„Das NFT hat die Spekulation zur Popkultur erhoben.“
Sind digitale Bildchen von den gelangweilten Affen des „Bored Ape Yacht Clubs“ oder die mit wenigen Pixeln erstellten „Crypto-Punks“ die Zukunft des Kunstmarkts? Derzeit wird als NFT, als „non-fungible Token“, alles zu Geld gemacht, was möglich ist. Der Quellcode für das World Wide Web, der erste Tweet aus dem Jahr 2006, die erste SMS, die erste Wikipedia-Seite, Bilder von Fußballstars – oder Beeples bei Christie’s versteigertes Puzzle aus 5.000 digitalen Bildern, das Mike Winkelmann zum Multimillionär machte.
Alles kann als NFT zum Original werden. Aber hat das etwas mit Kunst zu tun? Ich sprach mit dem Frankfurter Galeristen Andreas Greulich über den NFT-Hype, über Goldgräberstimmung und wie viel dran ist, an der Sache mit den NFTs. Der Frankfurter Galerist Andreas Greulich im Gespräch über den NFT-Hype und was dahinter steckt.
Lieber Herr Greulich, als einer der ersten Galeristen in Deutschland haben Sie sich bereits im letzten Sommer entschieden, eine NFT-Krypto-Ausstellung in Ihrer Galerie in Frankfurt zu machen. Inzwischen ist NFT in aller Munde. Was hat sich in den vergangenen Monaten verändert?
Bei mir in der Galerie verändert sich einiges: Wir bereiten gerade unsere dritte NFT-Ausstellung binnen eines Jahres vor. Für einen großen Finanzdienstleiser kuratieren wir ein NFT-Projekt. Unsere virtuelle Galerie Greulich 2.0 ist im Bau und ich schreibe gerade ein kleines Buch zum Thema NFT, das bis zum Herbst erscheinen wird.
Der Hype um „die NFTs“ ist eigentlich nur die Spitze des Eisbergs. Vielmehr zeigt sich an den NFTs, wie sich die Kunstwelt auf die Zukunft vorbereitet. Ich sage nicht, dass sich alles ändert. Es entwickeln sich aber neue Konzepte in der Kunst und Kunstvermittlung, die wesentlich Ausdruck unserer Zeit sind. Geändert hat sich darüber hinaus, dass die Popkultur sehr viel stärker in den Fokus des herkömmlichen Kunstmarktes und der Spekulation gerückt ist.
„What hot sh!it“ nannten sie diese erste Ausstellung, der inzwischen weitere gefolgt sind. Ist Krypto-Art auch heute noch der heiße Scheiß?
Ja. Es gibt hier so viel zu entdecken, das ist großartig. Aber die schiere Masse an Kunst, Phänomenen und Projekten ist natürlich auch erschlagend. Für mich als Galerist und Kurator ist das sehr beruhigend: Heute braucht es gute Galerist*innen und Vermittelnde mehr denn je.
Die klassische Kunstwelt reagiert zum Teil mit Abscheu auf die Blockchain-Technologie. Warum?
Die Verwirrung, die zuweilen herrscht, verstehe ich. Momentan wird noch vieles durcheinandergeworfen. Die Begrifflichkeiten und Phänomene sind noch nicht geklärt und definiert. Ganz davon abgesehen werden durch die irren Preise auf dem Auktionsmarkt die Spekulationserwartungen geweckt. Da werden im Kunstkontext die Preise von digitalen Panini-Bildchen diskutiert. Ohne darauf zu achten, über was man überhaupt spricht.
Wie interessant sind NFTs für Menschen, die Anlagemöglichkeiten suchen?
Ich bin Galerist und kein Anlageberater. Wen das interessiert, der kann sich die dazugehörigen Podcasts und Internetseiten durchlesen. Dort findet man Berichte von exorbitanten Wertvervielfachungen innerhalb von wenigen Wochen.
Wie wird sich durch NFTs der Kunstmarkt verändern?
Durch die NFT-Technologie hat sich die digitale Kunst als kunstmarktfähig erwiesen. Ganz davon abgesehen wird das NFT für das Marketing und die Community-Bildung des Kunstmarkts wichtig werden. Das haben viele noch gar nicht auf dem Schirm.
Sie haben immer wieder auf den Vorteil hingewiesen, dass es mit Hilfe der Blockchain-Technologie möglich ist, Originale und ihre Besitzer*innen auszuweisen. Das digitale, nicht austauschbare Siegel auf Blockchain-Basis garantiert Echtheit – diese Echtheit konnten Sie aber bei klassischen Medien der Kunst doch genauso garantieren?
Richtig und zwar durch die Signatur direkt auf dem Kunstwerk. Die Signatur auf dem Bild ist das Echtheitszertifikat. Die Signatur auf dem digitalen Kunstwerk war bisher nicht möglich. Der Besitznachweis ist dann noch einmal was anderes. Bei einer Datei von einem Original im herkömmlichen oder im Sinne von Walter Benjamin zu sprechen, ist nicht ganz richtig.
Das NFT ermöglicht eine dem Medium entsprechende Signatur und Besitznachweis. Der Besitznachweis ist digital in der Blockchain hinterlegt. Noch besser wird es, wenn in Zukunft tatsächlich die Datei, also ich sage mal das GIF, direkt in der Blockchain abgelegt werden kann.
Welche ästhetischen Maßstäbe setzen Sie an Krypto-Kunst? Die gleichen wie an Fotografie oder Malerei?
Die Maßstäbe setzen die Künstler*innen und diese Maßstäbe sind ja nicht ausschließlich ästhetischer Natur. Ich schaue lediglich, ob die künstlerische Position in meinen Augen eine Relevanz hat. Die Krypto-Kunst muss dem Medium entsprechen. Krypto-Kunst muss die Möglichkeiten des Digitalen ausloten. Einfach eine Kreidezeichnung oder ein Ölgemälde digital zu imitieren, macht keinen Sinn.
Wie reagieren Ihre alten, klassischen Sammler*innen auf das neue Angebot?
Viele Sammler*innen, die an den aktuellen Entwicklungen der Kunst interessiert sind, interessieren sich sehr für das, was hier passiert. Sie kaufen und zwar nicht nur die günstigen Sachen.
Wie sehen Sie die Zukunft der NFTs? Ist der Hype schon wieder vorbei? Viel Krypto-Kunst bleibt ja auch unverkauft.
Ich hoffe, dass der Hype bald vorbei sein wird. Er tut der Sache nicht gut. Zu viele Fremdinteressen sind dabei im Markt spürbar. Glückritter, Finanzinvestorinnen, die Schar der Alltagsspekulanten agieren hier. Aber auch sehr spannende und wegweisende Künstler*innen.
Natürlich bleibt viel Krypto-Kunst unverkauft. Das ist in anderen künstlerischen Medien genauso. Über die NFT-Technologie kommt aber mehr Transparenz in den Markt. Über das NFT kann ich auf den Handelsplattformen nachschauen, wie die Verkäufe eins Werkes oder einer Auflage laufen. Die Transparenz ist für die Sammler*innen ein großer Vorteil.
Manche NFT-Fans sprechen von der „Demokratisierung der Kunst“ durch NFTs. Worin besteht diese Demokratisierung? Oder ist es nicht eher anders herum? Haben wir es hier nicht einfach mit schnöder Geldbeschaffung zu tun?
Richtig ist, dass einige Plattformen für NFT-Kunst wie beispielsweise „Hic et Nunc“ neue Wege der Distribution suchen und keine Gatekeeper-Funktion übernehmen wollen. Deshalb können dort alle ihre Kunst anbieten – oder was man dafür hält. Viel Ideologie und Idealismus treibt die Leute zuweilen an. Das ist sehr erfrischend.
Wie so oft werden die basisdemokratischen Bestrebungen ausgehebelt und ausgenutzt. Das passiert nicht nur durch die großen Finanzinvestor*innen. Sondern auch durch 15-jährige Nerds, die mal nebenbei für kleines Geld Krypto-Kunst kaufen und verkaufen und den Spekulationshype anfachen.
Spekulation trifft Popkultur?
Ich würde mal so sagen: Das NFT hat die Spekulation zur Popkultur erhoben. In diesem Sinne kann man das Demokratisierung nennen. Auf dem Aktienmarkt passiert ja das Gleiche, nur sind dort die Zugangsbeschränkungen noch hoch. Formal und emotional. Bevor ich Aktien kaufe, muss ich doch wissen, um was es geht, oder?
Das ist zumindest noch das Gefühl der Anlegenden. Bei Krypto-Kunst muss ich scheinbar keine Ahnung haben. Ich höre mir ein paar hippe Podcasts an, besorge mit ein paar Krypto-Währungen und los geht’s. Ich persönlich sehe das kritisch. Aber ja, es ist die Demokratisierung der Spekulation und der Gier nach Gewinn.
Thema Klimabilanz: Werden NFTs, wird die Blockchain-Technologie in Zukunft grüner sein?
Mit Sicherheit. Wir in der Galerie benutzten mit der Tezos-Blockchain eine sehr energiesparende Variante. Nachhaltigkeit ist zum Glück ein großes Thema für die Community.
Welche neuen NFT-Projekte haben Sie?
Ach, da sind einige Projekte zum Thema NFT am Start. Wir legen für einen sehr großen Deutschen Finanzdienstleister ein eigenes NFT mit einem Kunstwerk auf. Die nächste Ausstellung im Juli muss vorbereitet werden. Die Virtuelle Galerie Greulich 2.0 für NFTs steht kurz vor dem Abschluss.