16. Januar 2021 Lesezeit: ~10 Minuten

Eure wichtigsten Fotos 2020

Wir haben Euch nach Euren wichtigsten Fotos des Jahres 2020 gefragt und Ihr habt geantwortet. Das Jahr war eines, das wir wohl nie vergessen werden. Die Pandemie, der Lockdown – das hat uns alle geprägt und spiegelt sich auch in den eigereichten Fotos wieder.

Teilweise habt Ihr das Thema ganz gezielt in Euren Arbeiten umgesetzt, teilweise hat die Pandemie die Bilder zumindest stark beeinflusst. Die hier gezeigte Auswahl ist eine völlig subjektive, wir haben einfach auf unser Bauchgefühl gehört. Alle Einreichungen könnt Ihr in den Kommentaren zum Aufruf lesen.

 

Drei Menschen auf Bäumen

Lukas Jorre

Mein wichtigstes Foto aus 2020 entstand Ende November im besetzten Dannenröder Wald. Mehrere Monate habe ich die Besetzung des Waldes, durch den in Zukunft eine Autobahn führen soll, begleitet. Ich habe viele junge und erstaunlich organisierte Menschen kennengelernt, die in die Bäume klettern und somit deren Rodung blockieren und dabei für eine klimagerechte Verkehrswende protestieren.

Neben den Baumhäusern, die auch mal über 25 m hoch in den Baumwipfeln sind, gab es immer wieder Menschen, die sich mit Schaukeln in die Bäume setzten und dort auf die Kletterpolizei des SEK warteten. Sie harrten stundenlang in der Herbstkälte aus.

Morgens, kurz nach den ersten Sonnenstrahlen entstand dieses Foto. Wenige Augenblicke später traf die Polizei ein, die, vom Lärm der Kettensägen und Forstmaschinen begleitet, die Aktivist*innen aus den Bäumen holten.

Nun zieht sich eine breite Schneise durch den Wald, der auch Trinkwasserschutzgebiet ist und mehr als eine halbe Millionen Menschen mit Trinkwasser versorgt. Für mich persönlich eine sehr intensive und eindrucksvolle Zeit, die mich auf den Weg des Fotojournalismus bringen sollte.

 

Mann am Strand sieht den Gänsen nach

Marc Leppin

Mein wichtigstes Foto 2020 entstand während eines kleinen Fotoshootings an der Nordseeküste in Ostfriesland. Wir waren gerade bei Harlesiel am Strand, als plötzlich Wildgänse in den Himmel aufstiegen. Für mich persönlich ist das Foto eine Mischung aus Glück, Zufall und vielleicht etwas Intuition.

Die Gänse sind zu diesem Zeitpunkt eigentlich nicht in dieser Gegend so nah am Strand. Corona-bedingt mangelte es in diesem Frühjahr/Sommer dort oben im Norden an Urlaubsgästen. Das kam dann zumindest den Vögeln und der Natur zu Gute.

 

Frau liegt auf einem kaputten Rad

Madeleine Brunnmeier

Das „eine“ Foto auszusuchen fällt mir für 2020 nicht schwer, da ich insgesamt sehr wenig fotografiert und noch weniger veröffentlicht habe. Meine Auswahl ist dieses Bild vom Mai. Ich war mit einer Freundin, die erst kurz zuvor nach Berlin gezogen war, auf einer kleinen Erkundungstour.

Mir fiel das Rad auf, das da so müde und zerschunden am Straßenrand klebte und war froh, dass ich just in diesem Moment Kamera und Mensch an meiner Seite hatte. Das „sich verwandt machen“ mit Dingen und Orten ist ein immer wiederkehrendes Thema in meiner Arbeit und ich mag das Ergebnis sehr gerne.

 

Person hinter einer hängenden Folie hält die Hände dagegen

Astrid Susanna Schulz

Seit Mai 2019 lag bei mir zuhause die analoge Minolta XE-1 herum. Ich hatte keine Muße, mich mit ihr und der analogen Fotografie zu beschäftigen. Das wurde anders, als der erste Corona-Lockdown kam, der bei mir – wie bei so vielen anderen Menschen auch – mit Kurzarbeit verbunden war.

Ich vertiefte mich in die analoge Fotografie. Das Auseinandersetzen damit und das Herausfinden, was im Vergleich mit dem digitalen Fotografieren anders ist, hat mir die Fotografie noch einmal anders nähergebracht.

Im November wagte ich mich an die erste eigene Schwarzweißfilmentwicklung: Die Chemikalien bereitstellen, die Temperatur muss stimmen, die Stoppuhr am Start – das war echt aufregend! Deshalb ist das wichtigste Bild 2020 für mich ein Bild aus diesem ersten selbst-entwickelten Film.

 

Person mit maske hält drei Totenköpfe im Arm

Brigitte Schnier

Dieses Selbstportrait ist ein Versuch, meine Traurigkeit, Verzweiflung und Hilflosigkeit angesichts der Mitgefühls- und Rücksichtslosigkeit vieler Menschen, die vor dem Hintergrund der SarsCov2-Pandemie immer deutlicher zu Tage tritt, zu verarbeiten und auszudrücken.

 

Unscharfes Foto eines Strands

Michael Finndorf

Für 2020 habe ich eine kleine Serie mit dem Titel „Sehnsucht nach Meer“ geplant. Damit wollte ich mich gleichzeitig in einer Galerie vorstellen, mit ca. 6 Bildern Teil einer Ausstellung werden. Dieses Bild war der initiale Zündfunke für Serie und Ausstellung. Wie Ihr Euch sicherlich denken könnt, verlief das Jahr doch ganz anders als geplant. Nächster Versuch – 2021.

 

Eine Junge sitzt in einem Wartehäusschen

Jasmin

Mein wichtigstes Bild zeigt unseren Sohn, der sich wieder vollständig ins Leben zurück gekämpft hat. Geprägt und gleichzeitig so losgelöst aufgrund mehrerer schwerer Diagnosen geht er schon immer seinen eigenen Weg im eigenen Tempo. Übertragen im Sinn und auch im wahrsten Sinne des Wortes. Denn wenn er geht, dann geht er und geht und geht und geht und geht – wir nennen ihn liebevoll unseren kleinen Forrest Gump.

Und dieses eine Bild zeigt all diese liebenswerten Parallelen. Die Einzigartigkeit, die jeder wahrnimmt und nicht jeder direkt versteht. Die Rastlosigkeit, die ihn treibt und die gleichzeitige Ruhe und Güte, die ihn umgibt. Der Zauber, mit dem er jeden bereichert, der ihn trifft. Ein junges Leben und schon so viele existenzielle und wundervolle Erfahrungen, von denen wir alle zehren dürfen.

Voller Dankbarkeit, dass der kleine Mann wieder an unserer Seite stolziert. Zu jeder Zeit mit seiner grünen Toniebox in der Hand, als sein Anker und seine Sicherheit, weil er „unsere“ Welt nicht immer so fix verarbeiten kann.

 

Schwarzweißbild einer Bar von außen

Mirko

Im letzten Jahr habe ich meine Heimatstadt Hamburg fotografisch wiederentdeckt. Ich habe eine kleine Serie zum Thema Straßenfotografie in Hamburg St. Pauli geschossen. Dabei gefällt mir ein Bild besonders gut: Es erzählt davon, dass es den alten Kiez noch gibt. Kein Kommerz, kein Eventgedöns, kein Junggesellenabschied.

Das Bild zeigt eine typische Kiezkneipe. Die Wirtin scherzt mit dem Gast. Hier gibt es mehr als kaltes Bier. Beide, Wirtin und Gast, haben eine gute Zeit. Vieles, was uns lieb ist, stirbt einen langsamen Tod, daher müssen wir dokumentieren, was uns wichtig ist. Es ist das siebte Bild der Serie.

 

Lichtstreifen in einer Halle im Bau

Christian Fuhrmann

Corona-bedingt hatte ich mehr Zeit und konnte meinen Arbeitsweg öfter mit dem Fahrrad zurücklegen. Dabei sieht man Orte bewusster, die einem aus dem Auto niemals auffallen würden. So kam es zu diesem spontanen Zwischenhalt an einer im Bau befindlichen Halle.

 

Polalift eines Portraits

Rensen

Mein Foto des Jahres 2020 ist ein Polaroid Lift. Polaroids haben mich voll getroffen und ich habe 2020 sehr viel dazugelernt. Trotz oder auch wegen der unbeständigen Qualität der aktuellen Filme, ist das Arbeiten mit diesem Medium äußerst aufregend (ich verfluche es und liebe es). Emulsionslifts bringen zusätzliche Spannung und haben für mich meinen kreativen Part, fern der digitalen Welt, echt bereichert.

Dieses Foto und das Lift ist sehr besonders für mich, weil das Ergebnis so wirkt wie ich es mir vorgestellt habe und weil es einen Menschen zeigt, den ich in meinem Leben sehr oft fotografiere. Ein Mensch, der mich immer wieder aufs Neue inspiriert, kreativ zu sein.

 

ditychon

Victoria Belikova

Dieses Diptychon war das Ergebnis meines Jahres 2020 für mich. Ich musste es bildnerisch festhalten, um Erinnerung an meine Eindrücke zu speichern. Das Bild heißt „nach dem Fest“.

Obwohl es möglich war, zu Weihnachten Verwandte zu besuchen, haben wir es nicht gemacht, einfach so, weil wir es für vernünftig hielten. Wir telefonierten mit allen und danach haben wir die Stille genossen. Weihnachtsvesper war auch sehr kurz, insgesamt war es so ziemlich langweilig, was auf keinem Fall eine Bewertung ist, sondern eine Feststellung.

Wir trinken keinen Alkohol, aber ehrlich gesagt war mir danach. Deshalb habe ich tatsächlich eine Flasche alkoholfreien Wein gekauft, der dann natürlich nicht schmeckte. So entstand die Idee zum Diptychon „nach dem Fest“.

 

Straßenszene. Ein Spaziegänger und zwei Männner, die sich umarmen

Graeme Powell

Dies war mein letztes Foto vor dem Lockdown in Aberdeen, Schottland. Ich habe vier Jahre an einem Street-Fotobuch gearbeitet. Aber ich war mir nicht sicher, wie ich es beenden sollte. Ich machte dieses Foto von einem Barmann und einem Kunden, die sich vor einer Bar im Stadtzentrum umarmten. Dies schien ein guter Ort zu sein, um mein Projekt abzuschließen und mein Buch zu bearbeiten.

 

Schafe auf einer Wiese

Stefan Scherf

Die Frage, was denn nun mein wichtigstes Bild des Jahres 2020 war, hat mich tatsächlich zehn Tage lang immer wieder beschäftigt. Am Ende habe ich mich für dieses Bild entschieden. Warum? Im September war ich alleine eine Woche in Zeeland an der niederländischen Nordsee.

Für mich ist es wichtig, immer mal wieder Zeit mit mir allein zu verbringen und mich durch den Tag treiben zu lassen. An diesem Tag bin ich mit dem Fahrrad mehr oder weniger „ziellos“ übers Land gefahren und bin dann irgendwann an dieser Schafweide vorbeigekommen.

Das Bild steht auch für meine Art der Fotografie. Ich fotografiere schon viel, breche aber eher selten gezielt zum Fotografieren auf. Aber ich habe meistens die Kamera dabei und sammle Bilder von dem, was mir begegnet.

 

Mann einer Rebe

Simone Betz

Für mich eines der wichtigsten Bilder 2020. Es zeigt einen Menschen, von dem ich am Anfang des Jahres noch nicht wusste, dass er mir am Ende so wichtig werden würde. Trotz der Umstände und auch entgegen all meinen Erwartungen habe ich in diesem Jahr meinen Partner gefunden.

Zusätzlich durfte ich durch ihn in eine Welt eintauchen, die mir vorher noch nicht so wirklich geläufig war. Oder wer macht sich schon Gedanken darüber, wie und wo genau der Wein produziert wird, den man so gern trinkt? Oder wie viel Arbeit, Zeit, Mühe und Liebe in diesem Produkt steckt? Hier also Christian, beim Rebschnitt vor einigen Wochen.

 

Wir sind gespannt, welche Bilder uns 2021 bringen wird. Werden wir am Ende des Jahres beim Blick ins Archiv wieder Menschen ohne Masken zusammenstehen sehen? Werden wir Urlaubsbilder machen können? Konzerte fotografieren? Ende 2021 werden wir Euch erneut nach Eurem wichtigsten Foto fragen. Und vielleicht sind all die hier gezeigten Aufnahmen uns dann noch viel wichtiger, weil sie uns an eine Zeit erinnern, an der wir alle gewachsen sind.

Ähnliche Artikel