Als mich im November letzten Jahres meine Mama mit den Worten „Du musst aufstehen, Deine Oma ist gestorben“ weckte, konnte ich es nicht wirklich begreifen. Selbst nach über acht Stunden Fahrt Richtung Ungarn fühlte sich alles so unwirklich an. Mein Kopf war so blockiert, dass ich es einfach nicht realisieren konnte.
Erst als wir uns am nächsten Morgen zum Haus meiner Oma aufmachten und ich den Sessel sah, auf dem sie immer gesessen hatte, machte es Klick. Ich realisierte nun, dass es keine gemeinsamen Gespräche über Gott und die Welt mehr geben würde, keine Festmahle mit riesigen Töpfen gefüllt mit Gulasch, Nudeln und anderen Leckereien. Kein Fernsehgeräusch mehr aus dem Hintergrund und auch keine mahnenden Worte über den Konsum von Zigaretten.
All das begriff ich erst, als ich in diesem leeren Haus stand. Ein Geruch, gemischt aus Insulin und frisch eingekochter Pfirsichmarmelade, stieg mir in die Nase. Alles war genau so, wie sie es hat liegen lassen. Genau so, als wäre die Zeit stehen geblieben.
So ruhig war es hier schon seit Jahren nicht mehr. Die nächsten Tage besuchte ich immer wieder das Haus für ein paar Stunden, um zu fotografieren. Es waren wunderbare Stunden der Ruhe, schon fast eine Art Meditation. Tränen flossen keine, viel mehr unterhielt ich mich in Gedanken mit meiner Oma. Ich stellte Fragen, quatschte über alte Erinnerungen und erzählte ihr von meinen Zukunftsplänen. Mir war klar, dass ich nie eine Antwort bekommen werde, aber im tiefsten Inneren weiß ich, dass sie mir zugehört hat!
Das Fotografieren in ihrem Haus half mir, den Verlust zu verarbeiten, weshalb ich es nur befürworten kann, sich mit dem Tod eines geliebten Menschen auseinanderzusetzten, statt ihn zu verdrängen und bloß nicht über das Geschehene nachzudenken. Für mich hat dieses Projekt einen besonders hohen emotionalen Wert und daran möchte ich auch in meinen nächsten Projekten anknüpfen. Die Bilder wurden mit einer Fuji x100s aufgenommen. Manchmal fotografiere ich auch analog.