02. Juli 2019 Lesezeit: ~10 Minuten

Instagram: Freund oder Feind?

Ja, der Titel klingt dramatisch, aber ich habe wirklich das Gefühl, dass diese Plattform wie kaum eine andere polarisiert. Für manche ist Instagram nicht mehr aus ihrem Leben wegzudenken und für einige ist es der Inbegriff des bösen amerikanischen Unternehmens schlechthin. Ich möchte in diesem Artikel erklären, warum es für Kreative durchaus Sinn macht, sich mit der Plattform zu beschäftigen, ohne die Kritikpunkte außer Acht zu lassen.

Kritikpunkt 1: Influencer*innen nehmen uns die Jobs weg

Einzelpersonen, die von Firmen Geld bekommen, um Werbung zu machen, sind tatsächlich ein eher neues Phänomen. Diese sogenannten Influencer*innen findet man auf Instagram besonders häufig. Dabei müssen einige von ihnen anscheinend nichts Besonderes können, solange sie eine hohe Reichweite besitzen. Ihre Fotos und auch die Texte sind nicht immer besonders beeindruckend – in einigen Fällen sogar mehr als peinlich, wie man in der Sammlung Perlen des Influencer-Marketings sehen kann.

Ein Grund also, warum vor allem Werbe- und Produktfotograf*innen Instagram eher kritisch sehen. Denn plötzlich gehen die Jobs nicht mehr an sie, sondern an meist ungelernte Menschen. Aber ist das wirklich so?

Sicher fließt das Werbebudget der verschiedenen Firmen nun auch in das Marketing per Influencer*innen. Gleichzeitig benötigen diese Firmen für ihre Instagram-Auftritte aber auch regelmäßig neue Fotos und verlassen sich dafür selten ausschließlich auf die Influencer*innen. Der Markt ist größer geworden und Instagram erschließt neue Jobs. So berichtete mir kürzlich eine gelernte Fotografin, dass sie gerade einen großen Auftrag bekommen hat: Produktfotos für Instagram erstellen. So gut bezahlt wie bisher andere Aufträge für Produktbilder, die in Magazinen oder Katalogen erschienen sind.

Fazit: Stimmt halb, denn es gehen zwar Aufträge an Influencer*innen, gleichzeitig erweitert Instagram auch den Markt. Es werden durch Instagram generell mehr Fotos benötigt und diese zusätzlichen Jobs gehen auch an Fotograf*innen.

Instagramlogo

Kritikpunkt 2: Ich übergebe meine Bildrechte an Instagram

Laut den Nutzungsbedingungen übergibst Du Instagram „eine nicht-exklusive, übertragbare, unterlizenzierbare und weltweite Lizenz, Deine Inhalte zu hosten, zu verwenden, zu verbreiten, zu modifizieren, auszuführen, zu kopieren, öffentlich vorzuführen oder anzuzeigen, zu übersetzen und abgeleitete Werke davon zu erstellen“. Das klingt tatsächlich gewaltig und muss näher erklärt werden.

Zunächst ist es wichtig zu wissen, dass man die eigenen Rechte (wie das ohnehin nicht veräußerliche Urheberrecht) gar nicht abgibt, sondern Instagram Nutzungsrechte einräumt. Natürlich gehören auch weiterhin Deine Bilder sowie alle damit verbundenen Rechte Dir, auch wenn Du Instagram nutzt. Instagram benötigt tatsächlich entsprechende Nutzungsrechte, um Bilder überhaupt auf den Servern speichern und anderen Menschen zeigen zu dürfen. Ohne diese Rechte wäre das Konzept von Instagram rechtlich gar nicht möglich.

Gleichzeitig ergibt sich aus der abgegebenen Lizenz aber tatsächlich auch die Möglichkeit, dass Instagram die hochgeladenen Inhalte ungefragt für Werbung nutzt. Laut Instagram ist das nicht die Absicht und hier muss man wohl vertrauen oder eben nicht. Ich habe mich für das Vertrauen entschieden, weil es für mich undenkbar ist, dass Instagram die wichtigste Einnahmequelle – die Nutzer*innen – aufs Spiel setzt, um an Fotos für Werbung zu kommen.

Im Übrigen kann man diese Lizenz jederzeit beenden, indem man das jeweilige Bild oder das komplette Konto löscht. Hierzu sagt Instagram aber selbst: „Inhalte erscheinen allerdings weiterhin, wenn Du sie mit anderen Personen geteilt hast und diese sie nicht gelöscht haben.“

Fazit: Stimmt halb: Man gibt Instagram Nutzungsrechte, die die Plattform jedoch benötigt, um den Dienst überhaupt anbieten zu können.

Kritikpunkt 3: Auf Instagram geht es nur um Selbstdarstellung, Make-Up oder süße Tierbabys

Instagram wird geformt durch die Menschen, die diese Plattform nutzen. Und sicher gibt es dort (wie ungefähr überall im Internet) eine Menge Dinge, die mich nicht interessieren und die ich zum Teil recht fragwürdig finde. In meiner Timeline finde ich solche Sachen jedoch nicht, denn hier sehe ich nur Inhalte von Accounts, denen ich folge. Wenn jemand etwas postet, das ich nicht sehen möchte, dann folge ich dem Account nicht mehr. Ich kann also sehr gut selbst kontrollieren, was Instagram mir anzeigt und was nicht.

So lebe ich auf Instagram in meiner eigenen kleinen Blase. Ich sehe unglaublich viele Bilder von Profifotograf*innen und anderen Kreativen, dazwischen ein wenig Interieur und – ja, auch – Tierbabys. Aber selbst gewählt! Ich würde behaupten, es gibt auf Instagram nichts, was es nicht gibt.

Auch Instagram-kritische Accounts findet Ihr hier. Meine Favoriten sind @genderless_nipples, das sich gegen die Zensur von weiblichen Brustwarzen auf Instagram wehrt und @insta_repeat, das aufzeigt, wie viele ähnliche Bildmotive genutzt werden.

Fazit: Stimmt nicht! Als Erwachsene ist der Kritikpunkt für mich hinfällig. Ich weiß, was ich sehen möchte und bin mir gleichzeitig meiner Blase bewusst. Jugendliche (die Plattform ist bereits ab 13 Jahren nutzbar!) würde ich beim Umgang damit aber unbedingt begleiten.

Katze schaut in einen Monitor

Kritikpunkt 4: Es ist zu spät, um auf Instagram erfolgreich zu werden

15 Millionen Menschen nutzen Instagram allein in Deutschland, eine Milliarde Menschen sind es weltweit. In dieser Masse aufzufallen, ist tatsächlich nicht leicht. Wenn Du Deinen Erfolg an der Zahl der Follower*innen festmachst und beginnst, Dich mit Menschen wie @berlinstagram oder @_foodstories_ zu vergleichen, wird es noch schwerer.

Die Frage ist, was man wirklich von Instagram erwartet und wozu man es nutzen möchte. Ich zeige auf meinem Foto-Account einfach meine aktuellen Arbeiten, ohne Erwartungen. Hin und wieder flattert mal eine kleine Anfrage herein, aber ich nutze es vorrangig, um Bekannten und einigen Kreativen zu folgen, auf dem neuesten Stand zu bleiben und mich zu inspirieren.

Insbesonders Fotograf*innen, die mit direkter Kundschaft arbeiten – etwa in der Hochzeits- oder Portraitfotografie – werden immer seltener über ihre Webseiten gefunden, sondern bekommen vermehrt Anfragen über Instagram. Dafür braucht es dann keine 20.000 oder gar 200.000 Follower*innen, sondern es reichen auch schon 2.000 aus der Region, die Interesse haben und Deine Dienstleistungen weiterempfehlen. Es ist zugegebenermaßen etwas befremdlich, eine Jobanfrage über den Instagram-Nachrichtendienst zu verhandeln, aber wenn die Kundschaft die Plattform nutzt, sollte man sich vor ihr nicht komplett verschließen.

Fazit: Stimmt, es ist zu Beginn schwer, auf Instagram bekannter zu werden und die Aufmerksamkeit möglicher Kundschaft zu gewinnen. Man darf aber auch nicht in den Größenwahn verfallen und nur auf die bloßen Zahlen zu schauen.

Viele Handys auf einem Konzert

Kritikpunkt 5: Auf über 1.000 Follower kommt man heute nicht mehr ohne Geld

Um auf Instagram Aufmerksamkeit zu generieren, muss man vor allem eins tun: Aktiv sein. Wenn man nur Fotos hochlädt und wartet, wird niemand sie sehen, auch wenn sie noch so toll sind. Und auch die 20 Hashtags unter den Bildern werden nur wenig helfen. Oder wann hast Du das letzte Mal nach so allgemeinen Begriffen wie „photography“ oder „flower“ auf Instagram gesucht? Richtig, niemals, niemand tut so etwas!

Es gibt durchaus Hashtags, die funktionieren, aber man muss sie kennen. Und es macht einen besseren Eindruck, wenn man nur wenige wirksame Hashtags einsetzt, als unter das Bild wahllos eine endlose Liste Hashtags zu setzen.

Aufmerksamkeit erhält man viel eher durch Kommentare, Likes und indem man anderen folgt. Bekomme ich einen ausführlichen Kommentar auf eines meiner Bilder, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass ich auf dem Account vorbeischaue. Und wenn mir gefällt, was ich sehe, folge ich vielleicht zurück. Auch ein Like oder ein Follow bringt mich hin und wieder in einer gelangweilten Sekunde auf neue Accounts.

Allerdings ist es unglaublich mühsam, so vielen Menschen zu folgen, dass der Account schnell wächst. Auf 50 Likes kommt vielleicht ein Follow zurück und auf 20 Kommentare ein Follow – Geduld ist hier gefragt. Oder tatsächlich Geld.

Genau hier setzen viele Menschen sogenannte Bots ein, die automatisch kommentieren, liken und Dir folgen (nur, um Dich am nächsten Tag wieder zu entfolgen). So etwas fällt immer wunderschön auf, wenn man unter einem Zitat plötzlich einen Kommentar wie „Tolles Foto!“ lesen kann. Diese Bots kosten Geld und sind laut Instagram nicht legal. Aber wer sie nutzen möchte, findet sie sehr leicht. Und sie haben einen Vorteil: Sie bringen reale Follower*innen.

Anders als die gekauften Follower*innen, an die die meisten Menschen beim Stichwort Bot wohl denken, diese sind nicht real. Dabei kauft man im Grunde tote Fake-Accounts, die man zum Teil auch sehr leicht als solche erkennt. Weil sie zum Beispiel bereits 15.145 Menschen folgen oder weil sie nur zwei Selbstportraits eines alten Inders zeigen, der nicht so aussieht, als ob er sich jetzt wirklich für einen Hochzeitsfotografen aus Düsseldorf interessiert.

Man kann Accounts mit diesen gekauften Follower*innen auch leicht erkennen, da es bei 100.000 Follower*innen etwas seltsam anmutet, wenn nur zwei Leute das aktuelle Bild kommentieren. Natürlich kann man sich für dieses Problem auch einzelne Likes kaufen, aber Ihr merkt schon, wie teuer das wird. Und am Ende habt Ihr immer noch keine echten Menschen, die Eure Bilder oder Dienstleistung kaufen. Nur eine große, nichtssagende Zahl.

Fazit: Stimmt halb, die meisten Accounts, die unglaublich schnell wachsen, nutzen sehr wahrscheinlich Bots. Bekannt zu werden braucht in der Regel viel Zeit und macht Arbeit, wenn man kein Geld einsetzt.

Roboter

Ich möchte mit diesem Artikel niemanden dazu anstiften, Bots zu benutzen. Ich möchte Menschen, die sich frisch mit Instagram beschäftigen, nur aufzeigen, wie die Plattform funktioniert. Und das ist auch nur ein sehr grober Überblick, denn es gibt so viele Methoden und versteckte Funktionen, dass man ganze Bücher damit füllen könnte, etwa zu Statistiken, Farbschemata oder Werbeanzeigen. Aber dazu vielleicht beim nächsten Mal.

Schreibt mir gern, wenn Euch das Thema in der Tiefe interessiert oder Wünsche habt, was wir rund um Instagram noch genauer erklären sollen. Ich habe mich für kwerfeldein in den letzten Jahren mehr als mir lieb ist mit der Plattform beschäftigt und freue mich, wenn ich meine Erkenntnisse weitergeben kann.

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