David Bowie. 1971.
Titelbild: © Marcellino Hudalla / Fotex
David Bowie wäre heute 74 Jahre alt geworden. Am 10. Januar 2016, zwei Tage nach seinem 69. Geburtstag und der Veröffentlichung des Albums „Blackstar“, starb er an Leberkrebs. Wie bedeutend er als Künstler war, wurde mir zugegeben aber erst richtig klar, als ich für dieses Interview recherchierte.
Marcellino Hudalla war in den 60er und 70er Jahren als Musik- und Konzertfotograf in Berlin tätig. Ich sprach mit ihm bereits in einem Interview über diese spannenden Jahre, in denen er Jimi Hendrix, Johnny Cash, Led Zeppelin, Alice Cooper, The Who und viele andere fotografierte. Vor einigen Tagen rief er mich an und berichtete mir vom Shooting mit David Bowie im März 1971.
1971. Damals war Bowie nicht unbekannt, aber der große Durchbruch stand noch bevor. Es war kurz vor der Veröffentlichung seines Albums „Hunky Dory“. Wie kam es zu diesem Fotoshooting?
Ich hatte mich damals gerade als Fotograf selbstständig gemacht und meine erste Reise ging gemeinsam mit meinem Bruder von Westberlin nach London, in einem alten klapprigen VW-Käfer. Ich war dort zu Gast beim Label Chrysalis. Die hatten mitten in London, auf einer der teuersten Straßen, der Oxford Street, ein Büro.
Der Pressesprecher hatte mich eingeladen, denn sie suchten immer mal Fotograf*innen. Spezialisiert hatten sie sich auf Rockbands. Wir haben also dort über Konzerttermine und wo man vielleicht mal eine Homestory machen könnte, gesprochen. Zwischendurch ging er jedoch kurz raus, denn er hatte einen Gast, den er kurz begrüßen musste.
Als er zurückkam, fragte er mich, ob ich denn seinen Gast vielleicht kennen würde: David Bowie. Er hatte ihm beiläufig gesagt, dass er gerade noch zwei Fotografen aus Deutschland im Büro sitzen hat und gefragt, ob er Lust auf ein paar Fotos hätte. Und so kam dann eins zum anderen.
Also bist Du komplett zufällig zum Fotoshooting gekommen?
Ja und ich war natürlich ziemlich begeistert, denn ich habe als Fotograf nicht nur davon gelebt, dass ich bereits berühmte Leute fotografierte, sondern auch Leute, die erst berühmt wurden. Bei Bowie hatte ich das Gefühl, so wie die Leute von ihm sprachen, dass er etwas Besonderes hat.
Bowie war Dir also nicht unbekannt?
Nein, nein. Ich lebte in Berlin Kreuzberg mitten im Kommunen-, Junkie- und Drogenviertel. Ich war mitten in der Szene und da sprach man natürlich auch viel über Künstler*innen. Der Name David Bowie fiel da immer mal, denn er hatte damals bereits öfter West-Berlin besucht. Der Flurfunk funktionierte super und man hat viel über ihn geredet, weil er ein sehr hübscher und androgyner Kerl war. Das war sehr angesagt in Berlin.
Habt Ihr noch am selben Tag fotografiert?
Ja, ich hatte meine Kameraausrüstung dabei und als der Pressesprecher fragte, wann wir das machen sollen, antworte ich: Wann, wenn nicht jetzt?
Er hat mich ins Besuchszimmer gebracht und auf dem Flur kam mir Bowie schon entgegen. Er trug einen Bademantel über dem Outfit, das man auch auf den Bildern sieht. Neben ihm stand seine damalige Frau Angela, ebenfalls im Bademantel und hochschwanger.
Ich fand die beiden auf den ersten Blick sehr sympathisch. Bowie ist mit mir dann in das Zimmer gegangen und ich hätte ihn zu gern im Bademantel fotografiert. Aber Bowie war da anderer Meinung und meinte, er müsse ihn für sein Image ausziehen.
Er ist immer sehr stilbewusst aufgetreten. Damals waren die meisten eher etwas gammlig. Leicht verwahrlost aussehen, war besser als zu schick. Aber Bowie spielte bereits mit dem Anderssein. Er hatte es gern schick. Er hatte zwar lange Haare, aber einen Haarschnitt. Er war ja später auch Mitbegründer des Glamrocks.
Er war sich damals also seines Images schon sehr bewusst und wusste, wie er zu sehen sein will?
Ja, absolut. Du siehst ja auch, was er da unter dem Bademantel trug. Eine Spitzenbluse und eine Art Rockhose. Er bewegte sich auch sehr weiblich. Seine Stimme war aber wiederum sehr männlich. Bowie hat bewusst damit gespielt.
Aber bei den Fotos wollte er mir dann freie Hand lassen und fragte mich, was er machen soll. Ich habe ihm jedoch geantwortet: Sei einfach Du selbst. Das schien ihn zu verwundern. Ich denke, er war es gewohnt, bei Fotoshootings genaue Anweisungen zu bekommen. Aber ich wollte ihn so fotografieren, wie ich ihn dort gespürt und erlebt habe. Ich wollte ihn so einfangen, wie er war.
Ich habe ihn einfach nur ins richtige Licht gesetzt. Das Licht in dem Raum war wirklich sehr schön. zuerst hat er auf einem Sessel am Fenster posierte und eine Schnute gezogen. Und dann habe ich ihn auf die Fensterbank gebeten. Hier war das Licht wirklich perfekt, das hätte man im Studio nicht besser machen können.
Welche Kameratechnik hattest Du dabei?
Ich hatte meine Mamiya mit Schachtsucher dabei. Alle Bilder im quadratischen Mittelformat. Es ist eine super Kamera, sehr zuverlässig, aber auch sehr simpel. Und eine der wenigen Mittelformatkameras mit Wechseloptik.
Wie viel Zeit hattest Du und konntet Ihr auch miteinander reden?
Wir waren etwa eine halbe Stunde in dem Zimmer. Er hat einiges erzählt über seine Zusammenarbeit mit Marc Bolan und seine Bühnenshow. Über seine Frau, die die Kostüme anfertigt. Also über viele Dinge, die ihm dann auch zum internationalen Durchbruch verhalfen.
Ihn hat auch damals bereits Berlin sehr interessiert und wir haben viel über die Stadt gesprochen. Ich habe ihn gefragt, was ihm so an Berlin gefällt und er meinte, es sei diese ganz besondere Atmosphäre. Und da hatte er Recht. Es war ja eine Enklave in der DDR. Man konnte nur in die Stadt fliegen, was unglaublich teuer war, oder mit dem Auto durch die Zone fahren – eine anstrengende Prozedur.
Aber das unterstützte diese Atmosphäre nur. Damals begannen auch die Studierendenproteste, das Auflehnen gegen die Gesellschaft, freie Liebe, Drogen rauf und runter.
Drogen wurden David Bowie ja auch einige Male zum Verhängnis.
Ich denke, ich war damals der einzige in meiner Straße, der keine Drogen nahm. Ich war aber auch nicht neugierig. Ich sah ja jeden Tag, was dabei herauskam.
David Bowie zog Mitte der 70er Jahre dann ja auch nach Berlin. Hattet Ihr noch einmal die Gelegenheit, Euch zu treffen?
Nein, leider nicht. Wir hatten es geplant, aber dann kam doch wieder etwas dazwischen. Wir haben uns ein paar Mal verpasst.
Du hast mir drei Fotos aus dem Shooting geschickt. Wie sind Deine Fotos archiviert und sortiert? Wie findest Du etwas, wenn Du gezielt nach zum Beispiel Bowie und 1971 suchst?
Mein Archiv ist leider in einem jämmerlichen Zustand. Ich hatte ja irgendwann mit der Fotografie aufgehört und meine Fotos und Dias im Keller meines Bruders gelagert. Es gab dann einen Brand im Nebenraum, der zum Teil auch übergriff. Über die Hälfte meines Archivs ist dabei zerstört wurden.
Was übrig geblieben ist, steht jetzt in einer Kiste bei mir. 25 kg Material. Dias, Kontaktabzüge, Schwarzweißnegative. Die Agentur Fotex hatte sich dieser einmal angenommen und einen kleinen Teil, der sich zum Verkauf eignete, digitalisiert. Mir fehlt ehrlich gesagt die Geduld dazu, alles zu sichten und zu sortieren. Aber das wäre schon sinnvoll.
Ja, absolut. Das tut mir im Herzen weh. Ein Feuer in einem rein analogen Archiv ist wohl das Schlimmste, was passieren kann.
Ja. Aber das erinnert mich jetzt wieder an ein Lied von Bowie: Ashes to Ashes.
Lass uns mal schauen, was wir mit Deiner Kiste machen können. Auf jeden Fall vielen Dank für das erneute Interview!