15. September 2021 Lesezeit: ~7 Minuten
kwerfeldein – kurz erklärt
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Lohnt sich ein Praktikum bei Fotograf*innen?
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Lohnt sich ein Praktikum bei Fotograf*innen?

Manchmal stelle ich dabei fest, wie gern ich doch eine Gegenfrage stellen würde – sei es, um eine Frage zu präzisieren oder aber, um mehr über die Hintergründe der Frage zu erfahren. So auch heute, da die Frage lautet: „Lohnt es sich heute noch, ein Praktikum bei Fotograf*innen zu machen?“ Zu gern hätte ich gewusst, warum er oder sie auf die Idee kommt, dass es sich nicht lohnen könnte.

Ich weiß. Nachdem endlos über die „Generation Praktikum“ gestritten wurde, haben Praktika einen kleinen Image-Schaden erlitten. Und natürlich ist es oft eine Zeit, in der man nicht monetär belohnt wird – aber im besten Fall auf vielen anderen Gebieten. Vielleicht sind wir alle auch ein wenig bequemer geworden – warum soll ich mich um rare Praktika in der Branche bemühen, wenn die YouTube-Universität doch so nah und kostenneutral erreichbar ist? Warum sie oft rar sind – dazu kommen wir übrigens noch.

Um über die Sinnhaftigkeit und/oder den Nutzen eines Praktikums zu urteilen, muss man aber erst einmal unterscheiden, in welchem Rahmen bzw. mit welcher Zielsetzung man ein Praktikum absolviert. Möchte ich ein Praktikum machen, um für mich besser entscheiden zu können, ob ich mir ein Arbeiten oder eine Ausbildung in dieser Richtung wirklich vorstellen kann, möchte ich Quereinsteigen und lernen oder habe ich schon Erfahrung oder gar einen Abschluss in diesem Bereich und möchte gewisse Dinge vertiefen?

Fangen wir mal mit der Berufsfindung bzw. dem Quereinstieg an: Natürlich hat die angesprochene YouTube-Universität eine gewisse Attraktivität. So viel Wissen, das man für lau bekommt. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass die Menschen, die bei YouTube erfolgreich sind, vor allem erst einmal erfolgreich in der Selbstdarstellung sein müssen. Nur weil sie ach so tolle Fotograf*innen vor der Kamera sind, sagt das noch lange nichts über ihr Geschäft und den Alltag hinter der Kamera aus.

Manch böse Zungen behaupten gar, dass es hinter der Kamera gar nicht so bombig laufen kann, wenn sie so viel Zeit dafür haben, vor der Kamera zu stehen. Wie bei Social Media üblich, gibt es auch hier in der Regel ein geschöntes Bild der Wirklichkeit. Auch wenn es selbstverständlich nicht auf alle zutreffen mag, so denke ich doch, dass sich viele falsche Vorstellungen vom Beruf machen.

Spätestens bei manchen Aufträgen merken viele, dass es einen deutlichen Unterschied zwischen leidenschaftlicher Fotografie und der Fotografie zum Rechnungen bezahlen geben kann. Das, was idealerweise im Einklang sein sollte, ist im Wettbewerb mit vielen aus dem Takt geraten. Nur erzählt das einem ja kaum einer bei YouTube. Da werden die Highlights aus irgendwelchen Shoots gezeigt, aber nicht der graue Alltag zwischen mal mehr, mal weniger erfolgreicher Akquise und Rechnungserstellung. Das passt einfach nicht ins Image.

Solche Eindrücke bekommst Du eigentlich nur im Praktikum oder in der Ausbildung. Während gebuchte Assistent*innen eigentlich nur während des Shoots an sich da sind, erleben Praktikant*innen und Azubis die Fotograf*innen im gesamten Alltag – mit allen Höhen und Tiefen.

Wenn es um die Berufsfindung geht, dann ist für mich der Erwerb handfester Fähigkeiten im Praktikum ein positiver Nebeneffekt, aber nicht des Pudels Kern. Entscheidend ist, dass man einen Eindruck des echten Arbeitsalltags bekommt und für sich viel informierter entscheiden kann, ob das mit dem eigenen Fotogewerbe wirklich eine tolle Idee ist oder ob ein Nebengewerbe oder gar das ambitionierte Hobby nicht doch die bessere Richtung wären.

Aber auch Fotograf*innen, die kurz vor ihrem Abschluss oder ihrer Selbständigkeit stehen, profitieren noch immer – auch wenn hier sicherlich die Vertiefung spezifischer Fähigkeiten und das Kontakten eine größere Rolle spielt. Für viele – sowohl in Hinsicht auf die Seite der Jobnehmenden als auch der Jobgebenden – ist das die Start- und Lern-Grundlage für die freien oder festen Assistenzen nebst dem Geflecht aus Weiterempfehlungen und Referenzen.

Es macht sich in der Vita von Fotograf*innen später weder vom Klang noch vom Wissenserwerb her schlecht, ob man sogar schon einmal ein Praktikum beispielsweise bei Platon gemacht hat. Allein schon die Eindrücke und Ideen, die man da gewinnen kann, können Gold wert sein.

Keine Frage. Es wird sicherlich hier auch viele Hörer*innen geben, die von dem einen oder anderen Praktikum aus der Hölle berichten können. Den berühmten Griff ins Klo gibt es immer – sei es beim Ausbildungsplatz oder später auch bei mancher Kundschaft. Der Vorteil eines Praktikums ist jedoch, dass man in so einem Fall problemlos sofort die Reißleine ziehen kann. Man geht also kein echtes Risiko ein.

Ein größeres Risiko haben oftmals die Praktikumsgebenden und deswegen ist es in manchen Gegenden auch schon zu einem großen Kunststück geworden, überhaupt an Praktikumsplätze heranzukommen. Das liegt nicht gar nicht so sehr an der finanziellen Problematik an sich.

Wenn man ein freiwilliges Praktikum mit einer Dauer von höchstens drei Monaten macht, das zur Orientierung für Studium, Ausbildung etc. dient, dann gibt es keinen Rechtsanspruch auf eine Praktikumsvergütung. Abhängig davon, wo dann genau ein Praktikum stattfindet und was der Inhalt ist, sollte man eben auch von keiner Vergütung ausgehen. Wenn man als Praktikant*in bei einem Auftrag allerdings tatsächliche Assistenzaufgaben verrichtet und diese der Kundschaft dann so auch in Rechnung gestellt werden, sollte eine Bezahlung zumindest für den konkreten Job selbstverständlich sein.

Der Grund, warum so viele Fotograf*innen eher zugeknöpft sind, was Praktikumsplätze angeht, liegt oftmals eher an schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit. Ich kenne inzwischen genug Geschichten von Kolleg*innen, bei denen ehemalige Praktikant*innen versucht haben, mit dem Hintergrundwissen die Kundschaft direkt abzuwerben, was natürlich ein absolutes No-Go ist – aber eben immer wieder als reale Gefahr droht. Je öfter der Boden so verbrannt wird, desto weniger Menschen wird man finden, die noch bereit sind, Einsteiger*innen ein so offenes Bild zu präsentieren.

Während die Praktikumsgebenden also mehr zu verlieren haben als die Praktikant*innen, gibt es eigentlich nichts, was gegen ein Praktikum spricht, sondern nur viele gute Gründe dafür.

Ihr habt noch weitere Fragen für uns? Dann stellt sie doch gern, an kk@kwerfeldein.de. In diesem Sinne: Nächste Frage, bitte!

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