mamiya C3. Zu meinem analogen Repertoire zählten nun also neben Sofort- auch Kleinbild- und Mittelformatfilm.
Die Möglichkeit, das Ergebnis perfekt zu beeinflussen und vorherzusagen, fehlt. Die sofortige Überprüfung des Fotos (mal abgesehen von Polaroids) ist ebenfalls nicht gegeben. Entwickelt man nicht selbst, halten sich auch die Bearbeitungsmöglichkeiten in Grenzen.
All das sind Dinge, die ich im kreativen Prozess nun genieße, da es dem Zufall genug Spielraum lässt, mitzumischen. Außerdem ist der Charme des echten Films nicht zu ersetzen. Entsättigt man beispielsweise ein digitales Bild, erreicht man niemals die Ästhetik eines echten Schwarzweißfilms.
Erst kürzlich ist ein analoges Foto von mir in der „If You Leave Showcase“-Galerie in London gelandet. Den Juror*innen und auch vielen Betrachter*innen hat die Einteilung des Bildes in drei Sektoren am besten gefallen. Diese entstand durch Farbstreifen, die auf einen Lichteinfall zurückzuführen sind. Ich hatte darauf absolut keinen Einfluss, der Film war lange überlagert, abgelaufen, die Kamera undicht, das Ergebnis perfekt.
Hätte ich diese Landschaft digital fotografiert, hätte ich sie wohl in der späteren Auswahl nicht weiter beachtet. Auf Film zu belichten, wirkt der Massenproduktion von willkürlichen Schnappschüssen entgegen und sorgt wieder für Einzigartigkeit und Anmutung.
Nicht zuletzt dank meines kürzlichen Erfolgs bei der „If You Leave Showcase“-Galerie möchte ich in Zukunft immer mehr auf analoge Fotografie umsteigen. Doch auch der persönliche Anspruch und der unfehlbare Charme sind Gründe.
Was für wundervolle Bilder! Ich finde, sie strahlen eine eigentümliche Ruhe aus und wirken ein wenig wie aus der Zeit gefallen. Das zeigt, das die Rückkehr des Analogen mit einem großen ästhetischen Gewinn verbunden sein kann.
Was für ein wundervoller Kommentar! Ich fühl mich sehr geehrt, danke!!
Die Bilder gefallen mir sehr. Weiter so.
hello!
die neuentdeckung des zufalls durch analoge photographie erscheint mir eher nicht als solche.
ich kann über bildbearbeitung jede art von „zufall“ ins bild setzen.
wenn da in analog und digital jeweils könner am werk sind,
läßt sich aus den ergebnissen kein rückschluß auf das substrat ableiten.
aber dennoch:
analog photographieren hat in rasant digitalisierten zeiten etwas metaphysisches, so eine art
religion.
kann durchaus sein, daß es entschleunigend wirkt, wenn statt der 16GB-speicherkarte eine filmrolle mit 12 aufnahmen in der kamera ist (allein schon unter blick auf die kostenfrage).
servus,
werner aus der hochsteiermark
Servus Werner,
Klar, wir beide wissen, die nachbearbeitung kann alles, und könner können da noch mehr :) aber für mich ist eine Veränderung am Endergebnis, welche mir die Kamera oder das objektiv „aufzwingt“ viel mehr mit Zufall verbunden als Veränderungen die ich digital ins Bild gestalte. Ich nehme als Beispiel einfach mal einen Lichtstreifen wie er auf meinem letzten Bild im Artikel zu sehen ist. So ein Streifen entsteht, wenn ungewollt Licht auf den Film trifft und beeinflusst das Bild jedesmal anders und individuell. So einen Streifen kann ich mithilfe von Photoshop natürlich auch ins Spiel bringen, aber dann habe ich ja absolute Freiheit wohin ich ihn setze, wie groß und intensiv er ist usw.
Danke jedenfalls für deinen Kommentar, den Rest unterschreib ich dir so!
Grüße
Nils
Mich langweilt die pauschale Romantisierung der Analogfotografie.
Willst Du allen Digitalfotografen unterstellen, dass sie „in Massenproduktion willkürliche Schnappschüsse“ herstellen?
Du erläuterst Deine Präferenz für die analoge Fotografie mit dem (damit einhergehenden?) „persönlichen Anspruch und unfehlbaren Charme“ und der Behauptung, dass der „Charme des echten Films nicht zu ersetzen“ sei?
Du glaubst, dass mit der digitalen Fotografie „das Ergebnis perfekt zu beeinflussen und vorherzusagen“ sei?
Deine Argumentation stützt sich auf den Wettbewerbserfolg eines Deiner Fotos, auf das Du „absolut keinen Einfluss“ hattest?
Leute, können wir nicht endlich mal über eine tausendste Runde des alten Analog/Digital-Battles hinauskommen und über Bilder sprechen? Anspruch und Charme, Erfolg und Willkürlichkeit oder nicht resultieren aus so vielen Fakoren – einer Idee / einem Konzept, der Umsetzung, dem Bildstil, der Bildsprache und immer auch ein bisschen Glück, dass alles zusammenpasst. Das gilt für alle Fotos – analog oder digital.
Wenn hier mal wieder die analoge Fotografie nur mit solchen Argumenten antritt, scheint sie sich immer noch in einer Verteidigungshaltung oder einem Rechtfertigungszwang zu befinden, den sie gar nicht nötig hat. Mir ist es scheißegal, ob die Bilder auf Film oder in Pixeln gemacht wurden, so lange sie mich ansprechen.
Ich will Ihren Kommentar gar nicht in Gänze beantworten, dafür fehlt mir momentan die Zeit. Nur, da sie auf das letzte Bild der obigen Serie besondert eingehen und dabei kritisieren, dass Nils schreibt, dass er auf die Unterteilung und das Ergebnis keinerlei Einfluss hatte.
De facto sind moderne Kameras darauf ausgelegt, ein möglichst neutrales, unbeeinflusstes Bild zu liefern. im Optimalfall, der im Vergleich zur Analogfotografie, sehr oft eintritt, ist von Weißabgleich über Belichtung, Blende, fehldende störende Bildbeeinflussungen etc. alles nahezu perfekt, was sich in diesem Fall durch Neutralität definiert. Dies ist auch der Fall, wenn der Fotograf weitestgehend manuell arbeitet, meist wird frühestens in der Bearbeitung entgegen gewirkt.
Bei der Analogfotografie spielt die Kamera eine weit größere Rolle. Während sie in der Digitalen Welt höchstens durch Nicht-Auffallen auffällt, ist eine analoge Kamera, sofern sie bereits eine entsprechende „Reife“ erreicht hat, sprich Lichteinschlüsse und Filmfehler produziert, eine tatsächlich relativ unberechenbare neue Größe, der im Endergebnis eine nicht unerhebliche Rolle zukommt. Selbst wenn der Fotograf noch so neutral und perfekt arbeiten wollte – am Ende kommt die Kamera und wirft einen feinen Lichtstrahl über den emfindlichen Film. Es scheint hier fast, als habe die Kamera eine eigene Persönlichkeit, die am Endergebnis mitwirkt und gelegentlich sogar den eigentlichen Fotografen überstimmt.
So ist die Kamera in der Gestaltung digitaler Fotos durch ihre Unauffälligkeit beinahe wegzurechnen, nur ein Werkzeug, ein Mittel zum Zweck, während die analoge Kamera einen eigenen Charakter ins Spiel bringt und ein beinahe ebenso großes Gestaltungspotential wie der Künstler selber innehat.
Somit ist die Formulierung, dass der Fotograf „absolut keinen Einfluss“ auf das Ergebnis hatte, zwar leicht fehlleitend, da er ebenfalls einen Teil zum Gesamtwerk beisteuert, aber höchstens so fehlleitend, wie Ihr Versuch, digitale und analoge Technik in der Bildgestaltung absolut gleichzusetzen.
Zudem sprechen sie in ihrem Kommentar von einem Battle – einem Krieg – , den ich im Alltag noch nie erlebt habe. Ich kenne sehr viele Fotografen, die beide Arten parallel betreiben; und die ewige Konkurrenz erlebe ich höchstens zwischen Kameraherstellermarken, nicht zwischen den beiden Fotografie-Arten. Das einzige Mal, dass sich Analog und Digital in einem Art Krieg gegenüberstehen, ist in Ihrem Kommentar.
Hallo Bernd,
Ich möchte eigentlich keinem Fotografen auch nur irgendwas unterstellen. Mein Artikel soll auch überhaupt nicht als battle zwischen analog und Digital angesehen werden. Deinen letzten Satz unterstreiche ich nämlich genauso :)
Servus!
Ich bin jetzt erst auf diese Beiträge gestoßen, möchte aber trotzdem noch etwas dazu sagen.
Wenn man eine Aufnahme nur als ein zweidimensionales Ergebnis eines Vorgangs sieht, dann ist es vielleicht unerheblich, ob es analog oder digital aufgenommen wurde. Und natürlich kann man alles, was man schon mal gesehen hat, mehr oder weniger gut digital nachgestalten – ob es nun auf der Originalaufnahme angelegt war oder nicht. Aber ist es nicht ein bisschen wie in der Musik? Eine wunderbare Komposition ist doch immer noch davon abhängig, wie sie dargeboten wird – dar Raum, die Umgebung, die Instrumentierung, die Instrumente selbst und gegebenenfalls die Aufnahmetechnik spielen eine gewaltige Rolle. Sicher kann ich das alles in einer digitalen Nachbearbeitung mehr oder weniger gut gestalten. Aber kann ich aus einer modernen chinesischen Billiggeige eine Stradivari machen? Das ist der eine Aspekt. Ein weiterer: bei der analogen Fotografie sehe ich das Ergebnis mit allen ungewollten Einflüssen erst, wenn es entwickelt wurde, also mit großem zeitlichen Abstand vom Schaffensprozess. Bei der digitalen Aufnahme sehe ich es gleich und kann es verändern, wenn ich will. Ich glaube, das meint Nils mit „das Ergebnis perfekt zu beeinflussen und vorherzusagen“. Und so mancher analoge Nebeneffekt, Fehler, entwickelt seinen Charme erst in Zusammenhang mit dem Motiv und dem Thema. Und was man noch nie gesehen hat wird einem schwerfallen, in einer digitalen Nachbearbeitung darzustellen.
Ich habe mit Werner Herzog einmal ein langes Gespräch über dieses Thema gehabt. Er wollte eine Großbildkamera auf eine Sprungschanze hochschleppen und die Skispringer im Moment, wo sie den Backen verlassen, fotografieren. Er war überzeugt, dass auch der routinierteste Skispringer in diesem Moment so etwas wie Todesangst verpüren muss, die er allerdings verdrängt. Und das wollte er festhalten. Inspiriert von der Würde und der Kraft im Ausdruck von alten Großformat – Fotos, mit Pulverblitz auf bedämpfte Glasplatten aufgenommen war er überzeugt, dass diese verdrängte Angst auf einem Großformatfoto zu erkennen sein würde. Meiner Ansicht nach ist nicht allein das Format und das Aufnahmematerial entscheidend für die Kraft und Ästhetik dieser alten Aufnahmen, sondern das Bewußtsein an dem Prozess des Fotografierens. Solche Aufnahmen machte man nicht oft im Leben, da wurde Kleidung, Frisur und Pose lange vorher überlegt und abgestimmt, und man wußte: der Fotograf hat 4 Platten dabei – das war´s. Und dieses Bewußtsein, diese Konzentation auf den Moment spürt, sieht man in den Aufnahmen. Und das beeinflusst auch den Fotografen und sein Hergangehen an eine Aufnahme, und das wird digital und analog immer krass unterscheiden.
Ich will nicht Analog und Digital gegeneinaner stellen – ich fotografiere auf beide Arten ohne klare Tendez in die eine oder andere Richtung.
Es gibt nicht „das beste Bier“ – sondern immer unterschiedliche, die für diesen Moment genau richtig sind.