Werkstattbuch: Das Ende der Corona-Fotografie?!
Als im Mai dieses Jahres der harte Lockdown beendet wurde, begann eine hoffnungsvolle Zeit: Der Frühling war da, die Geschäfte und Restaurants öffneten wieder, man konnte einander wieder begegnen, die Infektionszahlen sanken – und auch die Kundschaft meldete sich wieder: Die Werkstore öffneten sich, erste Jobs wurden beauftragt, verschobene Aufträge nachgeholt und man konnte die durchaus berechtigte Hoffnung haben, dass zum Ende des Jahres vielleicht „alles wieder okay“ sein könnte. Oder zumindest fast.
Trotzdem blieb uns COVID-19 natürlich erhalten: Vor Ort wurden Masken getragen, in der Mittagspause saß man ein paar Meter voneinander getrennt, um seine Brötchen zu mümmeln und auch die Ästhetik der Fotografien wurden von der Pandemie berührt: Verschiedene Kund*innen bestanden bei der Bildkomposition darauf, dass bei mehreren Menschen im Bild auch tatsächlich der Mindestabstand von 1,50 m eingehalten werden musste.
Das führte immer mal wieder zu ziemlich eigenartigen Bildgestaltungen und erinnerte an die Arbeit mit Agenturen: Auch da liefern die Artdirektoren ja gern vorgefertigte Entwürfe, die man dann 1:1 umzusetzen hat, was keineswegs immer dem Bild dient. So war es auch bei solchen Aufnahmen: Statt die bestmögliche Bildkomposition zu wählen, mussten auf einmal formal-medizinische Vorgaben berücksichtigt werden, was zwangsläufig zur Folge hatte, dass die Bilder nicht immer so gut wurden, wie sie hätten werden können.
Andere gingen einen anderen Weg und schrieben vor, dass alle Menschen vor der Kamera Maske zu tragen hätten – auch beim eigentlichen Fotografieren! Das sieht in der Rezeption im Moment vielleicht noch in Ordnung aus, wird aber zur Folge haben, dass diese Jobs in einer hoffentlich irgendwann existierenden Zeit nach der Pandemie wiederholt werden müssen. Sollten wir dieses Virus einmal überwunden haben, werden wir diese Bilder nicht mehr anschauen wollen. In diesem Fall ist das gut für den Umsatz. Aber richtig lustig fand ich es trotzdem nicht.
Lustig ist es übrigens auch nicht, den ganzen Tag mit Maske zu fotografieren: Es ist nervtötend, anstrengend, einfach ätzend. Der Sucher beschlägt dauernd, man fühlt sich unfrei und behindert. Trotzdem haben wir es natürlich in Kauf genommen, die Notwendigkeit eingesehen und das Spiel so gut wie möglich gespielt.
Im Sommer und im Frühherbst ging es dann auch recht munter zu: Die Auftragslage war teilweise sogar richtig gut, wir schrieben fleißig Angebote, die Bereitschaft zu Fotoproduktionen stieg, die Leute agierten entspannter und waren natürlich auch zunehmend geimpft.
Im Juli 2021 hatte ich dann auch endlich meine zweite Impfung und war total froh darüber: Sie gab mir und unserer Kundschaft eine hohe Sicherheit und ermöglichte viel mehr als in den Monaten zuvor. Wir arbeiteten entsprechende Passagen in unsere Angebote ein. 2G wurde im Business zur Regel, der Fotoalltag machte wieder viel mehr Spaß und wurde zusehends auch ertragreicher. So hätte es gern weitergehen können!
Doch leider, leider haben unsere Gesellschaft und unsere Politik nicht auf die mahnenden Stimmen der Fachleute gehört. Statt die Pandemie ernsthaft zu bekämpfen, hat man es einfach laufen lassen und sich mit einem unterirdisch öden Wahlkampf beschäftigt. Klar, kurz vor einer Bundestagswahl propagiert man nicht gern unpopuläre Maßnahmen, ich verstehe das schon. Trotzdem wurden dabei Chancen vertan und das Erreichte ohne Not aufs Spiel gesetzt.
Es nervt mich total! Jetzt hängen wir wieder mittendrin, die Infektionszahlen sind hoch, die Intensivbelegungen desgleichen, eine neue Virusvariante droht – und natürlich kommen auch wieder die Absagen: kurzfristig, manchmal nur zwei Tage vor dem Termin. Einige dieser Jobs werden sicherlich irgendwann nachgeholt werden, manche aber nie. Das ist nicht gut fürs Konto und es ist auch nicht gut für mein Selbstverständnis als aktiver, produzierender Fotograf, der gern unterwegs ist, gern Abenteuer erlebt, gern Menschen begegnet und die Wunder unserer technischen Zivilisation erforschen möchte.
Also, ihr Lieben, es gibt derzeit nur einen erfolgversprechenden Weg aus der bereits eingetretenen Krise: Besorgt Euch den ersten, zweiten oder dritten Pieks. Es tut nicht weh, es ist wirkungsvoll und könnte noch etwas bewirken, wenn zu den bereits Geimpften vielleicht noch 15 oder 25 Prozent mehr dazu kämen.
Wenn das Leben vom Coronavirus dominiert wird, macht es nicht besonders viel Spaß, es verhindert gerade in der Kunst unendlich viel Vielfalt und jede Menge spannende, kulturelle Erlebnisse. Und wenn wir die sogenannte Herdenimmunität erreichen würden, könnten wir Fotograf*innen auch endlich wieder entspannt arbeiten und müssten uns nur mit den „ganz normalen“ Problemen unseres Berufsstandes herumschlagen. Klingt toll, oder? Vielleicht schaffen wir es ja 2022? Es liegt an uns!
PS: Aus naheliegenden Gründen zeige ich hier keine Bildbeispiele mit „Corona-Ästhetik“. Muss ja auch wirklich nicht sein. Dafür ein paar Making-of-Bilder. Tja, auch dazu hat diese Krise geführt: Man möchte noch nicht einmal mehr die eigene Arbeit zeigen. Wie schräg ist das denn?