20. Januar 2021 Lesezeit: ~4 Minuten

Über nächtliche E-Mails und Lockdownblues

Man sagt, im Winter werden die Tage kürzer, aber im Lockdown fühlen sie sich doch verdammt lang an, oder? Entschuldigt das dumme Wortspiel, es ist einfach schon sehr spät. Aber das Gute an der Jahreszeit ist ja, dass man es einfach nicht merkt. Außer der Blick fällt dann doch aus Versehen mal auf die kleine Uhr rechts unten auf dem Bildschirm.

Den halben Tag über könnte es schon 20 Uhr sein. Dieses Dauerdüster passt auch ganz wunderbar zu meiner Stimmung und gerade wollte ich eigentlich schon mit meinem Selbstmitleid ins Bett gehen, da flatterte eine E-Mail rein.

Ich antworte schnell, denn an ihr könnte ein weiterer Artikel hängen, den ich diese Woche noch so dringend bräuchte. Die Antwort kommt ebenso schnell zurück mit der Bemerkung: „Das nenn ich mal Arbeitszeiten.“

Ich schaue vorsichtig nach rechts unten. Ja, danke. 0:45 Uhr. Aber Du bist doch auch wach und schreibst mir, so what?

Ich bin eigentlich dazu übergegangen, meine Antworten über Nacht als Entwürfe zu speichern und dann am Morgen vor dem Homeschooling mit den Kindern in einem Rutsch abzusenden. Damit es so aussieht, als hätte ich einen gesunden Schlafrhythmus und perfekte Arbeitszeiten.

Aber warum eigentlich? Warum soll niemand wissen, dass es gerade verdammt anstrengend ist? Den meisten geht es doch genauso. Warum sollten wir jetzt so tun, als würden wir nach wie vor super funktionieren? So mit Arbeit von 8 bis 16 Uhr und drei ausgewogenen Mahlzeiten am Tag, die alle Personen in der Familie gleichermaßen glücklich machen.

Da fällt mir ein: Wie hoch kann man Pizzakartons eigentlich stapeln, gibt’s da schon eine Challenge? Ich bräuchte wirklich ein kleines Erfolgserlebnis und wittere gerade meine Chance.

Als Selbstständige ist es nie leicht gewesen. Mit Kindern ist es nie leicht gewesen. Jetzt ist es halt noch etwas schwerer. Und ich weiß, das ist jetzt nichts Neues. Vielen geht es so. Die meisten Fotograf*innen in Deutschland arbeiten nicht angestellt sondern selbstständig. Viele mit Kindern. Und sehr viele aktuell mit einem leeren Auftragsbuch und extremem, psychischem Stress.

Ein befreundeter Fotograf hat kürzlich in einem Telefonat angefangen zu lachen, weil er beim Eintragen des Interviewtermins feststellte, dass einfach noch nichts in seinem Kalender für 2021 stand. Nur weiße Seiten, absolute Leere. Wir haben also beide herzhaft gelacht, dann ein wenig geweint und nach einer kleinen Aussprache ging es uns beiden irgendwie etwas besser.

Ich weiß, darüber zu reden hilft nicht beim Zahlen der Miete und es hilft auch nicht, wenn man zwischen Schularbeiten und Jobsuche mal kurz in ein Kissen schreien muss. Aber es hilft zumindest ein ganz klein wenig, um sich nicht so allein zu fühlen. Also kotzt Euch unter diesem Text gern aus. Schreibt mir, wie es Euch gerade geht. Wie scheiße die Situation ist.

Denn ja, sie ist einfach extrem und es ist komplett okay, wenn Ihr gerade nicht funktioniert. Beantwortet E-Mails erst eine Woche später oder eben am Sonntag um 2 Uhr morgens, wenn es die einzige Zeit ist, in der die Wohnung mal kurz ruhig genug ist, um konzentriert und länger als fünf Minuten am Stück arbeiten zu können.

Und wenn um diese Zeit dann zwei, drei Rechtschreibfehler mehr drin sind, ist das egal. Die Person, die sie lesen wird, sitzt wahrscheinlich genauso spät und müde am Rechner und überliest sie einfach. Oder denkt: Ach schön, mir geht’s nicht allein so.

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