Warum finanzieren Verlage Bücher per Crowdfunding?
Im Magazin stellen wir regelmäßig Crowdfundingkampagnen vor. Viele Fotograf*innen finanzieren Fotobücher und Bildbände über Crowdfundingplattformen wie Kickstarter, Startnext, Indiegogo und so weiter. Oft steht in diesen Kampagnen, dass das Buch bei erfolgreicher Finanzierung im Verlag xy erscheinen wird.
Die Bücher werden also nicht von den Fotograf*innen selbst herausgebracht, sondern es steht bereits ein Verlag dahinter, der die Fotos gut findet, der das Projekt als passend zum übrigen Verlagsprogramm einstuft und im Thema des Buchs Marktpotenzial sieht. Warum müssen solche Bücher dann dennoch vorfinanziert werden? Warum übernehmen die Verlage nicht die Kosten?
Das hat sich auch Moritz gefragt. Er schrieb uns:
Ich sehe immer wieder Crowdfundings von Fotograf*innen, die bereits einen Verlag haben. Warum finanzieren die Verlage nicht die Bücher selbst? Seit wann ist es so, dass Verlage da kein Risiko mehr eingehen?
Um die Frage zu beantworten, haben wir dieses Mal bei den Angesprochenen selbst nachgehakt. Geantwortet hat uns Nicola von Velsen. Sie ist Verlagsleiterin und Geschäftsführerin bei Hatje Cantz – einem international führenden Verlag für Bildende Kunst, Fotografie und Architektur.
Das ist eine spannende und gute Frage, die ich gern beantworte. Ich möchte vorwegnehmen, dass Fotobücher in unserem Programm einen wichtigen Platz einnehmen und wir an das Medium Fotografie als zentrales Ausdrucksmittel visueller Kultur glauben – egal ob innerhalb der Kunst, als Dokumentation oder in anderen Kontexten. Unser Ziel ist es, mit sehr gut gemachten Fotobänden nicht nur gute zeitgenössische, sondern auch wichtige historische Positionen zugänglich zu machen.
Crowdfunding ist eine faszinierende Möglichkeit, vor Erscheinen eines Buches herauszufinden, ob das Buch einen Markt hat und sein Geld verdienen kann. Schon lange, bevor es die Möglichkeit des Crowdfundings gab, mussten Fotobücher subventioniert werden. Es geht also nicht darum, ob Verlage ein „Risiko“ eingehen, sondern darum, dass der Markt für viele Titel so extrem klein ist, dass die Bücher ihre Einstandskosten überhaupt nicht verdienen können.
Mit einer Verkaufsauflage von 200 bis 400 Exemplaren und einem Ladenpreis von 40 € kann ein Verlag einen Umsatz von etwa 5.400 € erwirtschaften. Davon lassen sich ein Grafiker, ein Redakteur, Lithographie, Druck und Bindung, Transporte und Rechte, Vertrieb, Marketing, Presse, Vorschau und so weiter nicht bezahlen. Diese Kosten liegen für ein Fotobuch eher bei 20.000 €.
Es geht also nicht darum, ein „Risiko einzugehen“, sondern um eine Unterfinanzierung. Crowdfunding ist vergleichbar mit dem „Test am Markt“. Wenn das Budget darüber zusammenkommt, haben Fotograf*in und Verlag die Sicherheit, das Buch finanzieren zu können und dafür auch eine Öffentlichkeit zu erreichen.
Fotobücher haben also eine relativ kleine Zielgruppe und demnach auch eine kleine Auflage. Das wirkt sich stark auf den Preis aus und auf das Risiko für Verlage und die Fotograf*innen. Bereits vor dem Internet und der Möglichkeit von Crowdfundings mussten Fotograf*innen bereits einen Eigenanteil aufbringen. Vermutlich häufig auch, indem sie diesen Eigenanteil bei Unterstützer*innen eingeworben haben. Das Konzept ist demnach kein Neues, Crowdfundings bieten jedoch neue Möglichkeiten.
Wir hoffen, wir konnten Euch mit der Folge wieder eine gute Antwort auf eine spannende Frage liefern. Ein großer Dank geht an Nicola von Velsen von Hatje Cantz. Ihr habt noch weitere Fragen zu diesem Thema oder einem anderen aus der Welt der Fotografie? Dann stellt sie uns gern an: kk@kwerfeldein.de. In diesem Sinne: Nächste Frage, bitte!