browserfruits 28.2020
Es ist Sommer! Woran ich das merke? Auf jede zweite E-Mail, die ich schreibe, bekomme ich eine automatische Antwort zurück. „Bis 30. Juli im Urlaub“ oder so ähnlich. Nach dem Lockdown scheinen alle endlich raus aus ihrem Zuhause und hinaus aus dem Alltag zu müssen.
Mit ein wenig Neid freue ich mich natürlich auch für Euch, die Ihr den Computer mal ausschalten könnt. Hoffe aber auch, dass ein paar noch hiergeblieben sind und weiter in unseren Artikeln und den heutigen browserfruits stöbern.
Linktipps
• Als Reporter einer Ost-Berliner Illustrierten durfte Uwe Gerig 1981 mit seiner Frau privat nach Nordkorea reisen. Einen kleinen Bericht zu diesem „Urlaub“ und 20 Aufnahmen hat Spiegel Online. → ansehen
• Die TAZ bespricht den neuen Dokumentarfilm über Helmut Newton und spart dabei auch nicht an Kritik. → ansehen
• Das Bundesverfassungsgericht hebt die Strafe gegen einen Fotografen wegen fehlender Verpixelung auf – zuständig dafür sei nicht er, sondern die Redaktion, sagen die Richter*innen. → ansehen
• ARTE hat eine Dokumentation über den Pariser Fotografen Willy Ronis veröffentlicht. Sie ist noch bis Anfang September in der Mediathek zu sehen. → ansehen
• Das Queer-Magazin berichtet über zwei Fotograf*innen in den USA, die dagegen klagen, rechtlich auch Hochzeiten zwischen zwei gleichgeschlechtlichen Eheleuten fotografieren zu müssen. → ansehen
• Ze.tt berichtet über die Initiative „Don’t Back Down!“, in der sich 40 Fotograf*innen zusammengeschlossen haben und Abzüge ihrer Fotos für einen guten Zweck verkaufen. → ansehen
• Ein neuer Bildband zeigt Fotos von afrikanischen Fotograf*innen. Autor Ekow Eshun erzählt im Spiegel-Interview, wie wichtig die Aufnahmen im Kampf gegen Rassismus sind. → ansehen
• Geo zeigt eine einzigartige Gewitteraufnahme von Gary Hershorn. → ansehen
• Marina Plana verwaltet etwa 2,5 Millionen Aufnahmen ihres Großvaters Josep Planas, der Mallorca in den 1950er bis 1970er Jahren dokumentierte – und damit unser Bild der Insel prägte. Die Süddeutsche Zeitung berichtet. → ansehen
• Der Female Photoclub zeigt in der Online-Ausstellung „Corona Diaries“ die freien Arbeiten von Künstlerinnen, die während des Lockdowns entstanden. → ansehen
Buchempfehlungen
„A Way of Seeing“ : Helen Levitt zählte zu den wichtigsten Vertreter*innen der New Yorker Straßenfotografie. Ihr Werk wurde 1965 erstmalig publiziert. Diese neue Ausgabe enthält 50 Originalfotos sowie einige andere Bilder, die Levitts späteres Verständnis von sich selbst als Künstlerin und als visuelle Geschichtenerzählerin erzählen. Es ist im Verlag Walter König erschienen und kostet 39,95 €.
„Ruins“ ist die neueste Monografie des Magnum-Fotografen Josef Koudelka. Seit mehr als zwanzig Jahren reist er durch den Mittelmeerraum und besuchte Orte wie Italien, Libyen, Griechenland und Syrien, um mehr als zweihundert archäologische Stätten zu fotografieren. Die Panoramafotos führen nach Delphi, Pompeji, Petra, Karthago und zu anderen antiken Orten, einschließlich solchen, die aufgrund der jüngsten Konflikte stark verändert oder zerstört wurden. Das Buch ist im Verlag Aperture erschienen und kostet 66,72 €.
Ausstellungen
New East Poetistas
Zeit: 11. Juli – 23. August 2020
Ort: Alten Feuerwache – Projektraum, Marchlewskistraße 6, 10243 Berlin
Illusionen der Beobachtung
Zeit: 11. Juli – 27. September 2020
Ort: Museum für Photographie, Helmstedter Str. 1, 38102 Braunschweig
Claus Friedrich Rudolph: Voll. Fett. Lecker.
Zeit: 7. Juli – 17. Oktober 2020
Ort: Leica Galerie Stuttgart, Calwer Str. 41, 70173 Stuttgart
Drüben auf Instagram
@3cm_lin – Ihr mögt surreale und kreative Konzepte? Dann schaut Euch die Arbeiten von Lin Yung Cheng an. Und kreativ ist dabei noch untertrieben!
Videos
Samuel Lintaro Hopf reist mit seiner Ricoh GR an verschiedene Orte und spricht mit anderen Fotograf*innen über ihre Arbeiten und die GR. In dieser Folge besuchte er in London Sean Tucker.
Besagter Sean Tucker hat auch einen eigenen Youtube-Kanal, der sehr empfehlenswert ist. In diesem Video dreht sich zum Beispiel alles um die simple Frage: Was macht uns glücklich?
Das Titelbild stammt von Alessia Chinazzo. Vielen Dank dafür!
Hallo,
echt klasse, was Kwerfeldein immer wieder im Netz findet.
Die Doku über Willi Ronis hatte ich schon auf Arte gesehen. Hat mir gut gefallen …
Der Bericht über die Hochzeitsfotografen in den USA finde ich wirklich erschreckend. Wenn ich so etwas lese, schäme ich mich, christlich erzogen worden zu sein. Einige Amis habe es immer noch nicht verstanden, dass alle Menschen gleich sind – egal welche Hautfarben, Religion oder sexuelle Gesinnung … Kein Wunder, bei dem derzeigiten Präsidenten …
Der direkte Link zu Female Photoclub zeigt eine Fehlermeldung. Einfach auf dies klicken:
https://femalephotoclub.com/corona-diaries
Es sind einige interessante Arbeiten dabei …
Und der Bericht über die Rechtlichen Aspekte (Bundesverfassungsgericht) fand ich auch sehr spannend.
Erinnert mich wieder einmal daran, welche Wertschätzung ich beim Fotografieren gegenüber den Menschen haben sollte.
Euch allen eine schöne Woche …
Danke für den Hinweis, der Link zum Female Photoclub ist korrigiert.
„… die dagegen klagen, rechtlich auch Hochzeiten zwischen zwei gleichgeschlechtlichen Eheleuten fotografieren zu müssen …“
Hmmm, MUSS ein Hochzeitsfotograf einen Auftrag annehmen? Darf er nicht ablehnen?
Ich war jahrelang (offiziell, vor der Steuer bin ich es noch) im Nebenberuf Fotograf, und lehne einen Auftrag, wenn ich irgendetwas daran nicht mag, einfach ab, und nenne nicht einmal einen Grund.
Elke schreibt:
Sonntag, 12. Juli 2020 um 09:26 Uhr
„Einige Amis habe es immer noch nicht verstanden, dass alle Menschen gleich sind – egal welche Hautfarben, Religion oder sexuelle Gesinnung … Kein Wunder, bei dem derzeigiten Präsidenten …“
Sieh das doch positiv: Virginia ist einer der erzkonservativen Südstaaten im Bible Belt, und inzwischen müssen Mitglieder der Southern Baptist Convention schon klagen, weil ihnen die Gesetze zu liberal sind. Das ist doch klasse!
Es mag meinen Vorstellungen zwar so gar nicht entsprechen, Aufträge aufgrund der sexuellen Neigung meines Kunden abzulehnen, doch denke ich, man sollte die Haltung des Fotografen respektieren – so schräg die auch sein mag.
Ein befreundeter, selbständiger Zimmermann hat hier kürzlich einen Auftrag einer aktiven AFD-Politikerin abgelehnt – was ich sehr gefeiert habe.
Es ist nur fair, beides zu akzeptieren.
Ich vermute, dass es nur ein vorgeschobener Grund ist, um gegen das Antidiskriminierungsgesetz zu klagen – Hochzeitsfotografie ist ein emotionales Thema und besonders sensibel, da es sich ja um „den schönsten Tag im Leben“ handelt. Dadurch lässt sich schnell und einfach Stimmung machen, da es ja auch um Werte (wie bspw. Familie) geht, die traditionell von den Konservativen besetzt werden [1]. Diese Leute könnten ja theoretisch auch einfach Termingründe vorschieben, wobei ich da aber auch in der sozialen und juristischen Situation der USA zu wenig bewandert bin, um das anständig beurteilen zu können.
Aus eigenem Wohlbefinden heraus liegt es meiner Meinung nach an der Kundschaft insgesamt, ob sie von Leuten ihre Hochzeit fotografieren lassen wollen, die offensichtlich ein menschenverachtendes Weltbild und kein Interesse daran haben, den „schönsten Tag im Leben“ des Paares angemessen festzuhalten. Schließlich wirkt sich das ja dann – trotz handwerklicher Professionalität – auch auf die Fotos aus.
Was den Vergleich mit AfD und LGBTQIA angeht muss ich allerdings widersprechen. Ich kann beide Situationen nicht gleichsetzen, denn die AfD (wie alle Rechtsradikale) vertreten bewusst und aktiv ein Menschenbild, das an Abscheulichkeit kaum zu überbieten ist, während die sexuelle Orientierung eines Menschen Teil der Persönlichkeit und damit des Menschen selbst ist. Bei der sexuellen Orientierung gibt es aus meiner Sicht nichts zu debattieren, denn ich kann mir nicht aussuchen, zu welchem Menschen ich mich hingezogen fühle (einige Konservative mögen das noch anders sehen), wohingegen ich mir aber sehr wohl aussuchen kann – Vorsicht, jetzt wird gegen die Netiquette verstoßen –, ob ich ein Arschloch sein möchte oder nicht.
[1]: George Lakoff geht in seinem Buch „Don’t Think Of An Elephant!: Know Your Values And Frame The Debate“ auf die Frage der Frames sehr gut ein, kann ich in diesem Zusammenhang sehr empfehlen.