09. März 2023 Lesezeit: ~6 Minuten

Coverauszählung 2022: Fotografinnen sind weiterhin unterrepräsentiert

Ein gutes Magazin-Cover muss Aufmerksamkeit erregen. Es muss sich zwischen all den anderen Magazinen im Regal durchsetzen und die Käufer*innen neugierig machen. In großen Bahnhofsbuchhandlungen konkurrieren in diesem Kampf um Aufmerksamkeit bis zu 8.000 verschiedene Zeitungs- und Zeitschriftentitel miteinander. Und selbst im winzigen Supermarkt um die Ecke stehen 20 Magazine dicht nebeneinander.

Das perfekte Magazin-Cover zu wählen, ist also keine leichte Aufgabe und in den Redaktionen ein großes Thema, über das viel diskutiert wird. Das Cover kann schließlich in diesem hart umkämpften Markt entscheidend zum Erfolg oder Misserfolg einer Ausgabe beitragen.

Der Female Photoclub, Freelens und der DJV Nord haben sich in einer Erhebung die Titel von 72 Magazinen aus dem Jahr 2022 angesehen und ausgewertet, wie viele von Frauen* und Männern aufgenommen wurden. Das Ergebnis: Frauen sind stark unterrepräsentiert. Nur 25 % der untersuchten Magazine wurden von Fotografinnen oder Illustratorinnen erstellt, 54 % von männlichen Kollegen. Die übrigen 21 % entfallen auf gemischte Teams, Agenturen oder konnten aufgrund fehlender Namensnennung nicht ausgemacht werden.

Wenn sich die Redaktionen kurz vor Druckabgabe zusammensetzen und aus den möglichen Bildern ihr Cover auswählen, wird die Frage, wer das Foto oder die Illustration gemacht hat, sicherlich keine Rolle spielen. Wichtig ist zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich, ob das Bild auffällt und zum Magazin passt.

Warum sind Männer dann mehr als doppelt so häufig Urheber von Magazin-Covern?

Wenn doch bei der Entscheidung nach dem besten Cover das Geschlecht keine Rolle spielt, wie kann es zu einem solchen Ungleichgewicht kommen? Sicher machen Männer keine besseren oder plakativeren Bilder, als Frauen. Auch das Argument, es gäbe viel mehr Männer in der Fotobranche, ist hinreichend widerlegt. Nein, das Problem ist weitaus komplexer und die Erhebung eine Einladung, gemeinsam mit allen Beteiligten nach Lösungen zu suchen.

Bei der Auszählung wurden die Magazine zur besseren Vergleichbarkeit in verschiedene Kategorien eingeteilt. So lassen sich auch Unterschiede zwischen den einzelnen Themengebieten genauer betrachten. Magazincover im Bereich Lifestyle und Fashion sind beinahe ausgeglichen (49 % m, 41 % w), während Themen wie Zeitgeschehen und Wirtschaft schlechter abschneiden (53 % m, 20 % w). Das größte Ungleichgewicht herrscht ironischerweise bei den Fotomagazinen selbst (82 % m, 14 % w).

Im Sport findet man laut Auszählung das größte Gleichgewicht. – Und ja, solltet Ihr den Satz gerade zwei Mal gelesen haben, ging es Euch wie mir bei der Durchsicht der Statistik. Es scheint zunächst nicht zusammenzupassen, denn Sportmagazine werden hier mit 48 % Männern und 45 % Frauen angegeben. Also liegt das Ungleichgewicht doch nicht an veralteten Denkmustern und Stereotypen? Leider nicht und genau die Sportkategorie beweist das eindrücklich. In ihr wurden fünf Magazine untersucht: Darunter zwei Yoga-Magazine und ein Magazin über Frauenfußball. Diese verschieben die Statistik deutlich zugunsten der Fotografinnen.

„Yoga Aktuell“ zeigt mit 100 % Frauen und 0 % Männern einen Teil des Problems deutlich auf. Es geht nicht nur darum, dass Frauen weniger Aufträge und Sichtbarkeit bekommen, sondern auch, in welchen stereotypen Denkmustern wir nach wie vor gefangen sind. Warum wird Männern scheinbar nicht zugetraut, Artikel über Yoga zu bebildern, während sich das Magazin „Beef!“ Frauen (0 %) nicht am Grill vorstellen kann?

Wir alle sind mit Rollenklischees aufgewachsen und haben diese verinnerlicht. Um diese aufzubrechen, ist es wichtig sich ihrer bewusst zu werden. Keines der Magazine, die in der Erhebung schlecht abschneiden, wird absichtlich Aufträge hauptsächlich an Männer vergeben. Umso wichtiger ist die Auszählung, denn sie macht deutlich, woran wir arbeiten müssen. Erst, wenn uns Probleme bewusst sind, können wir sie auch bekämpfen.

Ganz bewusst gegen die Unausgeglichenheit gekämpft hat auch Philipp Balkenhol, der ehemalige Bildchef der DB Mobil. In seiner Reaktion zur Auszählung erklärt er, dass er aktiv auf eine Quote achtet: „Viele große Reportagen, langfristige Projekte oder fortlaufende Formate wurden bewusst nur mit Fotografinnen besetzt. Mithilfe einer gerechten Quote in unserem Heft, wollte ich dazu beitragen, gute Fotograf*innen sichtbar zu machen.“ Und das ging auf: Laut der Erhebung ist die DB Mobil tatsächlich mit 40 % (w) und 50 % (m) im Vergleich zu anderen Magazinen gut aufgestellt.

Balkenhol macht in seiner Stellungnahme auch auf einen anderen Punkt aufmerksam: „Ich hatte bei der DB Mobil das Privileg, dass wir einen Großteil unserer Geschichten und Reportagen selbst produzieren konnten und kaum auf Stock-Material zurückgreifen mussten.“ Das ist auch dem Team bei der Erhebung der Daten aufgefallen:

Dort, wo viel für die Titel beauftragt wird (auch das SZ Magazin, ZEIT MAGAZIN), ist das Geschlechterverhältnis meist ausgeglichener. Bei Magazinen, die eher aus Agenturen ankaufen, ist es hingegen deutlich schlechter. Das liegt auch daran, dass weniger Frauen in der Pressefotografie unterwegs sind und von Agenturen vertreten werden.

Es reicht also nicht, wenn demnächst in den Redaktionssitzungen ab und zu doch ein Blick auf die Urheber*innen fällt. Auch bei der Verteilung der Aufträge muss darauf geachtet werden. Auch Stock- und Bildagenturen müssen aktiver ihre Aufnahmen hinterfragen.

Hoffnung macht der Vergleich zu einer Studie aus dem Jahr 2019. Damals hatte sich ein Datenteam des SPIEGEL und der DJV Hamburg lediglich 30 Magazine angesehen. Das Ergebnis: 14 % Frauen, 63 % Männer. Auch wenn die direkte Vergleichbarkeit aufgrund der unterschiedlichen Menge der Magazine nicht gegeben ist, mit 25 % Frauen hat sich der Anteil drei Jahre später fast verdoppelt. Wie schön wäre es doch, wenn eine nächste Auszählung 2026 von einer weiteren Verdopplung berichten könnte: 50/50 ist das Ziel.

Das Titelbild stammt von Christina Czybik.
Die Grafiken wurden von Tina Strube erstellt.