11. März 2021 Lesezeit: ~5 Minuten
kwerfeldein – kurz erklärt
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kurz erklärt: Wie geht meine Fotoserie viral?
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kurz erklärt: Wie geht meine Fotoserie viral?

Wir können uns zuerst einmal darauf einigen, dass der Ausdruck „viral gehen“ kein schöner ist und während einer globalen Pandemie noch seltsamer wirkt. Aber genau diese Frage wurde mir vor einigen Jahren oft gestellt, als eines meiner Fotoprojekte plötzlich eine riesige mediale Verbreitung erfuhr. Es ging viral.

Nun hatte ich das damals gar nicht geplant und war komplett überfordert mit diesem „Erfolg“. Ich fotografierte in meinem Projekt sichtlich zerliebte Kuscheltiere und stellte sie ihren neuwertigen Doppelgängern in Collagen gegenüber. Eine sehr simple Idee. Das Projekt verstand man auf den ersten Blick.

Und genau das ist oft ein Punkt viraler Fotoprojekte, wie ich bei meinen nachträglichen Recherchen feststellte: Die Serien, die sich unglaublich schnell und vielfach verbreiten, sind fotografisch und künstlerisch gesehen nicht unbedingt stark. Aber sie sind leicht verständlich. Komplexe Projekte, die Vorwissen oder vielleicht sogar einen längeren Text benötigen, damit man einen Zugang zu ihnen findet, erlangen selten großen Anklang.

Ein weiterer Punkt für einen viralen Hit ist die Nahbarkeit. Alle Menschen besitzen oder besaßen wohl mindestens ein Kuscheltier in ihrem Leben und haben damit gespielt und es vielleicht auch geliebt. Meine Serie hat also die Menschen direkt angesprochen, sie an früher denken lassen. Auch das ist bezeichnend für virale Hits: Sie lösen Emotionen aus. Nicht immer glückliche oder sentimentale, wie in meinem Projekt. Es können auch Themen sein, die traurig machen oder wütend. Hauptsache Emotionen.

Das Grundrezept für eine virale Fotoserie hätten wir damit erst einmal. Wir brauchen eine Serie, die

  • auf den ersten Blick verständlich ist,
  • keine komplexen Themen anspricht,
  • Emotionen auslöst.

Fehlen diese Zutaten in Eurer Serie, spricht das vielleicht sogar durchaus für Eure Arbeit. Aber Ihr werdet damit nicht den Erfolg in der breiten Masse finden.

Ich kann Euch aber sagen, dass das überhaupt nicht zielführend ist. Nach außen sah es bei mir vielleicht nach Erfolg aus. Aber es war einfach nur anstrengend. Ich hatte meine Serie zuerst hier auf kwerfeldein gezeigt. Die Kommentare waren durchaus positiv und es gab vereinzelte Nachrichten, in denen mir Privatleute ihre zerliebten Kuscheltiere als neue Motive anboten.

Ein wenig später fragte ein englischsprachiger Blog das Projekt zur Veröffentlichung an. Und dann ging es los: Es gab täglich weitere Anfragen von Blogs und Magazinen. Schnell auch die ganz großen: Stern, The Guardian, Le Monde – überall auf der Welt fand man das Projekt super und veröffentlichte es.

Mich erreichten täglich über 100 E-Mails. Neben den Veröffentlichungs- und Interviewanfragen schickten mir Menschen auch einfach Fotos ihrer Plüschtiere oder erzählten mir ihre Kuscheltiergeschichten. Das war an und für sich ja eine schöne und überwältigende Erfahrung. Aber schnell vor allem überwältigend. Ich konnte nicht mehr alles beantworten und fühlte mich schlecht.

Die absurdesten Anfragen waren im Übrigen von selbsternannten Managern, die die Serie gegen Provision an Blogs und Magazine weiterverkaufen wollten. Wo Geld gewittert wird, entstehen wohl schnell Geschäftsideen. Auf solche Anfragen, die immer auch etwas unseriös klangen, ging ich natürlich nicht ein. Mir war zu diesem Zeitpunkt schon alles zu viel. Und ich wusste auch: Geld gibt es nicht.

Zu Beginn hatte ich noch bei den großen Magazinen nachgehakt, wie hoch das Budget ist. Aber es gab nie Budget. Irgendwann habe ich einfach eine Copy-Paste-Antwort geschrieben, in der ich einer Veröffentlichung zustimmte und erklärte, dass ich als selbstständige Fotografin von meiner Arbeit leben muss und mich über einen selbstgewählten Betrag freuen würde. Mit Kontonummer.

Ich weiß nicht, wie viele dieser E-Mails ich verschickte, es waren wirklich viele. Auf meinem Konto landete jedoch nur einmal ein dreistelliger Betrag. Finanziell hat mich die ganze Geschichte eher Geld gekostet, wenn ich all die Zeit aufrechne, die ich in die Beantwortung der Anfragen steckte.

Als die Welle langsam abklang, habe ich noch viel darüber nachgedacht. Vielleicht hätte es sich für mich gelohnt, wenn das Projekt als Buch erhältlich gewesen wäre oder ähnliches. Vielleicht hätten die Menschen das Projekt finanziell in einem Crowdfunding unterstützt. Aber damals hatte ich das alles nicht und so war es einfach nur eine sehr absurde Erfahrung. Viralität würde ich niemandem empfehlen.

Aber wenn Ihr Euch nach der Geschichte immer noch fragt, wie Ihr Eure Serie viral bekommt: Viralität kann man nicht planen. Selbst wenn man meinem Grundrezept folgt, das ich mir nachträglich zurechtlegte, um das alles besser zu verstehen. Die Chancen sind minimal. Man braucht einfach viel Glück, die richtige Serie zum richtigen Zeitpunkt im richtigen Magazin zu platzieren.

Versucht es nicht. Und schreibt uns doch lieber die nächste Frage, bitte!

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