Sugar Coat
Der Zuckerhandel war lange mit viel Leid und Blut verknüpft. Barbados, Jamaika und die Leeward-Inseln waren ein paar der ersten Orte, an denen weiße Europäer*innen von der institutionalisierten Versklavung von Menschen aus Afrika profitierten. Die Künstlerin Christina Leslie arbeitet diese Verbrechen in ihrem Projekt „Sugar Coat“ auf.
Dafür nutzt sie genau das, was so viel Leid verursachte: den Zucker selbst. Mit einer besonderen Technik erstellt sie mit Zuckerkristallen Bilder. Ich wollte mehr über das Projekt wissen und habe ihr einige Fragen gestellt.
Du lebst in Kanada. Wie bist Du auf das Thema aufmerksam geworden?
Ich war mir der Zuckerhandelsindustrie und des transatlantischen Sklavenhandels in der gesamten Karibik immer bewusst, weil ich jamaikanische und englische Vorfahren habe. Allerdings hatte ich bis vor kurzem, als ich meine Masterarbeit fertigstellte, keine Gelegenheit, eigene Forschung zu diesem Thema zu betreiben.
Wie wird in der Karibik mit den Verbrechen umgegangen? Wird Sklaverei in Schulen behandelt?
Ich bin in Kanada aufgewachsen und kann daher die Frage nur anhand meiner Erfahrungen als Studentin in Kanada beantworten. Meine Geschichtsbücher behandelten die Zuckerindustrie und die Versklavung in die Karibik kaum, nicht einmal als Fußnote. Der Sklavenhandel wurde nur kurz im Kontext des Baumwollsektors im Süden der Vereinigten Staaten erwähnt. Vor kurzem haben mehrere Institutionen in Nordamerika die Vermittlung der „Critical Race Theory“* vollständig eingestellt. Es sieht also so aus, als hätte sich seit meiner Studienzeit nicht viel geändert. Ich musste mir all diese Informationen selbst suchen.
Wie diese Zeitperiode in der Karibik gelehrt wird, kann ich leider nicht sagen. Ich habe aber das Gefühl, dass mir diese Informationen auf meinen häufigen Reisen nach Jamaika leichter zugänglich waren. Auf der ganzen Insel kann man die Orte der Zuckerplantagen und Gutsgebäude besichtigen. Morant Bay, die Heimatstadt meines Vaters, war der Schauplatz der geschichtsträchtigen „Großen Rebellion“. Es gibt viele Denkmäler in der Stadt, die einen Einblick in diese Zeit geben, wie zum Beispiel die Paul-Bogle-Statue vor dem Gerichtsgebäude.
Welche Bilder hast Du für Dein Projekt verwendet? Ich habe gesehen, dass es sich sowohl um zeitgenössische Fotos als auch um Archivmaterial handelt.
Ich habe eine Kombination meiner eigenen Fotografien verwendet, die ich mit Requisiten, Kostümen und Modellen gemacht habe. Während des Sommers und der wärmeren Monate hatte ich im Großraum Toronto Orte ausgewählt, die Jamaika ersetzen könnten. Aufgrund der Pandemie war das Reisen leider noch verboten. Ich habe auch historische Nachrichtenartikel, Bulletins und Anzeigen aus dem 17. bis 18. Jahrhundert rekonstruiert und genutzt, um neue Fotografien zu erstellen, die diese Geschichte kommentieren.
Du hast für die Entwicklung der Bilder Zucker genutzt. Ich habe von der Technik noch nie gehört. Wie bist Du darauf gekommen?
Ja, das Verfahren ist einzigartig, weil ich diese Technik selbst entwickelt habe. Ich habe ungefähr zwei Jahre kontinuierlich mit Zuckerkristallen experimentiert, um diese Methodik zu beherrschen. Deshalb werde ich nicht verraten, wie ich darauf gekommen bin. Sie liegt mir so sehr am Herzen wegen all der harten Arbeit und Mühe, die ich hineingesteckt habe.
Wie wird Deine Serie bisher aufgenommen?
Ich habe das Gefühl, dass sie gut ankommt. Während immer mehr Menschen auf die Werkgruppe stoßen, stelle ich fest, dass viele nicht nur ihre formalen, konzeptuellen und ästhetischen Qualitäten schätzen, sondern auch ihre historische und kulturelle Bedeutung. Das zeigt auch, dass Kunst und Erzählungen der karibischen Diaspora in den wichtigen Kunsträumen und -plattformen mehr gehört und repräsentiert werden müssen.
Im Laufe der letzten Monate war ich allen sehr dankbar, die Interesse an dieser Serie gezeigt haben. Und ich möchte Dir für die Gelegenheit danken, sie mit Deiner Leserschaft zu teilen.
* „Critical Race Theory“: Lehre, die sich mit Rassismus und dessen Verankerung in – insbesondere rechtlichen – Strukturen befasst und diese kritisiert.
Das Interview wurde von Katja Kemnitz auf Englisch geführt und von ihr für Euch aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.