15. April 2022 Lesezeit: ~7 Minuten

Werkstattbuch: Struktur und Motivation für Kreative

Im ersten Teil dieses Beitrages habe ich über Tagesstruktur für Kreative geschrieben. Darüber, wie unterschiedlich Arbeitstage von Fotograf*innen sein können: Auf der einen Seite die 100 % fordernden Produktionstage aktiven Fotografierens und auf der anderen Seite das komplette Gegenteil davon, die Tage im Atelier, zu Hause oder im Büro.

An diesen muss (und darf) ich mit mir selbst klar kommen, gebe mir den Arbeitsauftrag selbst, arbeite natürlich auch unbedingt erforderliche To-dos ab (Bildbearbeitung, Finanzamtstermine usw.), habe aber trotzdem immer auch die Aufgabe, am Ball zu bleiben, mich zu motivieren und natürlich auch: nach vorne zu schauen. Neue Kundschaft zu gewinnen und meine Fotografie und mein Business zu entwickeln.

Gerade diese proaktiven Elemente fordern zwangsläufig immer auch, über das Gewohnte und Vertraute hinauszugehen, etwas Neues zu wagen und sich aus seiner Komfortzone herauszubegeben. Die im ersten Teil proklamierte „Tagesstruktur für Kreative“ war ein erster Ansatz, diesen Herausforderungen zu begegnen. Hier, im zweiten Teil, möchte ich das Thema um ein paar zusätzliche Ideen ergänzen.

Gemeinsame Aktivitäten

Enorm motivationsfördernd ist es, wenn man die Dinge nicht allein macht, sondern sich mit anderen Menschen koordiniert. In dem Moment, in dem ich eine ernstzunehmende Vereinbarung mit jemandem habe, werden Pläne, Ideen und Vorhaben viel verbindlicher. Ich kann mich nicht mehr so leicht drücken, bleibe viel besser am Ball – und habe viel mehr Spaß.

Ein Beispiel: An Tagen, an denen meine Kollegin und Geschäftspartnerin Silva und ich beide vormittags in unseren jeweiligen Büros bzw. Ateliers sind und wir grundsätzlich Zeit haben, sind wir praktisch immer um 10 Uhr morgens miteinander verabredet: Wir rufen uns an, quatschen ein bisschen und gehen dann in eine kleine Akquise-Runde. Es gibt immer jemanden aus unserem Kunden- oder Kontaktkreis, den man sinnvollerweise anrufen kann. Sei es, um einfach ein wenig zu plaudern, an eine einmal geäußerte Absichtserklärung zu erinnern oder auch ganz konkret, weil jemand für den kommenden Monat eine Fotoproduktion geplant hat.

Wir rufen unsere Kontaktpersonen dann in Konferenz an, führen das Gespräch gemeinsam und haben eigentlich immer Spaß dabei. Natürlich erreichen wir auch oft Leute nicht, dann probieren wir es einfach mit dem nächsten. So lange, bis wir wenigstens einen Kontakt zustande bekommen haben und ein Gespräch führen konnten. Ich merke sehr oft, wie mir diese „Verabredung“ einen zusätzlichen Schubs gibt. Statt um kurz vor 10 zu denken: „Öh, ich müsste jetzt eigentlich jemanden anrufen“, denke ich: „Oh, noch schnell einen Kaffee machen und Silvia anrufen. Wir haben einen Termin!“ Und schon geht es los und man zieht sich gegenseitig nach vorn. So wird auch aus eher unerfreulichen To-dos ein entspanntes Spiel.

Natürlich ist diese Konstellation, dass zwei Fotograf*innen gemeinsame Kontakte und eine gemeinsame Firma haben, nicht alltäglich. Aber Ihr könnt das Modell trotzdem für Euch adaptieren, zum Beispiel, indem Ihr Euch mit anderen aber verwandten Gewerken zusammentut: mit Filmleuten, mit Grafiker*innen, Webseitenexpert*innen usw. Da kann gemeinsames Akquirieren ebenfalls nützlich sein und motivationsfördernd wirken.

Solche gemeinsamen Aktionen müssen sich dabei keineswegs auf Akquise beschränken – man kann alle möglichen Projekte auf diese Weise koordinieren. Und sei es nur, dass man sich anruft und sich gemeinsam darauf festlegt, jetzt eine Stunde lang Adresspflege zu betreiben. Oder Recherchen. Oder Webseitenaufmotzungen oder eben das vielzitierte Ding außerhalb der Komfortzone – was auch immer das gerade ist. Danach kann man sich noch einmal anrufen und zusammen einen Kaffee trinken, sich mit einem Plauderviertelstündchen belohnen und sich erzählen, was man gerade geleistet hat.

Nur der Vollständigkeit halber: Das geht natürlich auch im realen Leben. Einfach den Laptop einpacken, zur Kollegin fahren und dort gemeinsam etwas arbeiten. Mich motiviert das, man bleibt am Ball, hält seine Zeiten ein und fühlt sich hinterher gemeinsam besser.

Challenge mit Kolleg*innen

Eine andere organisierte Möglichkeit gegenseitiger Unterstützung ist zum Beispiel eine Challenge mit einer Kollegin oder einem Kollegen – oder generell mit anderen Menschen, die in ähnlicher Mission unterwegs sind.

Am besten eignen sich dafür klar umrissene Projekte, wie zum Beispiel ein Update der Webseiten, der Aufbau eines neuen Kanals in den sozialen Medien, das Einrichten eines CRM-Systems oder die Umsetzung fotografischer oder kreativer Projekte allgemein. So eine Challenge kann man zu zweit oder auch zu mehreren Personen aufbauen.

Zu Beginn einer Challenge sprechen sich die Teilnehmenden ab:

  • Welches Projekt will jeder für sich umsetzen?
  • In welchem Zeitraum sollen die Projekte umgesetzt werden?
  • Wie sollen die Regularien sein?

Nehmen wir an, drei Leute nehmen an der Challenge teil: Die Fotografin will ein Fotoprojekt umsetzen. Der Videograf will sich in der Drohnenfotografie fit machen, die notwendigen Formalien erwerben und sich technisch und gestalterisch reinfuchsen. Und die Grafikerin plant, ihre Webseite endlich völlig neu zu gestalten und mit aktuellem Inhalt zu befüllen.

Vereinbart wird zum Beispiel eine Laufzeit von drei Monaten. Ziel ist es ja auch hier, sich gegenseitig zu motivieren, den Rücken zu stärken und gemeinsam dranzubleiben. Also könnte man zum Beispiel vereinbaren, sich einmal in der Woche virtuell oder real zu treffen, sich auszutauschen, vom Erreichten zu erzählen und natürlich auch von den Plänen für die nächsten Tage. Man kann sich gegenseitig Entwürfe und Zwischenergebnisse zeigen, Fragen stellen, Zweifel erörtern und Ratschläge erteilen. Und dann gehen alle wieder für eine Woche an die Arbeit – bis zum nächsten jour fixe.

Es hilft ungemein, wenn man sich auf diese Weise unterstützt, es ist alles viel verbindlicher, als wenn man die Ideen und Projekte nur mit sich selbst ausmacht. Natürlich wird es auch mal vorkommen, dass jemand in einer Woche mit leeren Händen dasteht – das ist ganz natürlich und überhaupt nicht schlimm. Aber umso mehr ist dann auch die Motivation da, in der Woche darauf wieder etwas vorweisen zu können.

Ortswechsel

Trotz allem kann es natürlich vorkommen, dass man in seinem Büro hockt, etwas Unangenehmes machen muss und einfach keine Lust darauf hat. Niemand ist gerade erreichbar, die Aufgabe hängt wie eine dunkle Wolke über dem Tag, aber man kann sich einfach nicht entschließen, endlich anzufangen. Was tun?

Manchmal kann man an dem Problem einfach nichts ändern. Es ist da, hockt in der Ecke und vergiftet die Atmosphäre. Was man aber immer tun kann: die Umstände ändern. Mir hilft in solchen Fällen ein Ortswechsel. Wenn ich merke, dass ich anfange, prokrastinierend um meinen Schreibtisch herumzuschleichen, schnappe ich mir meinen Laptop, fahre in ein nettes Café (am liebsten bei sommerlichen Temperaturen irgendwo draußen), bestelle einen Cappuccino und fange an, das Angebot auszuarbeiten, die Steuerunterlagen rauszusuchen oder welche Aufgabe auch immer mir den Tag vorher vermiest hat.

Die veränderte Umgebung verändert mich auch: ich bin unter Menschen, ich sehe andere Leute, ich fühle mich inspirierter, ich erlebe etwas. Ich stelle fest: hey, dieses Fotografenleben ist doch verdammt cool – zu merken zum Beispiel daran, dass man seine Finanzamtsangelegenheiten im Park erledigen darf.

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