25. Januar 2021

REGARD

Als meine Tochter geboren wurde, sagte man mir, dass sie die „physischen Marker“ für das Down-Syndrom habe. Einige Tage später wurde die Diagnose von Trisomie 21 mit einem einfachen Bluttest bestätigt. Heute, 16 Jahre später, ist Luigia ein lebhafter Teenager, doch diese „Marker“ sind mit ihr gewachsen und ihre Behinderung bleibt für die Außenwelt sichtbar.

Wenn wir versuchen, unser gewöhnliches Leben in unserer Gemeinde zu führen – nach der Schule Eis essen, einkaufen oder zur örtlichen Bibliothek gehen –, sehe ich oft Leute, die sie anstarren, gaffen oder von der Seite betrachten. Obwohl sich ihr Blick invasiv anfühlt, empfinde ich ihn zumindest die meiste Zeit eher als fragend denn urteilend. Mit meiner laufenden Serie „REGARD“ öffne ich ein Fenster in unsere Realität.

Um die Kontrolle über meine Botschaft zu betonen, werden diese alltäglichen Szenen akribisch inszeniert und beleuchtet. Die Darsteller sind meine Tochter und ich. Die Portraits sind gezielt in schwarzweiß gehalten, denn indem ich den Bildern das dekorative und emotional anregende Element der Farbe nehme, möchte ich eine Distanz zwischen uns und den Betrachtenden aufrechterhalten.

Die Komposition der Fotografien drückt routinemäßige, häusliche Handlungen aus, bei denen ich die Betrachter*innen direkt anspreche: Schau uns beim Baden an. Schau uns an, wie wir uns pflegen. Hier sind wir vor dem Schlafengehen. Das sind wir an einem zufälligen Tag am Strand. In jeder Szene werden die Betrachtenden in die Außenperspektive getaucht. Auf den ersten Blick mag es so aussehen, als würde ich uns als verletzliche Beute für ihr Urteil anbieten, aber tatsächlich schütze ich unser Leben und das Publikum wird beim Gaffen erwischt – mein direkter Blick in die Kamera.

Frau und Kind machen das Bett

Frau und Kind schminken sich und sehen die betrachtende Person durch den Spiegel an

Frau bringt ein Kind ins Bett und sieht genau in die Kamera

Frau und Kind im Zug

Frau und Kind am Strand und schauen genau in die Kamera

Frau und zwei Kinder liegen auf einem Bett

Frau und Kind im Kino, die Frau schaut genau in die Kamera

Frau und Kind liegen in getrennten Betten und halten sich an den Händen

Meine Serie ist in ihrem Konzept sehr einfach: Sie zeigt ein Kind, sie zeigt eine Mutter, sie zeigt, wie sie zu Hause leben und familiäre Handlungen ausführen. Da ich an die Verbindungskraft glaube, die die Darstellung von Häuslichkeit bietet, hoffe ich, dass „REGARD“ dem Publikum hilft, einige ihrer Annahmen über Menschen mit Behinderungen zu überdenken, und damit hoffe ich, dass meine Serie einen bescheidenen Platz innerhalb der Bewegung findet, der Menschen mit Behinderungen hilft, sichtbar zu werden.

Dieser Artikel wurde von Herausgeberin Katja Kemnitz für Euch aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.

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