Mädchen Unterwasser
04. März 2016 Lesezeit: ~4 Minuten

Leidenschaft, die Leiden schafft

Wenn ich mich mit anderen Fotografen unterhalte, kommen wir des Öfteren immer wieder auf ein Thema: Man ist unzufrieden, man hat das Gefühl, in der eigenen Entwicklung stehen zu bleiben, man wiederholt sich selbst. Diese tiefen Löcher, in die man fallen kann, kennt wohl fast jeder, der sich ernsthaft mit der Fotografie auseinandersetzt.

Es ist genauso wie bei einem Musiker, der ein geniales erstes Album aufgenommen hat. Jeder und gerade er selbst erwarten beim zweiten Album eine stetige Weiterentwicklung. Oft verkrampft dadurch der Künstler und es wirkt verkopft. Am Ende sagt man dann immer: „Sing mal wieder so, wie bei Deinem ersten Album.“

Eine Frau hält sich die Hände vor das Gesicht. Auf ihrer Brust brennt eine Lichterkette.

Die eigene Entwicklung legt einem eine größere Last auf, als man am Anfang denkt. Der Anfang ist immer so leicht und unbeschwert, es gibt so viel auszuprobieren, alles ist neu, alles fühlt sich aufregend an. Irgendwann findet man aber das Gebiet, das einem am meisten zusagt. Die Lernkurve flacht ab, und die Erfolgserlebnisse verlangsamen sich und bald merkt man, was funktioniert. Das ist auch gleichzeitig die größte Gefahr, denn es kommt zum Stillstand in der Entwicklung, nur weil etwas funktioniert.

Ich verdiene mein Geld mit der Fotografie, bin dadurch sehr oft an Kundenwünsche gebunden und setze diese um. Würde ich aber keine freien Projekte umsetzen, würde ich sehr schnell die Liebe zur Fotografie verlieren. Die freien Fotosessions geben mir Kraft und ich kann Dinge ausprobieren, die ich dann wiederum bei meinen Kunden umsetzen kann. Natürlich kostet ein freies Projekt Zeit – aber dadurch verwirkliche ich Gefühle und Ideen, die in meinem Inneren Stecken. Ich suche mir in den freien Projekte meine Ventile.

Schwarzweiß-Portrait einer Frau mit Lichtstreifen.

Als Fotograf denkt man oft, man ist Einzelkämpfer, man sitzt im Homeoffice, im eigenen kleinen Atelier oder Studio und kocht das eigene Süppchen. Dabei ist mir aufgefallen, dass ein Austausch zwischen vermeintlichen Konkurrenten einem sehr viel mehr bringen kann, als man ahnt. Dabei rede ich nicht von einem überteuerten Workshop, der Dir am Rande nur eine kleine Geschichte erzählt, sondern davon, sich zu treffen – auf Augenhöhe.

Frag die Fotografen an, die Dich begeistern, gerade wenn diejenigen in Deiner Stadt wohnen und schau mal hinter die Fassade der Fotos, die Dich selbst begeistern. Dabei wirst Du merken, dass jeder nur mit heißem Wasser kocht. Klar hat der eine oder andere ein paar Tricks, aber oft ist es das Wesen eines Menschen, das die Fotos bestimmt.

Frau zwischen Seifenblasen

Vielleicht enttäuscht Dich das Treffen sogar, weil Du mit zu hohen Erwartungen herangegangen bist. Aber Du wirst anfangen, Fotos anders zu betrachten. Andere Personen, die Deine Leidenschaft teilen, lösen in Dir Denkprozesse aus.

Dabei entsteht vielleicht sogar ein neues Projekt im Kopf. Ob es eine Serie oder eine längere Auseinandersetzung mit einem Thema ist, ist dabei egal. Solange man sich ausprobiert, gibt es auch keine Fehler, die man machen kann. Es geht darum, sich selbst zu finden. In der Fotografie, aber auch als eigenständiger Mensch.

Eine Frau durch eine Autoscheibe fotografiert.

Einer meiner Lieblingsmusiker sagte einmal: „Du bist, was du isst.“ Das funktioniert für mich als Fotograf auch: „Du bist, was du fotografierst.“ Bist Du ein provokanter Typ, wirst Du sehr wahrscheinlich auch „lautere“ Bilder fabrizieren, bist Du eher jemand von der nachdenklichen Sorte, hast Du wahrscheinlich eher den Hang zur melancholischen Fotografie.

Wenn Du eine neue Idee hast, dann probiere sie aus.
Wirf Deine eigenen Maßstäbe über Bord.
Man kann es nie allen recht machen, muss man auch nicht.

Wenn man sich mit der Art, mit der man selbst fotografiert, wohlfühlt, kann man auch versuchen, mit dem eigenen Stil einen neuen Level zu erreichen. Trotzdem sollte man nicht nur das machen, was „funktioniert“, sondern das, wonach man sich fühlt. Wenn Du Bock hast, Dich auszuprobieren, mach weiter. Es kann nichts passieren.

12 Kommentare

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  1. Da gebe ich dir vollkommen Recht. Der Austausch ist sehr wichtig für die eigene Inspiration.

    Die Frage die jetzt noch bleibt ist, wann kommst du mal in meine Gegend (Karlsruhe), damit wir uns austauschen können, denn deine Fotos sind echt großartig. :)

  2. Do you know what you are?
    You are what you is
    You is what you am
    (A cow don’t make ham…)
    You ain’t what you’re not
    So see what you got
    You are what you is
    An‘ that’s all it ‚tis…

    Bild 4 gefällt mir sehr gut- das sind immehin 25%

    Ich denke Frust kommt immer mal wieder auf, aber so lange der Spass nicht gänzlich auf der Strecke bleibt und man für alles offen bleibt, wird es auch weitergehen. Inspiration entsteht bei mir durch die Verarbeitung persönlicher Eindrücke, und das klappt mal besser und mal nicht so gut – wakajawaka…
    //MAtz

  3. Mal ein Frage. Was machst du wenn du eine Anfrage für ein Treffen von einem angehenden Fotografen bekommst den du inspirierst, du aber keine Inspiration in seinen Arbeiten findest. Erinnerst du dich dann an deine Anfänge zurück oder triffst du dich nur mit Leuten, wo du selber einen Nutzen siehst?

    • Eine ganz einfache Zeitfrage, ich glaub wenn es zeitlich passt – treffe ich mich gerne mit sehr vielen Menschen. Nur durch Austausch kommt man weiter und nur weil es mir persönlich vielleicht nicht super viel bringt, lehne ich ein treffen nicht ab. Es muss halt nur zeitlich passen. Aber gerade bei FotoMeetups kann man sich gut austauschen. Das ist so derzeit meine Lieblingsform des kreativen Austausches.

  4. Sehr interessanter Artikel! Ich selbst bin auch oft an dem Punkt, wo ich merke, dass ich einmal wieder ein freies Shooting brauche. Oftmals verfällt man darin, einen Kunden nach dem anderen zu fotografieren. Dabei vergisst man, wie wichtig es ist, sein Tun immer wieder zu entschleunigen – sprich eigene, freie Projekte zu organisieren bei denen man wieder durchatmen kann.

  5. Gerade der letzte Abschnitt hat mich wirklich zum Nachdenken gebracht. Ich erwische mich so oft dabei, wie ich meine Fotos mit denen anderer Fotografen vergleiche, die ich bewundere. Fotografen, die extreme Situationen festhalten oder zum Beispiel emotionale Selbstportraits schießen. Ich komme bei meinen Fotos immer wieder zurück auf die kleinen Dinge des Alltags, das Unspekatuläre und frage mich dann, wieso ich es nie schaffe, dramatische oder provokante Fotos zu schießen. Meine eigenen kommen mir im Vergleich dazu nichtssagend vor. Denke ich zu klein, bin ich flach?

    Aber jede Person, wie du sagst, ist anders und das spiegelt sich in der Fotografie wieder. Ich bin jemand, der keine großen Gesten, dramatische Auftritte oder die Selbstdarstellung mag, und dass sich das in meinen Bildern wiederspiegelt, ist nichts schlechtes.

    Danke für den Denkanstoß!

  6. Ein schöner und wahrer Beitrag, danke dafür!
    Der Austausch ist unglaublich wichtig und da habe ich in Mannheim wirklich Glück. Fotostammtisch, Fototalk im Reiss-Engelhorn-Museum, die Werkstätte für Fotografie und, und, und…
    Wer in der Nähe wohnt, kann sich gerne melden!

  7. Danke für den Artikel! Ich bin Hobbyfotograf und gerade an einem Punkt, wo ich mit meinen Fotos nicht mehr zufrieden bin. Das kann einen ziemlich zermürben. Ihr Artikel hat mich beflügelt, in mich zu gehen und für mich zu klären, wohin die Reise gehen soll. Ich glaube es geht in die Richtung einer emotionalen Minimalismus-Fotografie.