04. Juni 2010 Lesezeit: ~12 Minuten

Marius Schwiegk im Gespräch

Ich habe den Bildbearbeiter Marius Schwiegk {Twitter} auf der Tion als einen offenen, aufgeschlossenen und superfreundlichen Menschen kennengelernt. Ich hatte noch in Erinnerung, dass Photoshop in seinem Leben keine geringe Rolle spielt, ahnte aber nicht, was für ein kreativer Kopf Marius ist.

Als ich dann in einem seiner Beiträge sehen durfte, was Marius‘ Handwerk ist, habe ich ihn direkt auf ein Interview eingeladen. Marius hat nicht nein gesagt und so darf ich Euch heute dieses Gespräch präsentieren, auf das ich schon ein bisschen stolz bin.

Marius ist… ach, das kommt ja jetzt im Interview ;)



Marius, schön dass Du jetzt mit mir das Interview machst. Magst Du Dich den Lesern kurz vorstellen? Wer bist Du? Was machst Du?

Ja, vielen Dank für diese Möglichkeit! Ich bin Marius Schwiegk und seit ca 15 Jahren Bildbearbeiter – seit vier Jahren bei Jung von Matt in Hamburg und habe mich über die Jahre auf die Ausarbeitung von Fahrzeugmotiven spezialisiert. Das liegt hauptsächlich an dem Kunden Mercedes-Benz, den ich nun insgesamt seit über zehn Jahren betreue.

Wow. Klingt spannend! „Ausarbeitung von Fahrzeugmotiven“ – was heißt das praktisch? Was kann man sich, wenn man keine Vorkenntnisse hat, darunter vorstellen? Also in groben Zügen…

Ich werde das mal an einem Beispiel versuchen zu erläutern: Mercedes-Benz möchte gerne den neuen SLK bewerben. Dafür wird die Agentur, also in diesem Fall Jung von Matt beauftragt sich ein Konzept, ein Motiv zu überlegen, dieses wird über einen Zeitraum ausgefeilt und dann geshootet, also fotografiert. Da man allerdings nicht mehr nur ein Foto zeigen möchte, sondern ein perfektes Motiv, komme ich bzw. der Bildbearbeiter ins Spiel.

Ich versuche aus dem Shootingmaterial ein optimales Ergebnis zu erzielen. Beispielsweise nutze ich verschiedene Belichtungen, compose diese zusammen und versuche durch verschiedene Korrekturen dem Motiv einen unverwechselbaren Look zu verpassen. Dieses mache ich im Grunde auf Anweisung der Kreation, kann mich aber auch selbst gut daran austoben.


Perfekt – jetzt verstehen wir schon mehr. Das heißt – wenn ich Dich richtig verstehe, bist Du beim eigentlichen Shooting gar nicht dabei. Wirst Du in die Konzeption mit einbezogen oder arbeitest Du mit dem, was Dir quasi „vorgesetzt“ wird?

Das kommt auf das Projekt drauf an. Bei einer ganzen Kampagne, also bei mehreren Motiven pro Fahrzeug, sind wir meist beim Shooting vor Ort, auch wenns nur zwei bis drei Tage sind. So können wir sicherstellen, dass im Trubel des Shootings auch für unsere spätere Nachbearbeitung an alles gedacht wird und zum Anderen können wir gleich mit der Arbeit vor Ort beginnen – das spart dem Kunden viel Zeit und damit Geld! Und uns manchmal Nerven. Bei kleineren Sachen sind wir nicht beim Shooting dabei – das wird von Fall zu Fall entschieden.

So ist also beim Shooting alles vorhanden. Beispielsweise Landschaft, Auto, Licht. Sicher gibt es Szenarien, in denen diese Komponenten getrennt in ein Bild integriert werden, oder liege ich da komplett falsch?

Bei den grossen Shootings wird zu 99% alles abgedeckt – dafür dauert so ein Shooting auch mal zwei Wochen und manchmal Monate für die Vorbereitung! Aber natürlich bedienen wir uns bei kleineren Projekten auch aus Bilddatenbanken, älteren Shootings (für den gleichen Kunden!) oder mittlerweile arbeiten wir auch vermehrt mit Teilen, die computergeneriert sind, wenn sich beispielsweise nach dem Shooting Fahrzeugteile geändert haben, oder neue Felgen drauf sollen.


… und dann ist für Dich die Feinarbeit angesagt. Ich frage jetzt mal ganz doof: Hast Du schonmal einen Menschen in Photoshop „erstellt“ und in ein Bild eingesetzt? Oder ist das eher unüblich?

Wenn Du damit meinst, ob ich schonmal Menschen digital in Photoshop „erschaffen“ habe – nein, das habe ich bisher noch nicht gemacht – ich male zwar vielfach irgendwelche Lackteile nach bzw. erneuere diese digital, sodass man den Eindruck haben kann, der Wagen wurde komplett gezeichnet. Aber mit Personen/Menschen habe ich dies noch nicht machen müssen! Ich glaube der Aufwand wäre auch recht hoch – da wird sicher eher fotografiert.

Alles klar, Marius. Kommen wir zum nächsten Punkt: Photoshop. Wie lange arbeitest Du schon damit und wie bist Du zu Deinem Können gekommen? Das war sicher kein besonders kurzer Weg, nicht war?

Nein, das war ein langer, sehr, sehr steiniger Weg..;-) Nein, Blödsinn – ich habe eigentlich schon sehr früh gewusst, dass ich irgendwas Künstlerisches machen möchte und dieses dann in der Werbung einsetzen will! So fing ich mit Graffiti an (alles legal!..;-) und verfeinerte diese Kunst dann mit der Airbrushpistole – nach meiner ersten Airbrush-Ausstellung habe ich dann vor etwa 15 Jahren meinen Berufsweg mit einer klassischen Lehre als Werbevorlagenhersteller, heute Mediengestalter bei Erler + Pless, einem Fotofachlabor in Hamburg begonnen.

Danach hatte ich mich initiativ bei der bedeutendsten deutschen Kreativagentur Springer&Jacoby beworben und wurde dort auch eingestellt. Hier habe ich dann meine Spezialisierung erfahren und wurde von meinen Kollegen, vor allem meiner späteren Frau, in die Geheimnisse der Highend-Bildretusche eingeführt. Dort habe ich dann auch gleich schon die Mercedeskampagnen retuschiert. Dann folgte ein Jahr bei Philipp und Keuntje, wo ich Lamborghini und Audi betreute, um dann vor etwa 4 Jahren bei Jung von Matt zu landen, wo ich mich nun wieder um Mercedes kümmern darf.

So bedeutet das, dass heute jedes neue Foto, das von Mercedes in der Werbung gesehen wird, zuvor von Dir behandelt wurde? Oder sind da manchmal noch andere Retuscher mit in der Pipe, die da mit reinspielen?

Oha, nein, dann würde ich wohl seit 10 Jahren durcharbeiten – Mercedes, oder auch die anderen grossen Automobilkonzerne haben so viele Bilder draussen, das würde einer alleine niemals schaffen, selbst eine Postproduktionsfirma mit zig Angestellten würde das allein nicht schaffen.

Da ich immer in den Agenturen gesessen habe, hab ich meistens die Klassik bzw Image-Kampagnen machen können. Also, wenn neue Fahrzeuge herauskommen oder eine ganze Fotostrecke nichts Konkretes bewirbt, sondern nur die Marke besser positionieren will.

Ich denke, dass ich früher prozentual einen größeren Anteil bearbeitet habe, da die Motive nicht so breit gestreut ausgearbeitet wurden und weil einfach nicht so viele Motive im Jahr gemacht wurden.

Wenn zum Beispiel ein Fotograf „seinen“ Lieblingsretuscheur hat und sagt er möchte nur von diesem ausarbeiten lassen, dann wird er dies tun – und das ist ja auch gut so, denn wichtig ist schliesslich, dass nachher einfach n grandioses Bild herauskommt, wer es macht ist unerheblich!


… obwohl in ein Bild ja auch Deine Sprache mit einfließt, und wie Du oben schon gesagt hast, kannst Du Dich auch manchmal austoben. Den Stil von so manchen Retuschern kannst Du sicher erkennen, oder ist dafür dann doch nicht genügend Raum?

Das kommt darauf an, wievielt Raum uns die Kreation lässt. Je mehr ich mich austoben darf, desto mehr kann ich meine Handschrift hinterlassen. Wenn ich mich allerdings ganz eng an die Vorlage der Kreation halten soll, kann sich eine persönliche Handschrift natürlich nicht entfalten.

Es gibt CreativDirectoren, die mir blind vertrauen (beispielsweise bei den Formel1 Motiven, die ich seit über drei Jahren allein betreue. Das ist mittlerweile schon sehr deutlich meine Handschrift geworden.
Bei Katalogbildern kann es natürlich sein, dass es klare CI-Vorgaben vom Kunden gibt, da muss der eigene Stil natürlich zurückstecken. Da sind wir dann ausführende Handwerker.


Interessant! Wie lautet ungefähr solch eine CI-Vorgabe? Kannst Du das in ein paar Sätzen für uns formulieren oder würde das den Rahmen hier sprengen? Wenn Du magst, kannst Du auch gerne die CI-Vorgabe für einen Teilbereich beschreiben.

Das würde sicher zu weit führen – es geht eben hauptsächlich um Bildstile, die in Katalogen natürlich bei jedem Bild gleich sein müssen. Ansonsten betrifft die CI hauptsächlich den Reinzeichnungsbereich, also Typo- und Logosetzung, die bei allein Anzeigen gleich sein soll. Im Bildbereich ist Mercedes nicht so festgelegt, wie es beispielsweise Lamborghini ist, die immer gern einen möglichst extrem kontrastreiches Umfeld haben will.

Marius – Du bist ja ständig damit beschäftigt Fotos so auszuperfektionieren, dass sie für den Hersteller das beste Ergebnis liefern und den Kunden ansprechen sollen. Wächst mit der wachsenden Klarheit und Perfektion der Werbebranche ein innerer Durst nach Natürlichkeit und den „Fehlern“ des Alltags? Oder geht es Dir dabei gar nicht so?

Hm, gute Frage, ich denke, ich habe mich an diese ganzen künstlichen Welten schon so gewöhnt, da sie ja nunmal mein Tagesgeschäft sind, dass ich mir da kaum noch Gedanken drüber mache, ob nicht wirklich alles zu künstlich ist, oder zu fehlerfrei.
Wenn ich jetzt so drüber nachdenke, ist das aber vielleicht genau der Grund, warum ich private Bilder nie retuschiere. Ich würde nie auf die Idee kommen, die Fotos meiner Töchter zu manipulieren, weil ich diese Fotos als unveränderlichen Schatz vergangener Zeit sehe, den ich zerstören würde, wenn ich daran herumschraube.

Was die Bildbearbeitung angeht, so trenne ich sehr stark zwischen retuschierbaren Jobfotos und unveränderteren Privatfotos.



Finde ich gut, dass Du das mit den familiären Fotos so hältst, Marius. Wenn wir schon beim Thema Familie sind: Was für Fotos hängen bei Euch an der Wand? Sicher keine Lamborghinis, oder?

Das ist jetzt aber sehr privat..;-)

Also, mir war immer wichtig, dass ich keine Nachdrucke sondern nur Originale an der Wand hängen habe – so haben wir einige OriginalDrucke von A. Paul Weber hängen (einfach mal googeln – Wahnsinns Lithograf bei uns hier aus der Nähe), dann florale Motive von Horst Janssen und zwei Originalabzüge von ManRay. Also alles eher klassisch und druck- bzw fototechnisch – passt, ja!


Marius, wenn jemand, der grundlegende Fotokenntnisse und 2-3 Jahre intensiv mit Photoshop gearbeitet hat, Lust bekommt, sich in Deine Richtung einzuarbeiten, welche Wege können sich ihm erschließen, dem nachzugehen? Was würdest Du da als „unbedingt machen“ zur Hand geben?

Wie Du Dir sicher denken kannst, werde ich das oft gefragt und daher kann ich hier recht simpel antworten:
Es gibt sehr viele Postproduktionsfirmen, die nicht in einer Agentur sind oder dieser angehören, sondern die für viele verschiedene Kunden retuschieren, hier würde ich ansetzen und mich mal für einen Praktikumsplatz bewerben, oder, wenn es die Zeit oder das Geld nicht zu lässt einfach mal um Bildmaterial bitten um eine Probearbeit abzuliefern – ich bin mir sicher, dass 90% dieser Firmen das gerne machen, da sie selber immer auf der Suche nach guten Leuten sind.

Wichtig ist allerdings nicht die zwei Jahre intensive Photoshoperfahrung, sondern viel mehr ein sehr gutes Auge, Freude an dem Beruf, eine gewisse Gelassenheit und ein angenehmer Umgang mit Menschen – und das ist das „A“ und „O“, denn ich muss ja verstehen, was mein Kunde von mir will. Ich muss seine Sprache sprechen, dann kann man sehr gute Bildbearbeitung machen, da es immer ein Miteinander zwischen Retuscheur, Fotograf und Kreation ist.



Das ist doch mal ein gutes Schlusswort, Marius. Vielen Dank für die Zeit, die Du Dir genommen hast! Ich hätte jetzt noch tausende Frage offen, aber unsere Zeit ist begrenzt und evtl. machen wir ja nochmal etwas hier. Dankeschön!

Bitte sehr, es war mir ein Vergnügen!

Wie ihr seht, bin ich viele Fragen, die ich noch stellen wollte, aus Zeitgründen nicht losgeworden. Das ist aber in Ordnung und ich möchte das Mikrophon auch Euch übergeben. Was interessiert Euch? Was war für Euch unklar? Über welche Themen würdet ihr gerne mehr erfahren?
Marius und ich werden, falls genügend Fragen zusammen kommen, noch ein Interview nachlegen ;)