Die Kunst von Niina Vatanen
04. Juli 2015 Lesezeit: ~4 Minuten

Niina Vatanen über Verlust und Erinnerung

Kwerfeldein ist für ein großes Spektrum fotografischer Genüsse bekannt. In unserem heutigen Artikel kommen die Kunstliebher_innen auf ihre Kosten, denn wir dürfen die Arbeiten von Niina Vatanen vorstellen, die kürzlich im C/O Berlin zu sehen waren.

Die Fotografie als Medium, so mögen böse Zungen behaupten, steckt in der Krise. Es ist leichter geworden, ein technisch perfektes Bild zu gestalten. Die Auseinandersetzung mit Inhalten fällt vielen Fotograf_innen immer noch sehr schwer.

Es braucht eine Fotografie, die mit künstlerischen Mitteln informiert, bildet und hinterfragt. Dadurch bleibt die Fotografie nicht nur Zeitzeuge, sondern verändert auch Wahrnehmungen von Menschen.

Im Rahmen der Reihe „Thinking about Photography“ stellt das C/O Berlin neue Tendenzen und künstlerische Entwicklungen innerhalb der Fotografie vor. Niina Vatanen war kürzlich Teil dieser Reihe. Eine Ausnahmekünstlerin, die hervorragend in den aktuellen Diskurs passt.

Niina Vatanen ist eine in Helsinki lebende Künstlerin. Ihre Arbeiten sind durch neue Produktions- und Präsentationsformen innerhalb der Fotografie gekennzeichnet. Damit gehört sie zu einer neuen Generation konzeptioneller Künstler_innen, die die Kamera als Mittel zur kritischen Auseinandersetzung mit der Umwelt begreifen.

Sie verwendet unter anderem alte Fotografien und fügt ihnen neue Bedeutungsebenen hinzu. Durch das Hinzufügen verschiedener Schichten macht sie sichtbar, was das bloße Auge nicht erfassen kann. Im Zentrum ihrer Arbeiten steht die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Erleben von Menschen. Ihre Arbeiten leiten unter anderem einen visuellen Diskurs über Wahrnehmungsphänomene ein.

Sie interessiert sich besonders dafür, wie Menschen die Gegenwart erleben und welche Bedeutung Vergangenes – zum Beispiel in Form von Erinnerungen – für Menschen hat.

Niina Vatanens Serie „Grey Diary“ stellt eine Auseiandersetzung mit dem Verlust von Menschen dar, die das eigene Leben begleitet haben. Im Zentrum dieser Arbeit steht ihr Stiefvater und die Lücke, er hinterlässt.

Die Künstlerin kombiniert verschiedene Medien, wie beispielsweise Fotografien, alte Postkarten, Landkarten des Stiefvaters und Zielscheiben, die er hinterließ. Durch das Hinzufügen von Klebepunkten, die auf Schießständen zum Kitten von Einschusslöchern verwendet werden, macht sie den Verlust des Stiefvaters spürbar.

Baum mit Klebepunkten

Klebepunkte auf dem Bild eines jungen MannesZwei Postkarten eines Steifvaters

Klebepunkte auf einer Leinwand

In einer weiteren Serie namens „Archival Studies/A portrait of an invisible woman“ sammelte Niina Vatanen Fotografien aus dem Archiv des Finnischen Museums für Fotografie. Im Zentrum der Arbeit steht das Leben der Amateurfotografin Helvi Ahohnen.

Aus 5.000 Negativen hat Niina Vatanen die Geschichte der unbekannten Fotografin interpretiert. Ihre Arbeit verdeutlicht damit auch, dass ein Foto immer nur ein Versuch sein kann, Erinnerungen an die Vergangenheit festzuhalten.

Indem sie neue Bedeutungsebenen zufügt, wird die Verzerrbarkeit von Erinnerung verdeutlicht. Das persönliche Fotoarchiv erhält den Charakter eines besonders wertvollen Schatzes.

Eine Frau hält einen Vogel in der Hand.

Ein Dreieick auf einer Bäuerin

Menschen sitzen um Boot

In ihrer Serie „Cloud Hunter’s Eyes“ greift sie ebenfalls die Thematik der Wahrnehmung von Erinnerung auf. Komplexe menschliche Wahrnehmungen sind wesentlich von Zeit, Raum und Vorerfahrungen abhängig. Menschen nehmen durch Impulse ihre Umwelt unterschiedlich wahr.

Niina Vatanen verwendet die Metapher des Wolkenjägers, um den besonderen Moment der individuellen Wahrnehmung zu verbildlichen. Sie konzentriert sich in ihrern Bildern auf die Idee der sich stetig wandelnden Wolke, die nur in einem jeweiligen Moment von einer jeweiligen Person auf eine bestimmte Art und Weise gesehen werden kann.

Niina Vatanen verdeutlicht damit, dass es keine gänzlich objektiven (oder „richtigen“) Sichtweisen gibt. Bilder bleiben nur Mittel, die unsere Fantasie unterschiedlich anfüttern können.

Eine Frau hält ein Fernrohr in der Hand

Ein Tuch liegt auf einer weißen Decke.

Eine Person kämmt einer Anderen das Haar.

Das Bild eines Berges gespiegelt

Für Niina Vatanen sind Bilder komplexe Mischungen aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Bilder sind dabei immer nur Versuche, etwas von dem, was war, festzuhalten. Laut Niina Vatanen liegen daher die bedeutsamsten Dinge in der Gegenwart.

Wer mehr über Niina Vatanen erfahren möchte, kann auf ihrer Webseite nachschauen oder sich ihre Buchveröffenlichungen „Archive Play“* oder „A room’s memory“* zu Gemüte führen.

* Das ist ein Affiliate-Link zu Amazon. Wenn Ihr darüber etwas bestellt, erhält kwerfeldein eine kleine Provision, Ihr zahlt aber keinen Cent mehr.

14 Kommentare

Die Kommentare dieses Artikels sind geschlossen. ~ Die Redaktion

  1. „Niina Vatanen war kürzlich Teil dieser Reihe. Eine Ausnahmekünstlerin, die hervorragend in den aktuellen Diskurs passt.“ – was ist eine „Ausnahmekünstlerin“?

    • Ich nehme an, die Bezeichnung „Ausnahmekünstlerin“ zeigt an, dass Kat Kapo von der gesehenen Ausstellung sehr beeindruckt war/ist. Das sagt mir auch der Rest des Artikels.

      So ganz kann ich die Begeisterung nicht nachvollziehen, das könnte aber daran liegen, dass ich nur kleine Bilder auf dem Laptop sehe und nicht die Ausstellung selbst.

  2. Tippfehler, letzter Statz. Es heißt sicher nicht Steifvater :)

    Ansonsten finde ich die Bilder relativ nichtssagend. Das einzige was sie mir sagen ist das sie auch in einem Werbespot für Viva oder MTV laufen könnten, da dort auch sehr oft mit Formen gearbeitet wird.

  3. Was soll denn jetzt bitte Ausnahme an dieser Künstlerin sein? „Grey Diary“: eine Arbeit, bei der das Konzept das hinter den Arbeiten steht wesentlich spannender klingt als die Arbeiten letztendlich sind.

    „Archival Studies/A portrait of an invisible woman“ : Arbeiten einer anderen Fotografin mit Overlays über den offensichtlichen Blickpunkten versehen. Wo wird da die“Verzerrbarkeit von Erinnerung verdeutlicht“? Und was soll dass heißen: „Das persönliche Fotoarchiv erhält den Charakter eines besonders wertvollen Schatzes“ Hatte es das vorher nicht? Wurde es erst wertvoll weil die Künstlerin die Fotos verwurstet hat? Ich weiß ja nicht ob das die Gedanken der Künstlerin selber sind, oder die Ansicht des Redakteurs, aber wenn ja finde ich die Aussage ganz schön anmaßend.

    Und „Cloud Hunter’s Eyes“ beinhaltet die selbe Art Fotos von Menschen die „bedeutungsvoll“ nicht in die Kamera sehen und auf eine „bedeutungsvolle“ art Dinge tun die……na ja….. nichtssagend sind, wie sie hier schon dutzendweise vorgestellt wurden. Und dazu die Fotos von Dingen. Das Taschentuch…Hammer!

    Nichts außergewöhnliches. Einzig die „Red Letters:::“ sind irgendwie bemerkenswert. Aber schon beim zweiten ist da deutlich die Luft raus.
    Wo ist da die Ausnahme???? Was wird denn durch die Arbeit der Künstlerin sichtbar was vorher unsichtbar war? Wie verändern die Arbeiten die „Wahrnehmungen von Menschen“?
    Sorry, wenn dies die neue“ Generation konzeptioneller Künstler_innen“darstellen soll dann kann ich schon verstehen wenn man die Fotografie als Medium in der Krise sieht.
    Aber vielleicht bin ich auch einfach kein Kunstliebhaber! Mein Ding ist dies hier eindeutig nicht.

    • Ein Dreieck, ein paar Punkte oder Linien über ein Foto gelegt macht noch keine Kunst. So sehe ich das. Das ist wie wenn einer laut „Hurz“ schreit, und alle diskutieren darüber was der Künstler damit sagen will. Nee, Freunde, da muss man einfach mal die Kirche im Dorf lassen. Aber ich glaube schon eher dass wir es mit einer Satire zu tun haben, Lars Licht und so…

  4. Wirklich erschreckend, wie abfällig hier einige die Fotos kommentieren. Man muß ja nix mit den Fotos oder den Erläuterungen anfangen können, aber daraus mal wieder den Untergang der Fotografie anzuleiten, ist gelinde gesagt @#!\*§.
    Na, wer sagt als erster „Geschwurbel“ zu dem Text?

    Wahrscheinlich ist es am sinnvollsten, Kunstfotografie ohne Interpretationen von Seiten der Redaktion zu veröffentlichen.

    • Nö…….. hat er nich.

      Aber um zum Artikel zurückzukehren: ich denke mal man sollte hier weniger die Künstlerin ( und ich bitte zu beachten, daß ich hier stets von Künstlerin rede) als den Artikel in der Kritik sehen. Denn er baut beim Leser eine Erwartungshaltung aus die die Werke meiner Meinung nach nicht einhalten können.

  5. Ich habe die Serie im C/O auch gesehen und fand sie wunderbar.
    Teils auch wegen der hier dargestellten Gründe, vor allem aber wegen
    der tollen Kompositionen. Die konnte ich mir längere Zeit begeistert
    anschauen.