24. Februar 2021 Lesezeit: ~7 Minuten
kwerfeldein – kurz erklärt
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kurz erklärt: Was ist die gute Preisgestaltung?
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kurz erklärt: Was ist die gute Preisgestaltung?

Simon hat uns in der vergangenen Woche eine Frage geschickt bzw. weniger eine klar formulierte Frage als eine Bitte, etwas anzusprechen. Und das möchte ich hiermit gern tun. Er hat uns Folgendes geschrieben:

Ich würde gern das Thema „Korrekte Preisgestaltung in der professionellen Fotografie“ pitchen. Ich denke, dass es immens wichtig ist, dass wir Fotograf*innen offener darüber reden und sich alle preislich am Markt positionieren und nicht am Kunden oder nach Gefühl.

Es ist schon verflixt. Es gibt tausende Fotograf*innen und niemand kann sich auf einen festen Satz einigen. Im Fotojournalismus kann man sich Preise nicht aussuchen und muss häufig nach der Devise „Take it or leave it“ beim ersten Telefonat entscheiden, ob man einen Job zum Festsatz annimmt. Niedergelassene Fotograf*innen verkaufen pro Bild, beginnen aber bei 25 €. Und Werbefotograf*innen haben die Möglichkeit, 330 % vom Tagessatz zusätzlich für Bildrechte in Rechnung zu stellen. Wie kommt es zu einer so großen Diskrepanz auf dem Markt? Und was können wir dagegen tun?

Ich habe mit unserem Redaktionsmitglied Christian Ahrens gesprochen, der in der Vergangenheit bereits einen spannenden Vortrag zum Thema gehalten hat. Er denkt, dass für die richtige Preisfindung drei Punkte besonders wichtig sind:

  1. Erfahrungswerte. Sich bei Kolleg*innen umhören und sie fragen.
  2. Sich selbst positionieren: Wo bin ich? Stehe ich noch am Anfang oder in der Mitte? Bin ich okay, sehr gut oder herausragend?
  3. Man kann nur den Preis verlangen, den man fühlt. Also womit man wirklich sagen kann: „Ich bin 2.000 € am Tag wert oder 5.000 € oder 1.000 € und den kriegt man auch immer.“

Christian geht es also darum, dass man selbst auch fühlen kann, was man wert ist. So ähnlich hat es auch Hans Einspanier formuliert, der Portraitfotograf mit eigenem Studio in Lingen an der Ems ist. Er berichtete mir, dass er gerade erst noch die Preise angehoben hat, weil er sich immer mehr bewusst wird, wie viel seine Zeit ihm eigentlich wert ist:

Es gibt die Kunden und die Kunden. Du ziehst durch Deine Präsentation nach außen und Deine Preisgestaltung auch immer Deine Wunschkunden an. Wenn Du Dir die Zeit nehmen möchtest, mit Kunden, die 25 € bezahlen, Deine Zeit zu verbringen, die in der Regel auch […] immer auch was schwieriger [sind], weil sie für den Preis auch zu hohe Ansprüche haben, denke ich mir, ist es auch eine Entscheidung, wie Du Deine Zeit gestalten möchtest. Für mich ist es wichtig, dass meine Kunden meine Arbeit wertschätzen und dementsprechend die Wertschätzung auch preislich ausdrücken.

Auch Hans spricht also von Wertschätzung und dem Preis der eigenen Zeit. Doch wie kann man diese Zeit richtig beziffern? Wie kann man erarbeiten, dieses Gefühl richtig einzuschätzen?

Ich habe das in meiner Ausbildung zum Fotografen zum ersten Mal gemacht. Seitdem passe ich die damals entstandene Excel-Tabelle einmal im Jahr an, um zu überprüfen, ob ich noch auf dem richtigen Weg bin. In der Tabelle schätze ich sämtliche Ausgaben: Versicherungen, Steuern, Miete, Auto, das tägliche Leben, alles muss mit rein. Und diese Summe stelle ich dann gegen die Arbeitstage, die ich tatsächlich habe.

Was herauskommt, ist zunächst nicht der richtige Tagessatz, denn es wäre utopisch zu glauben, dass man auch nach 20 Jahren jeden Tag gebucht wäre. Also rechne ich den Satz hoch auf einen realistischen Buchungswert. Bei den meisten Fotografierenden sind das zwischen 10 % und 20 % der Zeit, also je nach Monat etwa ein bis fünf Tage.

Mein guter Bekannter Matthias Demand ist just im Augenblick in Kiel und lehrt dort: Zum Thema Tagessatz. Darüber hatten wir zufällig in der vergangenen Woche gesprochen. In seiner Mittagspause habe ich ihn erreichen können und er nannte mir folgenden bedenkenswerten Ansatz:

Das durchschnittliche Bruttogehalt in Deutschland liegt bei ca. 4.000 € (2019: 3.994 €). Da kommt ein Nettogehalt von ca. 2.600 € raus. Wenn man den Stress der Selbstständigkeit, die Unsicherheit und die Ungewissheit auf sich nimmt, dann sollte zumindest am Monatsende ein Geldbetrag herauskommen, der nicht großartig unter dem üblichen Nettogehalt liegt. Sonst macht das alles keinen Sinn.

Wenn man aufgrund dieses Geldbetrags, der am Monatsende stehen soll, mit privater Krankenversicherung, mit privater Altersvorsorge, was in eine seriöse Kalkulation alles mit reingehört und berücksichtigt, wie viele Stunden man tatsächlich über das Jahr verteilt effektiv arbeiten kann, dann kommt ein Stundensatz raus, der liegt irgendwo zwischen 50 € und 70 €.

Und wenn man bei einem Shootingtag einkalkuliert, wie viele effektive Stunden draufgehen, bis man ein Acht-Stunden-Shooting abrechnen kann, dann hat man ganz schnell eine Nettostundenanzahl von 20 Stunden. Dann ist es völlig klar, dass niemand, der seriös kalkuliert, einen Shootingtag unter 1.000 € verkaufen kann.

Wenn ich Shootingtage verkaufe, die wesentlich günstiger sind als diese 1.000 €, dann verarsche ich mich selbst oder beute mich selber aus oder beides. Denn dann kommt ein Stundensatz heraus, der sich ganz schnell Richtung Mindestlohn bewegt. Dann ist es für die Fotografie sinnvoller – und auch für das eigene Wohlbefinden – man nimmt einen Job an, der mit Mindestlohn vergütet wird, hat keine Verantwortung und sollte Fotografie als Hobby betreiben. Das macht langfristig wesentlich glücklicher.

Fotografie ist halt mehr als nur der Zeitpunkt des Fotografierens und dieser Mehraufwand sollte auch entlohnt werden. So kommen die zunächst scheinbar hohen Sätze zusammen. Wer dennoch günstig anbietet, verlangt mehr von sich selbst. Am Ende des Monats benötigt man eine gewisse Menge Geld. Hat man die nicht, kann es daran liegen, dass man selbst zu großzügig mit der eigenen Zeit ist. So könnte man die Gespräche, die ich zu dem Thema geführt habe, gut zusammenfassen.

Als jemand, der in den vergangenen Jahren selbst einen größeren Betrieb mit Studio und Mitarbeiter*innen hatte, kann ich mich dem anschließen. Am Ende müssen die Zahlen stimmen, heißt es in der Wirtschaft. Das sagt aber nichts darüber aus, wie viel Spaß man dabei hat. Das ist ein Punkt, der mich dazu bewogen hat, den Laden wieder zu verkleinern und mich auf Dinge zu konzentrieren, die zwar in Summe weniger Umsätze bringen, mich aber mehr erfüllen.

Matthias formuliert es sehr drastisch, aber eben das regt mich an, darüber nachzudenken. Gerade in der aktuellen Zeit ist es richtig, sich darüber Gedanken zu machen, welcher Unsicherheit man sich mit der Selbstständigkeit aussetzt. Wie seht Ihr das, was sind Eure Gedanken dazu?

Seht dieses Format wie immer als Anregung zur Diskussion, nicht als vollumfassende Beantwortung einer Frage, die in ganzen Büchern nicht eindeutig zu klären ist! Ich freue mich auf Eure Fragen unter kk@kwerfeldein.de und verbleibe wie immer mit den Worten: Nächste Frage, bitte!

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