Tamron 15-30mm f/2.8 Objektiv von oben
22. Mai 2015 Lesezeit: ~10 Minuten

Ein Weitwinkel-Riese: Tamron 15-30mm f/2.8

Achtung, es folgt ein sehr subjektiver Testbericht eines brandneuen Objektives der Firma Tamron. Ohne Testcharts und Korinthenkackerei. Und nein, Tamron zahlt für diesen Test hier keinen Cent an kwerfeldein.

Trotzdem habe ich in verschiedenen Praxis-Situationen getestet, was das Objektiv hergibt und für wen es sich meiner Meinung nach besonders eignet. Marken sind Schall und Rauch – das einzige, was zählt, sind Benutzerfreundlichkeit, Praxistauglichkeit und Bildqualität eines Objektivs.

Über die vergangenen Jahre habe ich mich mit weitwinkligen Fotogläsern angefreundet. Das hat zwei Gründe: Erstens bekommt man viel aufs Bild, auch wenn man nah am Geschehen dran ist – man kann Kontext abbilden. Zweitens ist es bei Weitwinkel-Objektiven schwerer, kompositorisch und motivisch gute Fotos hinzubekommen – man muss meist nah ran und der Bildausschnitt will viel bewusster gewählt sein als bei einem Tele-Objektiv. So jedenfalls meine Erfahrung.

Nun hat Tamron eine neue Ultraweitwinkel-Linse auf den Markt gebracht. Sie steht in direkter Konkurrenz zu Canons 16 – 35 mm f/2.8 L*, Nikons 14 – 24 mm f/2.8 ED* und Tokinas 16 – 28 mm f/2.8.*

Das Objektiv deckt einen Brennweiten-Bereich von 15 bis 30 mm ab, man hat also nach unten hin etwas mehr als bei Canon und nach oben hin etwas mehr als bei Nikon und Tokina. Ich selbst habe jahrelang das Tokina besessen, öfter auch mal mit dem Canon fotografiert und kann deshalb verschiedene Vergleiche ziehen.

Objektiv liegt auf Holztisch

Das Erste, was nach dem Auspacken auffällt, sind die massive Größe und das Gewicht. Das Objektiv ist ein wahres Monstrum und erinnert mich von der Größe her schon fast an die Cine-Objektive der Firma Schneider-Kreuznach. Damit einher geht eine Gewichtsverlagerung nach vorn, die den großen und schweren Linsenelementen in diesem Objektiv geschuldet ist.

Was ambitionierten Landschaftsfotografie-Liebhabern mit einem Faible für Graufilter vermutlich gleich negativ auffällt: Es lässt sich aufgrund der weit hervorstehenden Linse keinerlei runder Filter (z. B. Hama oder B+W) oder eckiges Filtersystem (z. B. Lee) anbringen. Das ist beim Tokina 16 – 28 mm und beim Nikon 14 – 24 mm ebenfalls so.

Sonnenuntergang am grünen Feld mit Baum am Horizont

24 mm – f/5.6 – ISO 100 – 1/125 s

Ich persönlich empfinde das aber nicht als großen Nachteil, weil der Dynamikumfang heutiger Kameras bzw. meiner Kamera (einer Nikon D750) mir als Fotograf ohne perfektionistischen Anspruch für die allermeisten Belange vollkommen ausreicht. Ich erledige vieles in Lightroom. Puristen mag das nicht gefallen, aber ob ich das Licht jetzt direkt vor der Kamera oder im Rechner zum Vorteil der Bildaussage verbiege, spielt aus meiner Sicht keine große Rolle. Es zählt das Bildergebnis.

In den vergangenen Wochen habe ich das Tamron in unterschiedliche Licht- und Fotografie-Situationen mitgenommen, um die praktischen Stärken und Schwächen des Objektivs auszuloten. Ich habe bewusst auch einige Portraits damit fotografiert, um mich bei meinem Test nicht zu sehr auf Landschaft und Architektur einzuschränken.

Frau steht vor Haustor in der Altstadt

15 mm – f/2.8 – ISO 100 – 1/640 s

Und ich kann – nach ausführlichem Ausprobieren – eigentlich fast nur gute Nachrichten vermelden: Die Bildqualität kann in den meisten Momenten und Einstellungen einfach nur als „bombig“ bezeichnet werden.

Die meisten Motive werden ab Offenblende (f/2.8) schon gut scharf. Steigern lässt sich die Schärfe noch einmal durch das Schließen der Blende auf Werte zwischen f/5.6 und f/8. Rein subjektiv waren für mich die Bilder mit f/8 am schärfsten.

Nackte Knabenstatue in Klostergarten

20 mm – f/2.8 – ISO 100 – 1/2500 s

100% Crop vom Foto der nackten Knabenstatue

Ausschnitt 100 % bei 24 Megapixeln (nicht nachgeschärft)

Aber heutige Fotografen interessiert vermutlich noch eher die Offenblende-Leistung. Gerade, wenn man das Objektiv in Innenräumen oder bei schwierigen Lichtverhältnissen nutzen will, spielt das eine Rolle.

Hierzu ist zu sagen, dass sich bei komplett geöffneter Blende und 15 mm Brennweite schon eine starke Vignettierung an den Rändern bemerkbar macht. Damit haben aber alle Weitwinkel-Objektive zu kämpfen und sie lässt sich in Lightroom auch kinderleicht wegrechnen, wenn man das möchte.

Selfie mit einer alten Mittelformatkamera

15 mm – f/2.8 – ISO 100 – 1/200 s

Die Verzerrung an den Bildrändern ist – ebenfalls bei 15 mm Brennweite – natürlich deutlich ausgeprägt. Hier hatte ich den Eindruck, dass sie etwas stärker ist als beim Tokina 16 – 28 mm und auch beim Canon 16 – 35 mm. Dafür hat man aber auch einen Millimeter Brennweite mehr, was im Weitwinkelbereich schon einiges ist.

Vignettierung und Verzerrung verschwinden aber teilweise oder vollständig, wenn man in andere Brennweitenbereiche zoomt. Spätestens ab 24 mm konnte ich nichts mehr feststellen, was die Bildqualität aus meiner Sicht gemindert hätte.

Eingangstor zum Schloss mit Steinstatuen

15 mm – f/11 – ISO 100 – 1/40 s

Natürlich gehört die Frage nach der chromatischen Aberration bei einer Objektiv-Rezension mit zur Tagesordnung. Ich konnte sie nur bei direktem Gegenlicht und vollständig geöffneter Blende in wahrnehmbarer Größe ausmachen. Auch hier behelfe ich mir immer mit der Objektivkorrektur von Lightroom – diese leistet ganze Arbeit und ich muss mich um die hässlichen grünen oder roten Ränder irgendwo an Kontrastkanten nicht weiter kümmern. Sie werden durch einen Klick automatisch entfernt.

Was mir am Tamron 15 – 30 mm aber besonders gefallen hat, ist die Kontrastwiedergabe und Natürlichkeit der Lichtübertragung. Manche Objektive übertragen ja im Bereich des Weißabgleichs unterschiedliche Lichttönungen aufgrund der Glaselemente. Ich hatte den Eindruck, dass das Objektiv das Licht genau in der Farbgebung einfängt, in der ich es auch sehe. Grün-, Rot- und Blautöne kommen in der Farbe auf dem Sensor an, wie sie vor der Kamera waren. Dies ist nicht selbstverständlich. Hier wurde beim Objektivbau und Glasschliff ganze Arbeit geleistet.

Rotes Taxi auf Klosterhof neben Baum

16 mm – f/5.6 – ISO 100 – 1/500 s

Auch die Kontrastgebung erscheint mir sehr natürlich und gut. Der Kontrast in meinen gemachten Fotografien ist ohne Nachbearbeitung bereits sehr differenziert. Mit meinem Tokina 16 – 28 mm war er mir oftmals zu stark und nicht mehr natürlich, sodass ich ihn in Lightroom wieder rausnehmen musste. Auch beim Canon 16 – 35 mm hat er mir nicht immer gefallen.

Kommen wir zum Thema Blendenflecke: Von manchen Fotografen geliebt, von anderen verflucht, sind sie bei heutigen Objektiven aufgrund der immer hochwertigeren Verarbeitung der Glaselemente fast gänzlich verschwunden. So auch beim Tamron 15 – 30 mm f/2.8.

Blendenflecke waren, auch bei direktem Gegenlicht, von mir kaum oder gar nicht wahrnehmbar. Auch in diesem Bereich bekommt der geneigte Landschafts- und Portrait-Fotograf das Nonplusultra der aktuellen technischen Entwicklung. Um trotzdem einige Blendenflecke zu bekommen, musste ich das Objektiv schon in sehr steilem Winkel zum einfallenden Licht halten.

Aufsprudelnden Wasser eines Brunnens im Gegenlicht

20 mm – f/2.8 – ISO 100 – 1/4000 s

Mann auf Sitzbank vor einer Radarstation

24 mm – f/2.8 – ISO 100 – 1/4000 s

Aber es soll ja Kollegen und Kolleginnen geben, die durch das künstliche Reinrechnen von Lensflares ihren Fotos wieder diesen typisch analogen und dreckigen Look geben wollen. Nur soviel: Dieses Objektiv zwingt Euch dazu, denn es ist in diesem Bereich beinahe makellos.

Ein weiteres Merkmal, das manche Fotografen wichtig finden, ist das Bokeh eines Objektivs. Ich persönlich habe bei meinen bisherigen Linsen selten darauf geachtet, wie das Bokeh aussieht. Es hat mich bisher schlichtweg nicht interessiert, weil ich es für meine Fotos als irrelevant empfinde.

Mittelformatkamera in Hand von oben fotografiert

30 mm – f/2.8 – ISO 100 – 1/200 s

Der Vollständigkeit halber will ich hier aber erwähnen, dass mir das Bokeh dieses Objektivs sehr schön ausgewogen und ausreichend weich vorkam. Das ist aber vor allem eine Geschmacksfrage, da sind unterschiedliche Meinungen vorprogrammiert. Ich fand es jedenfalls besser als das mir bekannte Bokeh von den Canon- und Tokina-Superweitwinkel-Objektiven, die mir irgendwie härter vorkamen.

Ein aus meiner Sicht richtig gutes Feature und auch Alleinstellungsmerkmal des Objektivs ist der Bildstabilisator. Damit schießt Tamron den Vogel endgültig ab. Endlich ist es möglich, mit einem weitwinkligen Objektiv in dunklen Umgebungen verhältnismäßig lange Belichtungszeiten aus der Hand zu fotografieren. Alles bis 1/5 s wurde bei mir aus der Hand problemlos scharf. Und ich bin eigentlich nicht für meine ruhigen Hände bekannt. Ich fand die Arbeitsweise des Bildstabilisators in schwierigen Lichtsituationen phänomenal. Für den Betrieb des Objektives auf einem Stativ ist er aber auch abschaltbar.

Waldweg im Sonnenuntergang

15mm – f/8 – ISO 100 – 1/20 s

Kommen wir zum letzten, aber bedeutenden Punkt: Tamron verlangt für diese Linse einen sehr stolzen Preis von über 1500 €. Dies mag der technischen Entwicklung und der Konkurrenz in diesem Preissegment geschuldet sein. Ich denke auch, dass die Bildqualität diesen Preis rechtfertigt.

Für mich, der das Objektiv nicht täglich und nicht beruflich nutzt, sind die Kosten für die überdurchschnittlich gute Bildqualität aber leider zu hoch. Für die Hälfte würde ich die Linse sofort kaufen und sicherlich auch gern einsetzen. In seiner gehobenen Preisklasse ist das Objektiv aber vermutlich eher für Berufsfotografen oder Hobbyfotografen mit sehr hohem Anspruch und dicker Geldbörse geeignet. Ich denke, genau das ist auch die Zielgruppe von Tamron.

Mann auf Feldweg vor einem Baum

30 mm – f/8 – ISO 100 – 1/200 s

Angelegter Kastanienwald im Schlosspark

15 mm – f/5.6 – ISO 100 – 1/400 s

Bibliothek einer Hochschule im Abendlicht

15 mm – f/8 – ISO 100 – 1/125 s (Linien korrigiert in Adobe Lightroom)

Ich persönlich kann das Objektiv sowohl für weitwinklige Portraits, Landschafts- und Architekturfotografie ohne Einschränkungen empfehlen. Im Bereich von Street- und Reportagefotografie ist es den meisten vermutlich zu groß und auffällig. Aber es gibt ja auch Fotografen wie Bruce Gilden, denen sowas egal ist.

Wenn Ihr auf der Suche nach einem Weitwinkel-Objektiv auf dem aktuellen Stand der Technik mit überragender Bildqualität seid, dann geht zum Fotohändler Eures Vertrauens und testet das Teil. Wenn Euer Geldbeutel oder das Sparkonto dann noch mitspielen, steht einer traumhaften Weitwinkel-Zukunft aus meiner Sicht nichts mehr im Wege.

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