Tilt&Shift-Fotografie
Winzigste Figuren laufen durch Miniaturlandschaften, dahinter Gebäude ohne stürzende Linien. Bilder mit Schärfeverläufen, die dem Auge ungewohnt erscheinen. Bei der Tilt&Shift-Technologie können Linsen oder ganze Objektive zur Bildebene geneigt bzw. verschoben, und dadurch die Schärfeebene verlagert werden.
Ursprünglich entstand diese Technik bei Platten- bzw. Fachkameras, bei denen die Objektiv- sowie die Filmhalterung verschoben und geneigt werden können.
Unter anderem wird mittels dieser Objektive der beliebte Miniatureffekt erzeugt, welcher auch immer häufiger in der Werbung zu sehen ist. Dieser Effekt, den man auch softwaremäßig umsetzen kann, ist inzwischen schon als Effekt in manchen Kameras integriert. Allerdings muss ich sagen, dass die Umsetzung in Photoshop oder den Kameras nicht an ein originales TS-Objektiv heranreicht.
Shiften
Der Sinn im Shiften liegt zum einen darin, stürzende Linien zu umgehen, und so wird er auch am meisten genutzt.
Beim Shiften nach oben entsteht ein Bild, das wirkt, als sei es von einem erhöhten Standpunkt aus aufgenommen worden. Genau genommen wird aber nur der Randbereich des Objektivs, also des Bildkreises erweitert, so in etwa als fotografiert man mit kürzerer Brennweite und nutzt nur einen Teil. So muss die Kamera nicht nach oben gewendet werden und der unerwünschte Effekt stürzender Linien entfällt.
Das erklärt, warum in der Architekturfotografie TS-Objektive so beliebt sind. Auch macht sich hier eine Brennweiten- und Auflösungsreserve bemerkbar, die durch Photoshopkorrektur der stürzenden Linien eines normalen Weitwinkelbildes entstehen würde.
Zum Anderen kann man auch mehrere Bilder mit verschiedenen Shiftrichtungen erzeugen, und so ein Bild geringerer Brennweite kombinieren. So erreicht man mit vollem Shift in beide Richtungen mit dem 24er TS-E eine Brennweite von etwa 17mm. Ebenso lassen sich mittels Shiften Spiegelaufnahmen oder Aufnahmen von spiegelnden Objekten machen, in denen man selbst nicht abgebildet ist.
Tilten
Die Funktion des Tiltens ist etwas komplexer. In einfachen Worten ausgedrückt, kann man sagen, dass durch das Neigen der Objektivebene sich auch die Schärfenebene neigt, allerdings in einem größeren Winkel zur Bildebene. Zudem wird aus der Schärfenebene (mit blendenabhängiger Dicke) ein Schärfekeil.
Durch das Tilten kann man entweder Objekte im Vorder- und Hintergrund zugleich scharf abbilden, die Schärfe in eine bestimmte Ebene legen oder durch Selbiges eine geringe Schärfentiefe vortäuschen, was bei dem beliebten Miniatureffekt der Fall ist. In der Produkt- sowie Landschaftsfotografie sind TS-Objektive sehr beliebt, um Objekte komplett scharf zu stellen.
Wer wirklich tiefer in das Thema einsteigen will, sollte nach der „Scheimpflug“-regel suchen, es gibt einige tiefergehende Erläuterungen im Netz.
Vorzugsweise wird mit Stativ fotografiert. Dabei wird die Belichtung im Normalzustand gemessen und vor dem Shiften auch in diesem Zustand scharf gestellt. Grund ist, dass im getilteten sowie geshifteten Zustand die Belichtungsmessung sowie Fokusdetektion nicht mehr richtig funktionieren.
Die besten Tiltergebnisse mit Miniatureffekt habe ich erreicht, indem ich nach oben getiltet habe. Die Kamera habe ich so geneigt, dass das Objektiv in der Horizontalen liegt und der Body schräg steht. Die Blendenwahl ist situationsabhängig.
So ist es entscheidend, wie groß der Abstand zum Objekt ist, welche Brennweite man benutzt, welchen Effekt man erreichen will, was für ein Hintergrund vorhanden ist, und vieles mehr. Weiterhin sind ein erhöhter Standpunkt sowie eine offenere Blende von Vorteil.
Da man die scheinbar niedrige Schärfentiefe selbst bei Objektiven mit stark offener Blende aus diesen Entfernungen nicht erreichen kann, erscheint es, als ob die Objekte viel kleiner seien, als sie tatsächlich sind.
Eine Kamera mit LiveView ist für diese Technik sehr sinnvoll, da man das Ergebnis sofort sehen und die Schärfe legen kann, was im Sucher oft schwierig ist. Auch würde ich euch sehr die Benutzung eines Stativs empfehlen, ich komme zwar auch ab und an ohne klar, allerdings liegt da der Fokus auch öfters mal daneben.
Ein Tilt&Shift-Objektiv zeichnet sich durch einen größeren Bildkreis aus. Dieser ist notwendig damit beim Tilten und vor allem beim Shiften keine Abschattung entstehen. Für die Kleinbildfotografie existieren Tilt&Shift Objektive, mit denen man ähnliche Kontrolle und Gestaltungsmöglichkeiten wie bei Fachkameras hat. Canon bietet so zum Beispiel ein ganzes Sortiment an solchen Objektiven an. Ein 17mm, 24mm, 45mm und ein 90mm TS-E.
Bei Nikon stehen ähnliche Pendants mit dem 24mm- , 45mm- und 85mm PCE zur Verfügung. Andere Kameramarken müssen auf Dritthersteller oder Adapter zurückgreifen. Die Drittherstellerobjektive sind allerdings um einiges teurer. So zum Beispiel die Hartblei Superrotatoren, ausgestattet mit Zeiss Mittelformatobjektiven.
Die Möglichkeit eines Adapters, an dem Mittelformatobjektive betrieben werden können, bieten zum Beispiel Mirex oder Zörk an. Da ich auch eine Mamiya MF-Kamera nutze, standen mir Objektive dieser Kamera zur Nutzung als TS-Objektiv mit meiner digitalen Vollformatkamera zur Verfügung. Seit einigen Wochen nutze ich nun den Mirex-Adapter mit einem 45mm/ 2,8 und einem 80mm/1,9 und bin damit sehr zufrieden.
Zu beachten ist bei diesem Adapter, dass er, wie alle TS-Objektive auch, manuell zu fokussieren ist, zudem aber auch keine Schärfebestätigung bietet – zumindest solange er nicht mit einem Fokuschip ausgestattet ist. Ebenfalls könnten manche Nutzer die nicht vorhandene Springblende vermissen.
Für Interessierte möchte ich auf die Videos von Keith-Louit hinweisen, die mich schon damals sehr begeistert haben und mich auch zum Kauf eines solchen Objektivs bewogen haben.
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Ich hoffe, ich konnte euch einen kleinen Einblick in das Thema Tilt&Shift bieten und bei euch Interesse erwecken.