28. Oktober 2021 Lesezeit: ~8 Minuten

Wie kann man Flutbilder retten?

Erst vor zwei Wochen habe ich mit Ela Rohwetter gesprochen, die in einem von der Flut betroffenen Gebiet den Wiederaufbau dokumentiert. Dabei bin ich in ihren Bildern auf Kisten voller verschlammter und verwitterter Fotografien aufmerksam geworden. Fotos bergen oft unwiederbringliche Erinnerungen, doch wie kann man sie retten? Das habe ich die Fotorestauratorin Jessica Morhard gefragt.

Wenn so eine Katastrophe passiert, hat man zunächst natürlich anderes im Kopf, als sich um gerettete Fotos zu kümmern oder sie gar zu reinigen. Was sollte man am besten tun, wenn man beim Aufräumen durchnässte Fotos findet?

Eine Möglichkeit wäre, die Bilder einzufrieren. Die allergrößte Gefahr für die meisten Fotografien ist, dass sich nach 48 Stunden Schimmel ausbreitet. Aber auch, wenn die Fotos ohne Schimmel trocknen, verkleben sie miteinander und lassen sich dann nur noch schwer wieder voneinander trennen.

Das ist wahrscheinlich der Ist-Zustand nach drei Monaten, wenn ich mir die Kisten voller geretteter Fotografien ansehe. Wenn die Bilder nun bereits schimmeln, kann man noch etwas tun oder muss man sich von den Aufnahmen trennen?

Wenn der Schimmel bereits eingesetzt hat, kann es schon durchaus schwierig werden. Das Problem ist, dass sich die Bildschicht selbst durch den Schimmel abbaut. Ganz verklebte Fotografien, die über einen längeren Zeitraum in diesem Zustand waren und mit Schimmel kontaminiert sind, lassen sich leider kaum retten oder nur mit Hilfe von Fotorestaurator*innen.

Aber es kann natürlich sein, dass in der Zukunft noch Verfahren entwickelt werden, durch die man dann doch noch etwas machen könnte. Eine neue Technik oder ein neues Festigungsmittel, das die Bildschicht wieder stabilisiert.

Wichtig ist bei der Frage nach dem Vorgehen auch, welches Fotomaterial man vor sich liegen hat. Es gibt Materialien, die anfälliger sind und sich sehr schnell zersetzen. Andere wiederum sind stabiler. Jedes Foto müsste je nach Materialität eigentlich völlig gesondert behandelt werden.

Kiste voller schmutziger Fotografien
© Ela Rohwetter

Die Flut hat ja viele Privathaushalte getroffen. Welche Fotomaterialien gilt es, in diesem Bereich besonders zu unterscheiden?

Ich denke, in den Privathaushalten werden bis in die 1990er Jahre hinein überwiegend Farbabzüge zu finden sein. Dabei handelt es sich um sogenannte PE-Papiere. Dann haben wir noch ganz klassische Schwarzweiß-Papierabzüge von etwa 1910 bis in die 1970er Jahre. Das sind die Bilder, die sich meist auch in den Alben finden. Diese analog verarbeiteten Fotopapiere sind besonders anfällig, weil sie zum Teil komplett organisch sind, also nur aus Papier und der Bildschicht bestehen.

Ab den 2000er Jahren gibt es vermehrt Digitaldrucke statt echter fotografischer Abzüge. Das sind all die Bilder, die man zum Beispiel aus den stationären Automaten in Drogerien bekommt. Ansonsten kann ich mir auch vorstellen, dass vereinzelt Negative betroffen sind und moderne, gedruckte Fotobücher. Es kann durchaus sein, dass einige Bilder noch ganz gut aussehen und man diese auch retten kann.

Wie kann man als Privatperson dabei vorgehen?

Es gibt von der University of Delaware ein kurzes Video, das das Vorgehen gut zeigt. Man benötigt kleine, am besten flache Behältnisse, die man mit kaltem Leitungswasser füllt. Dann kann man mit Pinseln die Fotos darin vorsichtig reinigen. Im Video sieht man auch sehr schön, wie man die Fotos am besten auf einer Folie behandeln kann. So muss man die Oberfläche gar nicht berühren, diese ist extrem empfindlich im feuchten Zustand.

Es gibt noch eine andere Methode, die im Video nicht angesprochen wird. Vielleicht, weil sie nicht für alle Fotomaterialien geeignet ist. Bei besonders empfindlichen Schichten kann man aber gut mit 70%-iger Ethanol-Lösung statt Wasser arbeiten. Diese ist leicht in der Apotheke zu beschaffen. Durch den geringeren Wasseranteil ist diese Lösung weniger gefährlich für die Bildschicht.

Was man im Video nicht sieht: Wie nach der Reinigung mit den Fotos weiter umgegangen wird. Sie sind ja dann nass. Wie trocknet man sie am besten? Wahrscheinlich sollte man sie nicht direkt in die Sonne legen, oder?

Nein, die Bilder sollten langsam trocknen, nicht zu schnell. Am besten legt man sie einzeln auf Kunststoffvlies aus, mit der Bildseite nach oben. Alternativ kann man auch Löschkarton nehmen und dann lässt man sie langsam darauf trocknen.

Je nachdem, mit welcher Menge man es zu tun hat und wie viel Platz vorhanden ist, kann man die Bilder auch auf einer Wäscheleine aufhängen. Aber das ist nicht ganz so optimal.

Wenn die Bilder so trocknen, sind sie wahrscheinlich danach leicht gewellt. Ist es möglich, sie wieder flach zu pressen?

In der Fotorestaurierung arbeitet man mit speziellen Vliesen und Sandwich-Methoden aus verschiedenen Folien, Löschkartons und harten Brettern. So kann man eine kontrollierte Trocknung durchführen, die verhindert, dass sich die Bilder wellen. Für Privatpersonen ist das so leider nicht anwendbar.

Die Glättung müsste also während des Trocknens stattfinden und die Bilder danach zwischen Bücher zu legen, würde nichts bringen?

Genau. Je nachdem, wie instabil die Bildschichten sind, könnten sie beim Pressen brechen. Als Restauratorin habe ich ganz andere Möglichkeiten und kann die Fotos indirekt befeuchten. Ich lege die Bilder nicht in ein Wasserbad, sondern in eine Kammer mit spezieller Luftfeuchtigkeit von 50–60 %. Dann taste ich mich vorsichtig heran und lasse das Foto 10 Minuten, 15 Minuten oder sogar eine Stunde darin liegen, je nach Material.

Dann ist es durchfeuchtet und ich kann mit einem speziellen Test die Bildschicht untersuchen. Wenn sie etwa noch nicht klebt, aber Restfeuchte im Träger ist, dann kann ich sie zum Beispiel in so einer Sandwich-Konstruktion pressen.

Als Privatperson sollte man also lieber mit einer leichten Wellung leben?

Ich fürchte, ja.

Ist es überhaupt möglich, dass die Bilder nach der privaten Reinigung wieder wie vorher aussehen? Oder sollte man die Fotos besser einfach digitalisieren lassen?

Es kommt wirklich sehr stark auf den Schweregrad der Verschmutzung an. So einen Schwarzweiß-Papierabzug könnte man wirklich so hinbekommen, wie er vorher war.

Aus restauratorischer Sicht würde ich eine Digitalisierung nur empfehlen, wenn man das Bild einfach nur sichern möchte. Oder wenn das Original so stark beschädigt ist, dass man es nicht mehr anfassen möchte.

Als Restauratorin möchte ich natürlich das Original so gut wie möglich erhalten. Aber ich kann selbstverständlich verstehen, wenn man die Spuren dieses Unglücks nicht im Bild sehen möchte. Es gibt bei der Frage mehrere Ebenen.

Ja, das ist wohl eine sehr persönliche Entscheidung. Wenn ich da an das vielleicht einzige erhaltene Foto der Oma denke, möchte man möglicherweise wirklich das Original erhalten und eine digitale Sicherheitskopie.

Ja, wenn man bei dem Beispiel bleibt, gibt es auch durchaus die Möglichkeit, das Foto zu digitalisieren und es auf der Originalmaterialität auszubelichten. So könnte man dem Original zumindest sehr nahe kommen und die Spuren des Hochwassers unsichtbar machen.

Wenn ich keine Zeit oder Kraft habe, meine Bilder selbst zu restaurieren, mir aber bestimmte Aufnahmen sehr wichtig sind, kann ich mich gezielt an Restaurator*innen wenden?

Ja, auf jeden Fall. Es gibt den „Verband der Restauratoren“. Auf der Verbandswebseite sind auch viele Fotorestaurator*innen aufgelistet, die freiberuflich arbeiten. Ich würde empfehlen, dort gezielt jemanden anzuschreiben und sich ein Angebot machen zu lassen.

Restaurator*innen haben natürlich auch noch einmal ganz andere Möglichkeiten, Fotos zu retten, auf die ich gar nicht komplett eingehen kann, weil sie je nach Materialität sehr speziell sind oder einfach auch viel zu aufwändig für eine Privatperson.

Vielen Dank für den Einblick und die Tipps!

Portrait Jessica Morhard © W. Meyer

Ähnliche Artikel