18. Juni 2021 Lesezeit: ~4 Minuten

Fotoclubismo und das MoMA

Im Herbst des letzten Jahres habe ich mir, wie so viele andere während der Pandemie, neue Beschäftigungen gesucht. Unter anderem habe ich zum Thema Fotografie auf der Plattform Coursera einen Kurs des Museum of Modern Art in New York belegt. Das MoMA engagiert sich schon seit einiger Zeit und nun verstärkt während der Pandemie im Bereich digitaler Bildung.

Auch nach dem Abschluss des Kurses bleibt das MoMA im regen Kontakt, bietet künstlerische Aktionen zum Mitmachen, Künstlergespräche und andere Inhalte an. Anfang Mai erhielt ich also wieder einmal eine E-Mail, dieses Mal mit der Aufforderung: „Join the MoMa Photo Club!“

Im Rahmen der neuen Fotoausstellung „Fotoclubismo: Brazilian Modernist Photography (1946–1964)“ ermutigt das Museum alle Fotobegeisterten dazu, rauszugehen und sich an verschiedenen kreativen, monatlichen wechselnden Herausforderungen zu beteiligen. Los ging’s mit dem Thema abstrakte Naturfotografie. Die Bilder sollten dann mit dem Hashtag #MoMAPhotoClub online gepostet werden, die Favoriten veröffentlicht das MoMa danach erneut auf den eigenen sozialen Kanälen, der MoMA-Webseite und auf ausgewählten digitalen Bildschirmen der New Yorker U-Bahn. Soweit so gut – wer hat schon etwas dagegen, in der New Yorker U-Bahn gezeigt zu werden?

Wenn man sich dann aber den entsprechenden Blogartikel durchliest, wird man doch etwas stutzig, sobald man auf das Kleingedruckte stößt. In diesem steht, dass mit der Nutzung des Hashtags dem Museum noch weitaus mehr Rechte an den Bildern eingeräumt werden. Beispielsweise die dauerhafte Nutzung, Unterlizenzierung und Verwendung „für jegliche Zwecke“, einschließlich kommerzieller, wie zum Beispiel Werbung.

By tagging photos using #MoMAPhotoClub, you grant The Museum of Modern Art (“MoMA”) (and those authorized by MoMA) a royalty-free, worldwide, perpetual, sublicensable, non-exclusive license to publicly display, distribute, reproduce, and create derivative works of such photos, in whole or in part (including, but not limited to, any associated captions and handles), in any media now existing or later developed, for any purpose, including, but not limited to, advertising and promotion, and inclusion on MoMA’s website and social media channels.

Es ist zumindest befremdlich, dass eine Institution wie das MoMa – oft als eines der größten und einflussreichsten Museen für moderne Kunst der Welt bezeichnet – Fotos kostenlos, dauerhaft und für jeden Zweck erhalten möchte.

Auch anderen Publikationen ist dieser Umstand aufgefallen und man hat dazu einige Expertinnen befragt. Mickey H. Osterreicher, General Counsel der National Press Photographers Association, sieht darin die Abwertung der Fotografie als solche, aber eben auch ganz spezifisch die der Amateurfotografie, gerade weil diese Anfrage von einem Museum kommt. Einer Institution, die eigentlich kreative Arbeit und Künstler*innen anders würdigen sollte.

Das MoMa ist allerdings bei diesem fragwürdigen Umgang mit Fotograf*innen nicht allein. Das Whitney Museum of American Art kaufte im Sommer 2020 im Rahmen von Charity-Auktionen für kleines Geld Kunst Schwarzer Künstler*innen ein, stellte damit eine Ausstellung zusammen und informierte die Künstler*innen erst im Nachhinein über den Zweck des Ankaufs. Eine gesonderte Bezahlung gab es dafür natürlich nicht – aber einen großzügigen, lebenslangen kostenlosen Zugang zum Museum.

Aus rechtlicher Sicht bezweifelt James Grimmelmann, Professor für Digital- und Informationsrecht an der Cornell Law School, dass solche umfassenden Rechte allein durch die Nutzung eines Hashtags übertragen werden können. Dafür bedarf es dann doch immer noch eines offiziellen Vertrags in Schriftform.

Interessanterweise ist das MoMA selbst, wenn es um die eigenen Rechte geht, nicht ganz so freizügig. 2018 befand sich die Institution in einem Rechtsstreit mit dem MoMaCha, einer kleinen Galerie mit Café in New York, das sich mit seinem Namen phonetisch zu nah am MoMa befand.

Als Redaktion von kwerfeldein kennen wir natürlich solche Kampagnen. Auch für uns ist die Community wichtig und gemeinsame Fotoaktionen sind wertvoll. Auf der anderen Seite ist die Mehrheit von uns beruflich fotografisch tätig und uns ist bewusst, wie wichtig eine faire Kompensation für kreative Arbeit ist.

Das MoMa selbst war leider nicht für einen Kommentar verfügbar. Gerne hätten wir mit dem Museum darüber gesprochen.

8 Kommentare

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  1. Also dann: Immer schön das Kleingedruckte lesen…

    Die oben beschriebenen Methoden (und Nutzungsbedingungen) ähneln genau denen von Facebook, Insta und Anderen…Als Künstler*in hat man aber auch selbst eine Verantwortung dafür, mit wem man was möchte…

    Die Ausbeutung von Künstlern beginnt allerdings noch weiter unten: Wann gibt es eine Ausstellungsvergütung, wann werden Transport-, Fahrt- oder Druckkosten (für Kataloge) nicht dem Künstler aufgebürdet? Wann erhalten Praktikant*innen im Kunstverein, im Museum, in den Galerien mal eine Vergütung oder wenigstens eine kleine finanzielle Anerkennung?

    Die Kunstvereine und andere Institutionen werden steuerbegünstigt und finanziell gefördert (um Künstler auszubeuten?)… und die (wenigen) etablierten meist alten Künstler*innen machen schön mit und lamentieren, dass sie von den Millionen der Auktionserlöse nichts abbekommen…wer’s glaubt…Das ist Kapitalismus, aber keine Kunst!

    Danke für den Artikel. Ich hoffe er schärft das Bewusstsein (nicht nur bei Fotograf*innen) und trägt zur Systemveränderung im Kunstmarkt bei…

    Super schönes Wochenende!

    Armin

  2. 1961, als ich geboren wurde, verkaufte ein italienischer Künstler namens Piero Mazoni neunzig Dosen mit jeweils 30 g seiner eigenen Fäkalien , einzeln von 001 bis 090 durchnummeriert und „Merda d’Artista“ beschriftet. Die Dosen verkaufte er zum damals aktuellen Goldpreis.

    Sämtliche Dosen wurden verkauft und befinden sich in verschiedenen Sammlungen weltweit. Sie haben heute einen deutlich höheren Wert als den von Manzoni angesetzten, eine Dose wurde im Jahr 2008 bei Sotheby’s für 97.250 GBP versteigert. 2015 verkaufte Christies die Dose Nr. 054 für 182.500 GBP. In Mailand soll eine Dose für 275.000 EUR verkauft worden sein,

    Die Gewinner sind also, vom ersten Einkommen des Künstlers abgesehen, danach immer andere gewesen. Und vor allem: die Produzenten der Dosen bekommen von diesen Wertsteigerungen nichts ab.

    So sehen die Kunstagenten auch die Fotografen: nicht als Künstler, sondern als relativ unwichtige Leute, die Material liefern für Kunstwerke. Der eigentliche Kunstprozess ist nicht die 1/250 Sekunde der Aufnahme und das Speichern derselben als JPEG auf einer SD-Karte. Selbstverständlich nicht. Man muss schon sehr naiv sein, eine Serie digitaler Foto an sich schon für Kunst zu halten.

  3. Ich verstehe die Aufregung nicht. Die Bedingungen sind doch erwähnt, das reicht. Keiner ist gezwungen seine Fotos rauszugeben. Wenn einem die Bedingungen nicht passen, muss man nicht mitmachen. Ein Museum ist kein Förderverein für Not leidende „Künstler“. Wer es für sein Ego unbedingt braucht, dass seine Bilder z.B. in der NY-U-Bahn zu sehen sind, dem ist nicht zu helfen….;-)

    • „Ein Museum ist kein Förderverein“…

      Genau. Aber was ist ein Museum dann?

      Wie man gesehen hat, noch nicht einmal „systemrelevant“. Es existiert nur dank Fördergelder oder staatlicher Subventionen (das MoMA vielleicht sogar als privatsubventioniertes Hobby)…

      Aber was ist das für ein „Geist“ der sich der „egomanischen“ und anderer Künstler*innen (die sich vielleicht nur Nutzungsentgelte erhoffen?) so ausbeuterisch bedient?

      Nach Michaels Auffassung sind Museen, Künstler, Fotografen und die vielen anderen Not leidenden vermutlich überflüssig…oder nur was für die Reichen…?

      Interpretiert vollkommen ungezwungen und total unaufgeregt…

      Armin

      • Ich persönlich sehe die Aufgabe eines Museums eher darin, Gegenstände, die es wert sind, für die „Nachwelt“ erhalten zu werden, zusammenzutragen und eine Auswahl davon in Ausstellungen zu präsentieren und damit Besuchern des Museums Gelegenheit zu geben, diese Gegenstände zu betrachten. Dazu sind Räumlichkeiten nötig, Archivare müssen beschäftigt werden, weiteres Personal ist nötig, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Und das ist längst noch nicht alles.

        Da die Anzahl der Besucher in den meisten Fällen nicht ausreicht, um die Kosten zu decken, von Gewinnerzielung will ich gar nicht erst sprechen, gibt es folgende Möglichkeiten: entweder das Museum schließt seine Pforten oder es wird finanziell unterstützt. Von wem auch immer. Da es bei kwerfeldein um Fotografie geht, zum Thema „Ausbeutung von Künstlern“ nur soviel: Beim MoMA sind mir viele Fälle bekannt, in denen Fotografen einige ihrer Werke dem Museum geschenkt haben.

        Ergänzt ebenfalls vollkommen ungezwungen und total unaufgeregt …

        Hans-Martin

  4. Hallo Zusammen,
    ich verstehe die beschriebene Aufregung nicht, bei so vielen „FotoWettbewerben“ von namenhaften Firmen gibt man eben solche Rechte ab. und bei WhatsApp und Co denkt auch selten jemand über die Folgen nach.. Immer schön das Kleingedruckte lesen!

    Man könnte es auch als Ehre empfinden, für entsprechende Zwecke und Aktionen seinen Betrag zu leisten und Teil eines Projekts zu sein. Dieses Projekt wird auch über Insta aktiv beworben. Ruhm und Ehre gibt es eben nicht immer gegen Lohn. Vielleicht scheint dem ein oder anderen es genug Lohn, dabei zu sein, ist ja keine schlechte Adresse….. Vielleicht sollte auch einmal die faire Kompensation der kreativer Arbeit von der Absicht Kunst getrennt betrachtet werden und nicht im gleichen Atemzug gefordert sein. Mitmachen oder Seinlassen ist immer noch eine freie Entscheidung und kein bezahltes Privileg. Die Absicht der Teilnahme sollte in Zusammenhang steht, welche Hoffnung einen treibt, sich an egal welchen Aktionen aus den verschiedensten Gründen zu beteiligen. Dies steht nicht immer in Beziehung zu harten Fakten, sprich Währung, auf den ersten Blick. Ich finde es schade, dass heute immer mehr die sofortige Deckung und Austausch von interessant errechneten Werten gefordert wird. Gerade beruflichen Fotografen wird der Unterschied zwischen Handwerk und Kunst bewußt sein. KunstWerte entstehen durchaus anders. LG doro

    • „Gegenstände, die es wert sind, für die „Nachwelt“ erhalten zu werden…“ (Hans Martin) und, „KunstWerte entstehen durchaus anders.“ (doro) Dazu eine Frage (die ich schon mal für mich beantworte):

      Wer definiert denn was einen Gegenstand wertvoll macht und wie Kunst zu einem Wert wird?

      Das macht der Markt. Der Kunstmarkt. Und zwar skrupellos. Sieht man an der Raubkunst in den Museen (der Kolonialmächte) und an den vielen (auch noch unentdeckten) Fälschungen in den Kunsthallen und Galerien…

      Eine selbsternannte Elite von Museumsdirektoren, Kuratoren, Kunstprofessoren und sogar Künstler mit einer Heerschar unterbezahlter Student*innen, Kunsthistoriker*innen und anderer Handlanger transportiert eine Idee des 19. Jhdt und ebensolche Wertvorstellungen durch die Zeit(en). „Doof“ wie wir sind, glauben wir alles ohne den geringsten Zweifel…

      Weiterhin viel Spaß dabei wünsche ich den Einen. Den kritischen Blick zu behalten, den Anderen. Gut dass Fotografen „unbestechlich“ die Realität abbilden…und gut, dass kwerfeldein das Vorgehen der Museen und anderer (Insta, etc…) kritisch thematisiert. Danke dafür!

      Armin