20. Juli 2011 Lesezeit: ~14 Minuten

Crashkurs Analog Teil 3: Negative abfotografieren

Im dritten Teil unseres Crashkurses möchten wir Euch eine Alternative zum Scannen Eurer Negative vorstellen. Diese ist besonders interessant für all jene, die auch eine DSRL besitzen, denn damit kann man Negative einfach abfotografieren.

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Foto: Friedemann

Motivation

Bevor wir darauf eingehen, wie man diese Idee praktisch am besten umsetzt, widmen wir uns kurz dem Warum: Warum sollte man seine Negative abfotografieren, anstatt sie einzuscannen? Warum abfotografieren, statt Papierabzüge zu machen?

Hat man seine Apparatur zum Abfotografieren erst einmal in Gang gebracht, ist das Abfotografieren schneller als Scannen. Für einen Schwarzweiß-Kleinbildfilm mit 36 Bildern braucht man routiniert dann vielleicht noch eine halbe Stunde, um ihn abzufotografieren und nachzubearbeiten.

Ein Scanner hat in der Zeit gerade einmal den halben Film eingescannt – wenn überhaupt.

Dazu kommt, dass man beim Abfotografieren im Raw-Format in der Nachbearbeitung mehr Möglichkeiten hat als bei JPEGs bzw. einen geringeren Speicherplatzbedarf als bei TIFFs, die normalerweise Ergebnis des Scanvorgangs sind. Und wenn man schon eine Digitalkamera besitzt, ist das Abfotografieren zudem günstiger als die Anschaffung eines Scanners.

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Foto: Aileen | Streichholzschachtel-Lochkamera

Die eigenen Fotos auch selbst in der Dunkelkammer abzuziehen, lässt das Herz des Analogknipsers natürlich höher schlagen. Während man gegenüber Scannern Vorteile in Form von Zeit- und Geldersparnis messen kann, ist die Abgrenzung gegenüber dem Papierabzug eher eine Typfrage:

Wer nicht weiß, wo er die ganzen Papierabzüge lagern sollte und wen etwas Zeit zum Nachbearbeiten der abfotografierten Negative am Rechner nicht abschreckt, der ist dabei gut aufgehoben. Ebenso kann man die schnelle Digitalisierung ergänzend nutzen, um festzustellen, welche Negative es sich lohnt abzuziehen und welche nicht.

Das Prinzip

Um Negative abzufotografieren, braucht man eine Digitalkamera. Am besten eine DSLR, die die Aufnahme im Raw-Format ermöglicht und manuelle Einstellmöglichkeiten bietet, auf die wir später eingehen. Je größer die Auflösung, desto besser.

Außerdem benötigt man eine Halterung für den Film bzw. einzelne Negativstreifen, der als Rahmen gestaltet ist, sodass die Fläche für je ein Bild ausgespart ist und der fest planparallel zur Kamera positioniert werden kann. Je nach Aufbau bietet sich eine Schiene an, auf der der Abstand vom Negativ zur Kamera eingestellt wird.

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Foto: Friedemann

Dahinter benötigen wir eine Lichtquelle, die möglichst groß bzw. flach ist, damit das Negativ gleichmäßig ausgeleuchtet wird, und nicht in der Mitte wesentlich heller als am Rand. Die meisten Lampen sind kugelförmig, also kann man mit Milchglas oder opakem Acrylglas zwischen Negativ und Lichtquelle für eine zusätzliche Streuung sorgen. Auch sollte die Lichtquelle nicht zu dicht am Film liegen, um Verformungen durch Wärme zu vermeiden.

Will man nicht nur Schwarzweiß-, sondern auch Farbnegative digitalisieren, benötigt man als Lichtquelle einen Blitz, da die Kamerasensoren die größte Farbdynamik bei Tageslicht (5300 °K) haben. Die warme Schreibtischfunzel mit 2700°K würde trotz Weißabgleich leider einen Großteil der Bildinformationen verschlucken. Ungeeignet sind auch Tageslicht-Energiesparlampen oder LED-Leuchten, da sie über kein Vollspektrum verfügen und deshalb keine lineare Farbwiedergabe erlauben.

Um die orange Maske des Farbnegativs zu kompensieren, kann man einfach ein leeres Farbnegativ abfotografieren, invertieren und auf Folie ausdrucken. So erhält man eine blau-türkise Folie, die man je nach Intensität der orangen Maske ein- oder mehrlagig vor dem Blitz positioniert. Wie viele Lagen man bei einem konkreten Film braucht, probiert man am besten aus, bis ein leeres Farbnegativ fast neutralgrau ist – das RGB-Histogramm der Kamera hilft, das zu beurteilen.

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Foto: Aileen | Schwarzweiß-Film mit Sepia-Tönung vom Abfotografieren

Die Aufnahme

Das Prinzip ist klar: Ein Negativ wird eingespannt, dahinter das Licht eingeschaltet und dann ausgelöst. Trotzdem gibt es einiges zu beachten. Nachfolgend gibt’s einige Tricks und Kniffe, um die Qualität der abfotografierten Bilder nach Möglichkeit voll auszureizen.

Abgesehen von der Lichtquelle bzw. dem Blitz, der das eingespannte Negativ erhellt, sollte man in einem dunklen Raum arbeiten. So vermeidet man Licht von anderen Lichtquellen, das zu Reflexionen oder anderen Störungen auf dem Negativ führen kann. Abfotografier-Lichtquellen wie Glühbirnen und Leuchtstoffröhren frühzeitig einschalten, damit sie die endgültige Helligkeit erreicht haben, wenn’s losgeht.

Wer Probleme hat, das Negativ mit einer punktförmigen Lichtquelle auszuleuchten, kann nicht nur mit milchigen/matten Zwischenscheiben das Licht streuen, sondern auch versuchen, mit reflektierenden hellen/weißen Oberflächen hinter und um die Lichtquelle herum das Licht stärker zu streuen. Tests mit einem leeren Negativ helfen, die Restvignette zu beurteilen, der man in der Nachbearbeitung noch mit der Vignettierungskorrektur zu Leibe rücken kann.

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Foto: Friedemann | Dia gecrosst

Das eingespannte Negativ sollte von der Halterung möglichst plan und parallel zur Kamera gehalten werden. Außerdem spannt man es spiegelverkehrt ein, dann zeigt die Gelatineschicht zur Kamera. Auf diese wird dann direkt fokussiert anstatt durch die Trägerschicht hindurch, so kitzelt man noch mehr Schärfe heraus.

Das Negativ sollte nach Möglichkeit nicht direkt auf der Diffusorscheibe aufliegen, da sich sonst Newtonringe bilden können. Wer aber zwecks perfekter Planlage nicht auf einseitiges Aufliegen verzichten will, sollte Anti-Newton-Glas verwenden, wie man es zum Beispiel in hochwertigen Glasdiarahmen findet.

Sofern vorhanden, stellt man bei seiner Kamera die Spiegelvorauslösung/Spiegelverriegelung ein und benutzt einen Fernauslöser bzw. die verzögerte Auslösung mittels Selbstauslöser. Beide sorgen dafür, dass die Kamera im Moment der Aufnahme absolut ruhig steht und nicht durch Klappen des Spiegels oder Drücken des Auslösers verwackelt.

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Foto: Aileen

Um bis in die Ränder scharf durchgezeichnete Negative zu erhalten, wird bei offener Blende aufs Korn fokussiert und dann auf die förderliche Blende abgeblendet. Sie stellt den Kompromiss aus maximaler Schärfentiefe (Negative sind meist leicht gewölbt) und minimaler Beugungsunschärfe dar. Auch hier kann man verschiedene Blenden am gleichen Negativ testen und die Bilder in hoher Auflösung betrachten, um die beste Blende festzustellen. Meist liegt man mit zwei ganzen Blendenstufen Abblendung genau richtig.

Die ISO stellt man so niedrig wie möglich ein. Die richtige Belichtungszeit wird experimentell ermittelt. Hilfreich ist hier wieder das Histogramm der Kamera, das einen möglichst weiten Bereich abdecken sollte, ohne links und rechts Spitzen zu entwickeln. So stellt man sicher, dass alles zwischen hellster und dunkelster Stelle des Negativs aufgelöst und differenziert wird.

All diese Einstellungen macht man im besten Fall nur einmal mit einem normal belichteten und entwickelten Film. Dann hat man seine ermittelten Werte, die man z.B. in einigen Kameras als Benutzereinstellung auf eine Position des Modus-Wahlrads ablegen kann und immer zur Verfügung hat. Im Falle eines fehlbelichteten Films oder anderer Schwankungen wird von dort ausgehend etwas anpasst.

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Foto: Friedemann | Dia gecrosst

Die Nachbearbeitung

Wieviel Nachbearbeitung nötig ist und in welchen Programmen man dafür arbeiten möchte, hängt vor allem vom persönlichen Geschmack ab. Ganz ohne geht’s natürlich nicht, denn man muss mindestens horizontal spiegeln – wir haben das Negativ ja von der „falschen“ Seite her abfotografiert – und natürlich invertieren.

Letzteres kann man entweder im Grafikprogramm seiner Wahl machen oder auch nur temporär die Anzeige invertieren: Apple: Ctrl+Alt+Cmd+8, Windows: ab Version 7 mit der Bildschirmlupe (100%; invertiert; Vollbildmodus) oder je nach Grafikkartenhersteller in den Grafikeinstellungen, wo sich z.B. bei vielen nVidia-Karten Tonkurven finden, bei denen man dann einfach das linke Ende der Linie ganz nach oben und das rechte Ende ganz nach unten zieht.

Außerdem stellt man den Bildausschnitt frei (oft ist etwas Rand mit drauf) und rückt das Bild gerade, das meist nicht ganz exakt gerade in der Halterung lag. Man kompensiert ggf. eine Restvignette (die durch das Invertieren dann übrigens hell ist) und dreht Hochkantbilder richtig herum.

Schwarzweiß-Negative werden vor der Weiterbehandlung komplett entsättigt, um Farbstiche zu entfernen. Farb-Negative werden z.B. in Photoshop nach der Invertierung mittels Auto-Tonwert-Korrektur und Auto-Farbe auf weiteres Feintuning gut vorbereitet.


Das abfotografierte Negativ

Invertiert, gespiegelt und freigestellt

Auto-Korrekturen im RGB-Modus zeigen schwer zu korrigierende Falschfarben

Schnelle Farbkorrektur im Lab-Modus

Für die Bearbeitung von so reproduzierten Farbnegativen sehr hilfreich ist der Lab-Farbraum-Modus. Auch wenn die Bearbeitung hier zunächst sehr ungewohnt ist, so kommt man doch wesentlich schneller und einfacher zu farbrichtigen Ergebnissen.

Grund dafür ist die Ähnlichkeit zum Aufbau des Farbnegativs: Die orange-braune Maske entsteht während der Entwicklung und ist kein durchgefärbter Träger. Über Stellen, die im Negativ grün oder blau erscheinen, ist die orange-braune Färbung wesentlich geringer, was das Bearbeiten im klassischen RGB-Modus unnötig schwierig macht.

Die manuelle Tonwertkorrektur und die Gradationskurven, bei Farbnegativen jeweils auch ggf. die der einzelnen Farbkanäle, sind dann die Werkzeuge, um den richtige Farbton und Kontraste herzustellen. Stempel- und Ausbessern-Werkzeug sind Eure Freunde im Kampf gegen Fussel und Kratzer auf den Negativen.

Auch hier gilt wieder, dass man den Workflow zur Nachbearbeitung seiner Negative gut einmal mit einem normal entwickelten Film testen und dann z.B. in Photoshop-Aktionen mit den ermittelten Werten speichern kann. Nach ein paar Bildern bzw. Filmen hat man so brauchbare, universell anwendbare Mittelwerte als Grundlage für ggf. individuelle Nachbearbeitung ermittelt.


Selbst völlig überbelichtete Negative, sehr kontrastreiche oder total fehlfarbene Dias (Cross) kann man außerdem noch retten, indem man ggf. mehrmals abfotografiert. Wenn Lichter und Schatten oder eine Farbe in je einer Aufnahme gut durchgezeichnet sind, lassen sich die Teilbilder mit ähnlichen Techniken wie DRI neu zusammensetzen. Die Ergebnisse sind verblüffend.

Verschiedene Umsetzungen

Wir haben extra bis hier mit der Anleitung gewartet, wie genau eine Abfotografier-Apparatur aussehen kann. Denn wichtig ist, dass das Prinzip verstanden wurde – es gibt nicht die eine Möglichkeit, es umzusetzen. Je nachdem, wie Euer fotografisches Vorleben (inklusive Keller/Dachboden) und Euer handwerkliches Geschick aussehen, kann sich für jeden eine andere Umsetzung anbieten.

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Nachfolgend stellen wir zwei genauer vor: Friedemanns Aufbau besteht aus einem Pentacon-Balgen mit M42-Anschluss, einem M42-Adapter für das eigene Kamerabajonett, einem Apo-Rodagon-Vergrößerungsobjektiv mit M42-Adapter und einem Pentacon-Diaduplikator (auch „Diakopiervorsatz“) für den Balgen.

Als Objektiv eignet sich eigentlich jedes M42-Objektiv, da der M42-Anschluss weit verbreitet ist und man so auch einfach einen Adapter findet, ähnliches gilt für den T2-Anschluss. Um das Negativ 1:1, also auf einen Vollformatsensor, abzubilden, benötigt man eine Brennweite von 50mm, bei einem Crop-Sensor eher etwas um 35mm herum.

Absolut perfekt geeignet sind Vergrößerungs-Objektive, wie man sie in Vergrößerern zum Abziehen von Fotos findet, da sie auf die perfekte Planlage der Schärfeebene im Nahbereich gerechnet sind. Diese haben (genau wie alte Schraub-Leicas) meist einen M39-Anschluss, sodass man dann zusätzlich noch einen Adapterring benötigt.

Günstig gibt es all das bei Ebay, den Adapterring für 6€, geeignete Objektive ab 1€ und den Rest mit etwas Geduld auch schon für 40€, aber auch auf Fotoflohmärkten kann man fündig werden.

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Aileens Umsetzung basiert auf einer Holzlatte mit Langloch, in dem die einzelnen Komponenten (Kamera, Negativhalter, Lichtquelle) herumgeschoben und durch Festschrauben fixiert werden können. Unter der Kamera wird eine Stativplatte befestigt, die in einem passenden Schlitz fixiert wird. Als Objektiv dient hier ein 100mm-Makro-Objektiv, weshalb dieser Aufbau auch deutlich mehr Platz einnimmt.

Für unterschiedliche Negativgrößen (Kleinbild, Mittelformat) hat sie passende, austauschbare Rahmen gesägt und innen mit weichem Stoff (z.B. Brillenputztuch) zur Schonung der Negativoberfläche ausgestattet. Mit winzigen Klappscharnieren und einem Verschluss wird der Negativstreifen zwischen den zwei Rahmenplatten in der für den Bildausschnitt passenden Aussparung gehalten.

Dahinter ist direkt mit etwas Abstand eine matte Plexiglasscheibe angebracht, die das Licht streut. Als Lichtquelle dient hier ein Feld mit vielen weißen LEDs. Zur Digitalisierung von Kleinbild-Negativen hat noch eine große milchige Glühbirne ausgereicht, für Mittelformat musste dann aber eine Lichtquelle her, die flächiges Licht abgibt.

Scharniere, Verschlüsse, Schrauben, Holz und Plexiglas gibt es günstig im Baumarkt oder auch im eigenen Bastelkeller. Hier ist natürlich der leidenschaftliche Heimwerker gefragt, um alle Abstände und Maße geduldig umzusetzen. Möglichkeiten zur Höhen- und Entfernungsänderung machen einem das Leben leicht, falls sich mal Kamera, Objektiv oder präferiertes Filmformat ändern sollten.

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Foto: Aileen

Und für alle, die nicht basteln wollen: Der Farbmischkopf eines Farbvergrößerers ist auch bestens geeignet. Dieser hat Filmhalterung, Farbkorrektur, Diffusorkammer und alles Weitere schon an Bord, man muss nur noch unten rein fotografieren. Kostet natürlich tendenziell etwas mehr als ein Balgen.

Los geht’s!

Bei Eurer der Umsetzung ermutigen wir Euch, kreativ zu sein, um den für Eure Mittel passenden Aufbau zu finden. Wichtig ist das Prinzip… man kann auch sein Negativ an eine Milchglastür in der eigenen Wohnung kleben, dahinter eine Stehlampe und davor sich selbst mit Stativ postieren. Lasst Eurer Fantasie freien Lauf.

Wir hoffen, dass wir mit dieser Sammlung von Grundlagen, Tipps und Anregungen ein paar Digital-Analog-Menschen ansprechen konnten. Wir stehen sehr gern für weitere Fragen zur Verfügung und freuen uns besonders darauf, die eine oder andere Umsetzung dieses Prinzips von Euch zu sehen. Viel Spaß dabei!

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