Schnappschuss
Vor Kurzem entstand unter einem Artikel hier im Magazin eine kleine Diskussion um das Wort „Schnappschuss“. Dabei wurde von Kommentator Matthias ein Zitat von William Eggleston genannt und zwar dieses:
The blindness is apparent when someone lets slip the word ‘snapshot’. Ignorance can always be covered by ‘snapshot’. The word has never had any meaning.
Daraufhin antwortete „Der böse Frosch“ Folgendes:
Heißt das jetzt also, immer wenn jemand meine Bilder als Schnappschüsse bezeichnet liegt das daran, daß der Betrachter doof und ignorant ist und auf keinem Fall daran daß meine Bilder langweilig sind? Cool!
Die Diskussion ging natürlich noch weiter, doch an dieser Stelle möchte ich einhaken und ein paar Gedanken zur Terminologie formulieren.
Der Begriff Schnappschuss wird heute in unterschiedlichsten Kontexten verwendet und kann sowohl Positives als auch Negatives hervorheben – abhängig davon, mit welchen Worten er umkleidet wird. Um dies zu verdeutlichen, betrachten wir nun zwei unterschiedliche Szenarien, in denen das Wort benutzt wird.
Szenario 1
Fotografin Lea zeigt ihrer Freundin die Aufnahme ihrer Tochter beim Sprung ins kalte Wasser. Wir sehen eine leicht angeschrägte Perspektive, das Foto ist ein bisschen zu hell, aber der Moment ist gut getroffen. „Schöner Schnappschuss!“, platzt es aus der Freundin heraus.
In dieser Situation wird unser Begriff verwendet, um ein Foto aufzuwerten und das Positive herauszustellen. „Schnappschuss“ gilt hier als ein unmissverständliches Lob.
Szenario 2
Der Aktfotograf Edgar präsentiert seinem besten Freund ein Foto, das er im Studio gemacht hat. Wir sehen eine leicht verwackelte Aufnahme, bei der die Bewegungsunschärfe das Bild undeutlich macht und die Details der Nacktheit des Modells verschleiert.
„Naja. Das ist doch nur ein Schnappschuss“, meint der Freund zu Edgar.
In dieser Situation wird unser Begriff verwendet, um ein Foto abzuwerten und das Negative herauszustellen. „Schnappschuss“ gilt hier als eine unmissverständliche Kritik.
Schlussfolgerungen
Wir sehen: Ein und dasselbe Wort kann in unterschiedlichen Kontexten in seiner Bedeutung wandelbar sein. Es weckt unterschiedliche Assoziationen und Rückschlüsse über die Absicht der Person, die es benutzt. Es scheint also, als ob das Wort selbst völlig bedeutungslos sei, denn es sagt im Grunde nicht viel über das aus, was gesehen wird.
Kommen wir zurück auf das Zitat des Herrn Eggleston. Er selbst war ein Fotograf, der in vielerlei Hinsicht mit dem Wort Schnappschuss in Verbindung gebracht wird, weil er unkonventionelle Perspektiven und Alltägliches, scheinbar nicht Fotografierwürdiges fotografierte – beides sind übrigens Assoziationen, die mit dem Wort in Verbindung gebracht werden.
Das heißt: Eggleston war in dieser Weise vorgeprägt und er selbst prägte mit seiner Schnappschuss-Ästethik in nicht geringem Umfang die Fotografie selbst. Ich vermute, dass Eggleston des Öfteren Szenario 2 ausgesetzt war und somit auch zu seiner Aussage kam: Schnappschuss, das bedeutet überhaupt nichts.
Und nun macht es auch Sinn, den Kommentar vom bösen Frosch zu kommentieren: Nein, jemand, der das Wort benutzt, ist nicht sofort „doof und ignorant“ und Deine Fotos sind auch nicht langweilig, denn es kommt einfach auf den Kontext und die Formulierung (siehe: Szenarios) an.
Wenn jemand das Wort als Abwertung Deiner Arbeit benutzt, dann macht es wahrscheinlich Sinn, einmal nachzufragen, wie die Person „Schnappschuss“ genauer definiert oder was ihr an Deinen Fotos missfällt. So können Missverständnisse ausgeräumt werden und ein echter Dialog über die Fotos stattfinden.
Schnappschussfotografie
Ziehen wir an dieser Stelle doch einmal Wikipedia zu Rate und gehen einen Schritt weiter, denn neben Schnappschuss finden wir dort die Erklärung der Schnappschussfotografie:
Der Begriff der Schnappschussfotografie bezieht sich in der Fotografie auf eine weite Palette von Arbeiten, die sich mit der Darstellung von Motiven ohne gesondertes vorheriges Arrangement sowie offensichtlicher Spontaneität auseinandersetzen. Das Gegenteil der Schnappschussfotografie ist die fotografische Inszenierung.
Die Wikipedia wirkt an dieser Stelle etwas distanzierter, indem sie dem Wort ein eigenes Genre zuweist und eine vorhergehende Intention anknüpft: Die Darstellung von Motiven ohne gesondertes Arrangement und offensichtliche Spontaneität.
Ich würde diese Beschreibung so umformulieren: Schnappschussfotografie ist absichtlich unabsichtliches Fotografieren. Ein_e Schnappschussfotograf_in nimmt sich vor, sich nichts vorzunehmen – außer: In einem passenden Moment abzudrücken.
Daher ist das Gegenteil der Schnappschussfotografie die fotografische Inszenierung. Hier wird das Foto geplant und jedes Detail im Bild unter die Absicht des Fotografen gestellt. Ein inszenierender Fotograf nimmt sich auch vor, erst im passenden Moment zu fotografieren, jedoch liegt zwischen dem Vornehmen und dem Auslösen das ganz konkrete Ausgestalten des Inhaltes. Das ist der Unterschied.
Während sich ein Schnappschussfotograf – was den Inhalt der Aufnahme betrifft – vollkommen dem Zufall aussetzt, dreht der inszenierende Fotograf das Spiel um und baut sich förmlich sein ganzes Bild selbst. Ein inszenierender Fotograf kontrolliert alles.
Ästhetische Prägung
Jedoch sollten wir vorsichtig sein, an dieser Stelle das Wort „Kontrolle“ allzu wörtlich zu nehmen. Denn auch Schnappschussfotografen überlassen ihr Bild niemals völlig dem Zufall. Ich würde soweit gehen, zu behaupten, dass das unmöglich ist. Warum?
Jeder Mensch ist kulturell dahingehend geprägt, was er oder sie als schön, ansprechend und in diesem Sinne fotografierenswert empfindet. Auch Schnappschussfotografen. Sei dies nun Situationskomik, diverse Farbvorlieben oder gar eine bestimmte Bildästhetik.
Das hat zur Folge, dass bestimmte Objekte anderen vorgezogen werden, was auch wieder eine Art der Kontrolle ist. Schnappschussfotografie ist somit – auch, wenn es ihr häufig unterstellt wird – keine beliebige Fotografie. Sie ist keine wert- und normfreie Fotografie, sondern ganz entschieden von den Vorstellungen des Ausführenden bestimmt.
Abschluss
Der Begriff „Schnappschuss“ hat also vielerlei Ebenen. Um ihn zu bewerten, ist es meiner Meinung nach wichtig, den situativen Kontext zu betrachten und im Falle einer abwertenden Bemerkung konkret nachzufragen, was gemeint ist. Um ihn zu gebrauchen, ist es hilfreich, sich der Missverständlichkeit bewusst zu sein und nach Möglichkeit genauer zu definieren, was an einem Foto ge- oder missfällt.
Wenn man die Wikipedia-Definition “ ohne gesondertes vorheriges Arrangement “ nicht nur auf das Motiv bezieht sondern auch auf die fotografische Technik (eben ohne Bedacht und daher i.d.R. nicht perfekt), dann passt doch alles zusammen, oder?
Das wollten die beiden Herren in den Beispielen von Dir doch auch mit dem Wort „Schnappschuss“ ausdrücken.
Der Unterschied in den beiden Beispiel ist ja eher, dass Fotograf Nr. 2 eigentlich der Meinung war, er wäre mit Bedacht auch in der fotografischen Technik vorgegangen. Von daher ist Schnappschuss abwertend.
Kann man meiner Meinung nach noch ausdehnen. Kunst kommt von künstlich. Habe ich eine Foto also so nicht gewollt, sondern es war Zufall, ist es keine Kunst. So wie der Affe, dem man eine Kamera in die Hand drückt.
Stimme Oliver hier zu.
Ein Schnappschuss ist eben ohne etwas sehen und sofort Kamera zücken und abdrücken, ohne auf 2/3 Regel oder andere Bildgestaltung zu achten, nicht die Einstellungen überlegen, sondern meist mit Automatik das Bild einfangen. Zuschnappen…hat auch was mit Schnelligkeit zu tun.
Muss nichts schlechtes sein, manche solche Schnappschüsse sind eben durch das schnelle Abdrücken erst möglich (actionszene im Schwimmbad, lustige situation des Kleinkindes..) und auch dementsprechend positiv besetzt.
Aber jemand der auch nur eine halbe Minute sein Bild im sucher plant und Einstellungen tätigt bevor er abdrückt, bei dem wird ein unscharfes/fehlbelichtetes Bild schnell als Schnappschuss abgewertet. Die Kritik ist meiner Ansicht nach dann auch „berechtigt“ (sollte natürlich noch weiter ausgeführt werden).
„never feed the troll“ – aber trotzdem ein schöner Artikel!
Ein interessantes Zitat von Jacob Aue Sobol, Magnum Photograph :
„When I photograph, I try to use my instincts as much as possible. It is when pictures are unconsidered and irrational that they come to life; that they evolve from showing to being.“
Hallo Martin,
danke für diesen schönen Artikel. Natürlich ist der Begriff Schnappschuss sehr unterschiedlich
und situationsabhängig konnotiert und natürlich ist mir durchaus bewusst, daß nicht jeder der das Wort Schnappschuss in Verbindung mit (meinen) Fotos verwendet „doof und ignorant“ ist. Mir persönlich, als Vater dreier Kinder, sind gerade Schnappschüsse sogar sehr wichtig, da sie persönlich sehr wertvolle Momente festhalten die sonst so nie hätten dokumentiert werden können.
Daraus würde sich meiner Meinung nach sogar noch ein drittes Szenario ergeben:
Der Schnappschuss dessen Wert sich, aufgrund eines sehr persönlichen Inhalts, nur einem sehr begrenzten Personenkreis erschließt und nur durch diesen beurteilt werden kann.
Aber um wieder zur erwähnten Diskussion zurückzukommen: Das Posting, das besagtes Eggleston –Zitat enthielt, bezog sich auf eine Zeile in der dortigen Fotobuch-Rezension und lautete komplett:
„Mathias schreibt:
“Manche Betrachter mag das zu dem Urteil verleiten, dass die Bilder eigentlich nur Schnappschüsse sind.”
Dazu formuliert Eggleston sehr treffend: “The blindness is apparent when someone lets slip the word ‘snapshot’. Ignorance can always be covered by ‘snapshot’. The word has never had any meaning.” ”
Hmm… ich kann mich täuschen, aber ich hatte den Eindruck, daß dieses Zita von Eggelston quasi als Argumentationshilfe genutzt werden sollte, etwaige Kritik als Ignoranz/Unwissenheit beiseite zu schieben. Deshalb mein ironisch überspitzter Kommentar .
Leider kommt es mir nämlich immer öfter so vor, als ob es Fotografen, und nicht nur denen, an einem gewissen Maß von Selbstreflektion fehlt. Es besteht anscheinend oft genug kein Wille “einmal nachzufragen, wie die Person „Schnappschuss“ genauer definiert oder was ihr an Deinen Fotos missfällt“. Da wird der Einfachheit halber mal schnell ein Zitat wie das erwähnte gezückt und gut ist. Mein Gegenüber hat halt keine Ahnung.
Aber manchmal ist es nun mal so, daß die mit Schnappschuss bezeichneten Fotos wirklich einfach nur schei…. sind (glaub mir, meine Bilder sind da nicht außen vor). Und das wollen anscheinend immer weniger Fotografen/Musiker/ Dichter ….. im Netz akzeptieren. Da werden nur positive Feedbacks wahrgenommen (die oft genug nur gemacht werden um selbst positive Feedbacks zurück zu bekommen) und negative einfach ausgeblendet. Dabei sind es gerade diese negativen Feedbacks an denen man wachsen kann, die einen zwingen sein Werk zu überdenken, auszurichten und weiter zu entwickeln. Das ist dann allerdings ziemlich unbequem und bedeutet Arbeit und da hört es bei vielen anscheinend schon wieder auf mit der Kunst.
So, soviel zur Erklärung meines damaligen Kommentars. Ich hoffe inständig nicht allzu sehr am Kern des Artikels vorbeigeschliddert zu sein.
„Da wird der Einfachheit halber mal schnell ein Zitat wie das erwähnte gezückt und gut ist.“
Ein Bild mal eben als „Schnappschuss“ zu bezeichnen, ist dagegen also in Ordnung. Interessant.
Aber ich gebe Dir Recht, dass natürlich auch auf Seiten des Photographen eine intensive Beschäftigung mit dem Medium stattfinden muss. Sonst wird der im Artikel genannte Dialog schwierig.
Man sollte halt nachfragen was mit Schnappschuss gemeint ist und warum.
Es ist ganz simpel damit abgetan, auf Humes Gesetz der Sein-Sollen-Dichotomie zu verweisen, wonach alles, was eine Beschreibung sein soll, niemals eine Wertung hervorzubringen vermag. Ich komme von der Deskription egal welchen Umstandes nicht auf eine Präskription, diese muss ich erst hinzufügen, egal worum es geht. Jedoch ist das keineswegs ein Konnotationsproblem, denn die Konnotationen sind gar nicht in der Lage, die Wertung zu berühren, da sie auf der anderen Seite dieser Dichotomie abspielen. Dass sich auf der anderen Seite die Bedeutungslosigkeit finden muss, ist völlig klar, da sich ästhetische wie auch ethische Werturteile eben nicht aus Sachverhalten ableiten lassen, ohne dass ich sie bereits als Maßstab dafür anlege, womit ich dann nur das belege, was ich bereits vorausgesetzt habe.
Tatsächlich aber ist die Definierbarkeit eines „Schnappschusses“ äußerst fraglich. Wenn ich sämtliche Bildfaktoren danach bewerte, ob ich sie bewusst ausgewählt habe oder nicht, dann kommt mir in den Sinn, dass für die meisten Aspekte überhaupt das Bewusstsein fehlt: inwiefern beeinflussen Sonnenstand, Ernährung, aktuelle Lebenssituation, Traumata, Erwartungsdruck, soziale Faktoren mein Photographieverhalten im jeweiligen Moment usw. – weshalb zur Definition eines Schnappschusses in Abgrenzungsfragen kaum mehr übrig bleibt als das vage Gefühl, hier werde etwas weniger geplant als in anderen Fällen, was natürlich kaum hinreichend ist, um irgendwelche Tatsachen zu beschreiben, schon gar nicht aus Sicht des Rezipienten.
Da ich als „Auslöser“ dieser Beitrags erwähnt werde, möchte ich mich auch noch einmal möglichst kurz zum Thema äußern.
Der Artikel zeigt doch sehr schön, dass die Versuche dem Begriff „Schnappschuss“ durch Definitionen irgendeine Bedeutung zu verleihen nicht funktioniert. Ihn daher abschließend als Missverständnis zu bezeichnen, trifft es sehr gut.
Der Kontext der Verwendung ist letztlich – auch in den hier genannten Szenarien – die fehlende Auseinandersetzung mit dem Bild. Ein entsprechend gebildeter Gesprächspartner kann natürlich helfen.
Wie sagte László Moholy-Nagy so schön: „Nicht der Schrift-, sondern der Fotografie-Unkundige wird der Analphabet der Zukunft sein.“
Kurzes nachhaken: nach welchen Kriterien wird entschieden wer kundig/unkundig ist? Und vor allem wer entscheidet?
Aber wie soll William „Bill“ Henry Gates III 1981 so schön gesagt haben:“Nie wird man mehr als 640 KByte RAM benötigen …“
Wie in den meisten anderen Bereichen gibt es z. B. Studiengänge und Ausbildungsberufe in denen man sich das nötige Wissen aneignen kann. Ein Selbststudium ist natürlich auch möglich.
Ich kann mich täuschen, aber ich habe den Eindruck, daß diese Fragen als Argumentationshilfe genutzt werden sollen, die Kritik an der Verwendung des inhaltsleeren Begriffs „Schappschuss“ und der damit verbundenen unzureichenden Auseinandersetzung mit Photographien beiseite zu schieben.
ob ein Foto ein ‚Schnappschuss‘ ist oder nicht, weiß letztentlich doch nur der Fotograf selber – der Betrachter der nicht anwesend war, als das Foto entstand, kann lediglich nur Vermutungen zur Entstehung anstellen. Daher wirkt der Begriff ‚Schnappschuss‘ oft wie eine Unterstellung und ich denke das ist letzentendlich auch die Crux der ganzen Geschichte….
//Matz
@Mathias
Nein geht es eben nicht. Es geht mir darum zu wissen was den Fotokundigen vom Fotounkundigen auszeichnet (oder auf ihre Antwort bezogen was denn in den Studiengängen gelernt werden muss) und wer die Parameter für diese Unterscheidung festlegt. Diese Frage könne Sie anscheinend nicht beantworten.
Eher scheint es mir daß hier wieder ein Zitat genutzt wird um zu erklären, nur ein „entsprechend gebildeter Gesprächspartner“ wäre für eine Auseinandersetzung in der Lage. Wie diese Bildung den genau aussehen soll lassen sie dabei aber wohlweißlich im Unklaren. Das scheinen dann nur Sie entscheiden zu können/wollen. Wo wir wieder bei „Dir gefällt´s nicht, dann hast Du keine Ahnung“ wären.
Da hilft es auch nicht anerkannte Größen der Fotografie in Form von Zitaten als Rückendeckung zu nutzen. Wie sehr selbst Koryphäen auf ihrem Gebiet daneben liegen können, habe ich glaube ich mit dem Gates Zitat vor Augen geführt.
Vielleicht sollte man eher im Allgemeinen von dem Standpunkt ausgehen “ Man muss kein Sternekoch sein um festzustellen dass es Schei….schmeckt“ und entsprechend mal zuhören was der Kritiker zu sagen hat. Egal ob er Fotografie studiert hat oder nicht und ob es ein Schnappschuss ist oder nicht.
In Geschmacksfragen kann per se Niemand daneben liegen, das ist in allen Bereichen der Fall, welche keine Teleologie besitzen, die zwingend wäre. „Unkundige“ gibt es nicht in Komplexen, in denen es keine einheitliche Definition des Kundigen aufgrund mangelnder Rezeptionseindeutigkeit geben kann. Wenn das Auto mit dem Motor fährt, dann ist die Operation gelungen. Aber das Bild hat immer eine Wirkung, völlig egal, ob ich die gutheiße, oder nicht, oder ob ich das Schlechtheißenkönnen tatsächlich als Makel empfinde, oder als Horizonterweiterungspotential in mir selbst. In einem begrenzten Rahmen kann es rezeptive Bildbeschreibungen geben, aber diese sind noch lange kein Verweis auf Autorenintentionen, welche einem auch völlig egal sein können, da es keinen notwendigen Grund gibt, sich dafür zu interessieren, damit das Bild sein Wirkmoment besitzt..
Oh je. Über die Lerninhalte von Studiengängen wie Kunstgeschichte oder der Ausbildung zum Fotografen gibt es reichlich Informationen. Und noch einmal: Einen „Schnappschuss“ gibt es nicht.
Offenbar hast du keine Kunstgeschichte studiert und verstehst auch nicht, was genau innerhalb dieses Studiums getan wird, das ist das Eine. Das Andere wäre, dass die Ausbildung eines Photographen, je nachdem, ob sie im Rahmen eines Studiums oder einer Berufsausbildung zustande kommt, auf ganz unterschiedliche Weise mit dem Erfüllen einer Erwartungshaltung einhergeht, welche bereits einen Maßstab darstellt, weshalb du dich in einem Zirkelschluss befindest. Die Frage, wer einen Maßstab erstellt und weshalb dieser a) sinnvoll und b) zwingend sein sollte, kann nicht mit dem Verweis auf den Umstand beantwortet werden, dass es Maßstäbe gibt.
Ooch, ich hab schon ein paar schöne von meinen Kindern zu hause.
Und wieso muss ich einen Fotolehrgang besucht haben um mir eine Meinung zu einem Foto bilden zu können? Oder ist das nur einem erlauchten Kreis von Eingeweihten gestattet
Wieso habe ich offenbar keine Kunstgeschichte studiert und verstehe auch nicht, was genau innerhalb dieses Studiums getan wird, was das Eine ist?
@ec: Oder anders gefragt: Nach welchem Maßstab hältst Du Dich für kundig zu behaupten, ich hätte keine Kunstgeschichte studiert?
Der für mich passende Begriff für diese Art der Fotografie ist WildLifeStillLeben. Der Name ist möglicherweise verbesserungswürdig :)
Aber er sagt für mich aus, was man macht. Man sucht im echten wilden Leben ein Stillleben das man ablichtet. Ich persönlich manipuliere das Stillleben auch nicht sondern suche nur meine Position und/oder warte aufs richtige Licht.
Sind also alles Schnappschüsse, meist nur eben ganz langsame :)
Aber im Ernst, Schnappschuss ist für mich klar der schnelle Schuss aus der Hüfte. Man bekommt grad noch die Kamera vor’s Auge und muss schon abdrücken und dann ist der Moment vorbei.
Alles andere ist was immer, aber kein Schnappschuss.
Für mich ist der Begriff „Schnappschuss“ nicht negativ besetzt. Eng verwandt damit ist ja das „Knipsen“. Beides meint schnelles, spontanes Fotografieren mit einfacher Technik. Ein gelungener Schnappschuss fängt den entscheidenden Moment ein und muss nicht unbedingt technische oder gestalterische Mängel aufweisen. Cartier-Bresson war der größte Schnappschuss-Knipser des letzten Jahrhunderts. Überhaupt beruht die ganze Straßenfotografie auf der Technik des „Knipsens“. Nirgendwo sonst muss man sich sein Motiv so schnell „schnappen“, vielleicht noch in der Kinderfotografie.
Immerhin war die Ästhetik von Amateurschnappschüssen, für einige Fotografen so attraktiv, dass sie die Technik für Kunst oder Modeaufnahmen übernommen haben (z.B. Jürgen Teller, und noch einige andere die mir gerade nicht einfallen). Das sind dann allerdings keine echten Schnappschüsse mehr, sehen nur noch so aus, sondern geplante Aufnahmen mit Konzept.
Eine Studioaufnahme, gleich wie misslungen, kann also gar kein Schnappschuß sein, es fehlt einfach das Schnelle, Spontane, Unwiederholbare. Wer so was als Schnappschuss bezeichnet, hat so wenig Ahnung von Fotografie, dass ich auf seine Meinung pfeiffen würde.
Dass ein Wort, ein Begriff in seinem „kontextuellen“ Zusammenhang gesehen werden muss und dabei wechselnde Bedeutungen erhalten kann ist – mit Verlaub – keine sensationelle Mitteilung, sonder eine allgemeine Eigenschaft von Sprache.
Im Falle des Wortes „Schnappschuss“ ist die Bandbreite sogar relativ schmal, weil es den Bereich der Fotographie selten verlässt: Zufallstreffer, Glückstreffer.
Der Unterschied liegt dabei meines Erachtens in der meist heimlichen Adressierung: Ist in erster Linie das Bild oder ist der Erzeuger gemeint ? Zufallstreffer beinhaltet eher den Vorwurf an de Hersteller, dass er das nicht mit Könnerschaft + Fleiß erarbeitet hat. Und Glückstreffer haftet eher dem Bild an über das man sich freut.
Unter dem Vorbehalt der Adressierung würde ich auch das Egglestone-Zitat mal sehen wollen: Mr. E. spricht hier über die Akzeptanz seiner eigenen Schnappschüsse, ob der böse Frosch z.B. das auf sich und seine Bilder übertragen darf, das weiß ich nicht. Ich darf es nicht und tue es nicht.
Hinter aller laienhaften Kunstbeurteilung steht, wie ich fürchte und insbesondere hier beobachte, immer wieder die Angst, von einem Dilletanten der sich für einen Künstler ausgeben möchte, hinters Licht geführt zu werden. Diese Gefahr ist aber untrennbarer Bestandteil von Kunst und man muss das gar nicht bedauern. Den künstlerischen Wert eines Produktes in einer Diskussion zu überprüfen, ist eine mühsame Angelegenheit und wir wissen nun inzwischen, dass die „Tagesdiskussionen“, die hier stattfinden nicht ausreichen, um sich an die Inhalte heranzuarbeiten…finde ich.
Die Reduzierung auf Zufalls- oder Glückstreffer greift eindeutig zu kurz. Nach wie vor muss man für einen gelungenen Schnappschuss selbst etwas tun: Die Situation richtig erkennen, richtig darauf reagieren und die nötige Technik beherrschen (auch auf der Straße fotografieren nicht alle mit Autofokus und Programmautomatik).
Eggleston ist meiner Meinung nach kein Schnappschussfotograf (jedenfalls nicht immer). Auch wenn er eine Amateurknipserästhetik pflegt, sind doch viele seiner Bilder geplante Werke. Eine verschimmelte Duschkabine oder einen verdreckten Backofen knipst man nicht spontan und in Eile. Dazu hat man alle Zeit der Welt. Und das Ergebnis ist – im Gegensatz zum „Glückstreffer“ – genau so gewollt.