26. Juli 2022 Lesezeit: ~5 Minuten

Wer war Thomas Wedgwood?

Sicher wisst Ihr, dass die Fotografie am 19. August 1839 Geburtstag hat. Wie kann es dann sein, dass ein Mann, der bereits 1805 starb, als Fotograf gilt? Dieser Frage gehen wir heute nach und berichten vom Leben des britischen Pioniers Thomas Wedgwood.

Wedgwood wurde 1771 in Stoke-on-Trent als Sohn eines Töpfers und Unternehmers geboren. Sein Studium der Chemie in Edinburgh musste er krankheitsbedingt bereits nach zwei Jahren abbrechen, doch machte er weiterhin, soweit es sein Gesundheitszustand zuließ, chemische und physikalische Experimente. Die Ergebnisse veröffentlichte er 1792 unter dem Titel „Versuche und Beobachtungen über die Entstehung von Licht bei verschiedenen Stoffen durch Wärme und Reibung“.

1799 gelang es Wedgwood, Kontaktkopien von Blättern anzufertigen. Dafür beschichte er Glasplatten mit Silberchlorid und legte die Blätter darauf. Dem Licht ausgesetzt, zeichneten sich nach und nach die Umrisse und Adern des Blatts auf der Glasplatte ab und gaben ein seitenverkehrtes Bild frei. Jedoch belichteten die vom Blatt erst verdeckten Silberchloride nach, sobald sie ans Licht kamen und die Abbildung des Blattes verschwand wieder im völligen Schwarz.

Das entstandene Bild zu fixieren, war damals eine größere Herausforderung, als die Fotografie selbst zu erstellen. Heute wissen wir, dass schon vor Wedgwood viele Menschen mit der Idee experimentierten. Um die chemischen Prozesse von Silbersalzen wusste schon Johann Heinrich Schulze (1687–1744). Doch auch er konnte ein Bild nur für kurze Zeit festhalten. Was das Licht freigab, zerstörte es auch wieder.

Portrait

Kreidezeichnung von Thomas Wedgwood, Künstler*in unbekannt

Wedgwoods Interesse an diesem Prozess war aber nicht nur rein wissenschaftlicher Natur. Durch seinen Vater, der durch geschicktes Marketing die Industrialisierung des Töpferhandwerkes vorantrieb, hatte er von klein auf Kontakt zu Malern und Bildhauern. Die Kunst faszinierte ihn nachhaltig und als er 1795 das Vermögen des Vaters erbte, förderte er auch mehrere Künstler mit seinem Geld.

Wie sehr hätte er gestaunt, was aus seinen Experimenten nur wenige Jahre später entstanden ist. Er starb jedoch bereits im Alter von nur 34 Jahren an einer chronischen Lungenerkrankung. Auch wenn er nie die Fotografie in dem Sinne, wie wir sie heute verstehen, kennenlernen konnte, gilt Wedgwood als erste Person, die zuverlässig dokumentierte, dass sie mit Hilfe lichtempfindlicher Chemikalien Silhouettenbilder auf dauerhaften Medien wie Papier aufnehmen konnte. Und er dokumentierte die ersten Versuche, mit Hilfe der Camera Obscura auch zu fotografieren.

Es ist nachgewiesen, dass seine Experimente und Veröffentlichungen unter wichtigen Wissenschaftlern und Fotopionieren bekannt waren. So veröffentlichte David Brewster, später ein enger Freund von Henry Fox Talbot, einen Bericht über die Veröffentlichung von Wedgwood. Dieser wurde ins Französische und Deutsche übersetzt.

Am Ende sind an großen Erfindungen meistens viele Menschen beteiligt, so auch bei der Fotografie. Während wir heute um die Leistungen von Daguerre und Talbot wissen, geriet Wedgwood in Vergessenheit. Wobei, nicht ganz: 2008 kam sein Name zusammen mit einem Foto in die Schlagzeilen. Das Foto zeigte die Silhouette und innere Struktur eines Blattes und war in einer Ecke mit dem Buchstaben „W“ markiert. Das Foto sollte bei einer Auktion von Sotheby’s verkauft werden und wurde zunächst Talbot zugeschrieben.

© vermutlich Sarah Anne Bright

Der Talbot-Experte Larry J. Schaaf sah das jedoch anders und brachte Wedgwood als möglicher wahrer Urheber ins Spiel. Eine große Debatte unter Historiker*innen entbrannte und der geplante Verkauf des Bildes wurde zurückgezogen, um es zunächst vollständig analysieren zu können. Heute ist sich Schaaf sehr sicher, dass die Urheberin des Fotos die Künstlerin Sarah Anne Bright (1793–1866) ist und nicht Wedgwood.

Wer gut aufgepasst hat, wird sich an der Stelle fragen, wieso der Experte die Möglichkeit überhaupt in Betracht zog. Schließlich gelang Wedgwood nie die Fixierung seiner Fotografien. Das stimmt, aber er bewahrte sie durchaus auf. Die belichteten Bilder konnten – in lichtdunklen Behältern gelagert – noch jahrelang angesehen werden. Die Silbersalze benötigen mehrere Stunden direkten Sonnenlichts, um vollständig nachzuschwärzen. Sah man sich die Bilder nur kurz bei schwachem Kerzenlicht an und legte sie anschließend zurück, veränderten sie sich also kaum.

Rein theoretisch könnte es also tatsächlich sein, dass Aufnahmen von vor der Erfindung der Fixierung von Fotografien und damit der Geburtsstunde der Fotografie heute noch erhalten sind. Vielleicht wurden sie einfach wenige Jahre danach noch nachfixiert. Oder irgendwo überdauert nach wie vor eine alte Aufnahme in einem alten Buch in einem verstaubten Regal. Heute könnte man sie mit Leichtigkeit fixieren. Und die Vorstellung ist doch irgendwie sehr schön. Man möchte fast auf Schatzsuche gehen.

Quellen und weiterführende Literatur

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