08. Dezember 2020 Lesezeit: ~13 Minuten

Im Gespräch mit Maike Descher (Anzeige)

Als mich SIGMA fragte, ob ich für ein Interview mit der Landschaftsfotografin Maike Descher sprechen möchte und ein Instagram-Link folgte, war ich zugegebenermaßen erst einmal etwas vorurteilsbehaftet. Meine Angst war jedoch völlig unbegründet: Mich sprangen beim Klick auf ihr Portfolio keine knallbunten Sehenswürdigkeiten an, sondern sehr schöne, unaufgeregte Natur.

Genau darüber sprach ich dann auch mit ihr am Telefon. Warum die Jagd nach den „Top-Locations“ sie eher langweilt, wie man dennoch schöne Orte finden kann und wie wichtig das Hineinspüren in die Natur ist. Viel Freude mit unserem Gespräch.

Landschaft vor einem See

Hallo Maike. Was war zuerst da? Die Liebe zur Fotografie oder die Liebe zur Landschaft?

Ich war auf jeden Fall schon immer gern draußen, habe Sport gemacht und bin spazieren gegangen. Aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich herumgelaufen bin und gedacht habe: „Wow, wie schön das Licht hier durch die Blätter scheint!“ Das kam erst, als ich meine erste Kamera hatte.

Mit der Kamera in der Hand habe ich viel mehr Details in der Natur und der Landschaft wahrgenommen. Die Kamera hat nicht nur dafür gesorgt, dass ich die Umwelt anders sehe, sondern auch intensiver wahrnehme. Also: Ja, die Liebe zur Natur war schon immer da, aber sie ist durch die Fotografie noch stärker geworden.

Wie lief Dein Start in die Landschaftsfotografie ab?

Angefangen zu fotografieren habe – wobei man sagen muss, dass das damals noch eher Geknipse war – 2013, als ich das erste Mal in Neuseeland war. Ich hatte eine Kamera mitgenommen, um mein Jahr dort festzuhalten, damit ich nie einen Moment vergessen würde.

Ich habe aber noch nicht darauf geachtet, zu welcher Tageszeit ich losfahre oder ob ich Sonnenauf- oder -untergänge mitnehme. Ich habe natürlich dennoch viele schöne Erinnerungen an die Zeit, aber diese besondere Stimmung, die ich jetzt mit etwas mehr Wissen wiedergeben kann, die fehlt auf den Bildern.

Die Fotografie hat mir geholfen, die Landschaften anders wahrzunehmen. Ich suche jetzt die besonders schönen Momente, die besonderen Lichtstimmungen, die starke Atmosphäre, die ja besonders bei Sonnenauf- und -untergängen entsteht.

Felsige Küste

Du warst danach noch einmal in Neuseeland?

Ja, dann hatte ich mich auch schon weiterentwickelt und wusste, dass meine Bilder viel eindrucksvoller werden, wenn ich schöne Lichtstimmungen mitnehme. Das waren dann endlich auch Bilder, wie ich sie gesehen habe, als ich mich auf mein erstes Mal Neuseeland vorbereitet hatte. Als ich Reiseführer durchgeblättert und mir all die Bilder angeschaut habe, die einfach alle richtig, richtig schön waren.

Bei meiner ersten Reise hatte ich mich noch gefragt, warum ich das denn nicht so hinbekomme. Aber der Grund war einfach, dass ich meinen Wecker etwas früher hätte stellen sollen. Und ich hatte mir natürlich beim zweiten Mal auch mehr Gedanken gemacht, was und wie ich denn genau fotografieren möchte.

Du hast jetzt ein paar Mal die Sonnenaufgänge erwähnt. Das hinterlässt vielleicht einen falschen Eindruck Deiner Arbeiten, denn Du zeigst darin ganz wunderbar, dass Landschaften auch bei klarem Himmel oder in düsteren Nebelstimmungen wunderschön aussehen.

Ich bin auf keinen Fall eine, die nur Bilder morgens und abends macht. Ich war im Juli zum Beispiel mit meiner besten Freundin in den Bergen unterwegs, da hatten wir den ganzen Tag Sonne, ich habe also auch tagsüber Bilder gemacht und es hat wunderbar funktioniert.

Ganz oft war ich auch schon wandern und es war düster und regnerisch. Diese Bilder haben auch einen besonders schönen Reiz. Mein Ziel ist es immer, die Erinnerung bestmöglich festzuhalten, egal bei welchem Tageslicht.

Ein Vogel fliegt vor einer nebligen Landschaft

Was mir bei Deinen Arbeiten auch aufgefallen ist: Dass sie nicht die Jagd nach diesen Hotspots zeigen. Es gibt keine Rakotzbrücke oder den isländischen Wasserfall, den man auf jedem zweiten Instagramprofil sieht. Das finde ich unglaublich angenehm, denn es sind dennoch wunderschöne, wenn auch unbekannte Landschaften.

Vielen Dank für diese schöne Beobachtung, denn die Beschreibung passt wirklich perfekt zu meinen Bildern. Ja, Instagram – es ist wirklich so und dadurch geht der Reiz für diese Plätze auch etwas verloren.

Ich war auch schon an der Burg Eltz und war begeistert von diesem Ort. Das ist schon einige Jahre her und mittlerweile sieht man sie so oft auf Bildern. Ich finde sie nach wie vor wunderschön, aber wenn ich jetzt noch einmal an die Mosel fahre, würde ich dort eventuell nicht mehr Halt machen.

Es ist auch etwas traurig, denn alle machen irgendwie dasselbe, weil es auf Instagram funktioniert. Es kann natürlich jede Person machen wie sie mag, aber mich langweilt es. Ich suche mir lieber neue Orte und versuche, diese so festzuhalten, wie ich sie kennenlerne, anstatt zu irgendeinem See zu fahren, der schon hundertmal fotografiert worden ist.

Versuchst Du manchmal dann doch, an bekannten Orten neue Perspektiven zu finden oder meidest Du sie völlig?

Meist meide ich sie, aber ja, im Suchen von neuen Winkeln, die man noch nicht gesehen hat, liegt noch eine Herausforderung. Am Eibsee zum Beispiel, da gehen viele nur die ersten paar Meter zum Ufer und machen ihr Foto. Als ich dort war, bin ich einfach mal viel weiter herum gegangen und habe einen schönen Steg gefunden. So etwas freut mich, denn ein Foto davon hatte ich noch nicht gesehen.

Steg am einem See

Aktuell sollte man ja nicht verreisen und kann es teilweise auch nicht. Was machst Du in dieser Zeit?

Ich habe zum Glück noch einen Hauptjob, deshalb arbeite ich immer noch. Als das Reisen in diesem Jahr noch möglich war, war ich in Österreich und im März an der Ostsee. Darauf hat es sich dieses Jahr beschränkt, was auch völlig in Ordnung ist.

Zurzeit bin ich hier in den heimischen Wäldern unterwegs. Ich wohne in Bielefeld am Teutoburger Wald, wo man wunderschön spazieren gehen kann. Ich muss auch nicht jedes Mal meine Kamera mitnehmen, sondern ich genieße oft auch einfach nur die Natur und freue mich, etwas raus zu kommen und den Kopf frei zu bekommen.

Wenn Du die Kamera doch einpackst, welche Technik nimmst Du mit? Ich nehme an, ein großer Rollkoffer mit verschiedenen Objektiven ist beim Wandern etwas hinderlich?

Absolut! Ich habe zwar verschiedene SIGMA-Objektive, aber meistens habe ich mein SIGMA Art 24–70 mm f/2.8 dabei. Damit bin ich sehr flexibel, kann Weitwinkelaufnahmen machen, komme aber auch nah dran, wenn ich möchte. Das reicht zumeist völlig aus.

Als Kamera hatte ich früher die Canon 6D Mark II dabei, aber sie ist doch ein schwerer Klotz und ich versuche beim Wandern auf jedes unnötige Gramm zu verzichten. Deshalb arbeite ich jetzt auch mit der SIGMA fp. Eine ganz kleine und leichte, spiegellose Vollformatkamera.

Licht fällt auf eine Landschaft

Die SIGMA fp ist aktuell ja sogar die leichteste Vollformatkamera auf dem Markt, soweit ich weiß. Wie war die Umstellung von einem System zum anderen für Dich?

Ich und mein Freund haben in Österreich einen Rundwanderweg gemacht und sind zu fünf Hütten gewandert. Da konnte ich die Sigma fp ausgiebig testen und es war sehr entspannt. Ich konnte sie über meiner Schulter baumeln lassen oder auch schnell aus dem Kopffach am Rucksack holen und sie war direkt startklar.

Es war tatsächlich meine erste Erfahrung mit einer spiegellosen Kamera und ich war lange eine Verfechterin von Spiegelreflexkameras. Da war ich dann doch ein Gewohnheitstier. Aber es macht allein gewichtstechnisch so einen großen Unterschied!

Zuerst fühlte sich die kleine SIGMA an wie eine dieser guten alten Digitalkameras, die man so als allererstes hatte. Einfach, weil sie so klein ist. Sie hat auch keinen Sucher und man macht alles über den Bildschirm. Das war erst einmal sehr ungewohnt.

Aber sie fokussiert im Vergleich sehr schnell und die Umstellung war gar nicht mehr schwer, als ich die Vorteile für mich erkannt hatte. Es wird sicher noch etwas dauern, bis ich absolut sicher mit der Kamera bin, aber ich merke schon jetzt, dass sie den Platz meiner Canon einnimmt.

Hütte vor verschneiten Bergen

Wie wählst Du Deine Reiseorte aus? Insbesondere, da Du ja nicht die typischen Plätze abklappern möchtest, lässt Du Dich ja wahrscheinlich nicht von Instagram inspirieren, nehme ich an?

Genau, wenn ich hier in der Gegend unterwegs bin, dann suche ich auf Ecosia nach Wanderungen. Es gibt dafür viele tolle Seiten, wie etwa Komoot. Dort schaue ich mir die einzelnen Routen an und überlege, ob sie vielleicht nach oben auf einen Hügel führen oder ob es schöne Aussichtspunkte gibt. Vielleicht gibt es auch schöne alte Bäume auf dem Weg oder ähnliches.

Wenn es eine größere Reise ist, die über ein oder zwei Wochen gehen soll, dann sind in meinem Kopf schon einige Orte, die ich mal besuchen möchte. Diese schaue ich mir dann mitsamt ihrer Umgebung per Google Maps an. Ich suche dabei zum Beispiel nach Leuchttürmen, weil ich ein großer Leuchtturmfan bin oder suche nach interessanten Küstenabschnitten.

Dann stoße ich zufällig wieder auf Orte, die von oben interessant wirken und schaue mit Ecosia, wie die so aussehen. Ich suche mir dann Wanderungen in den Gegenden aus und schaue, wo man vielleicht auch gut in der Nähe zelten könnte.

Leuchtturm auf einer Klippe

Bleiben wir mal beim Beispiel des Leuchtturms. Schaust Du Dir vor einer Wanderung möglichst viele Bilder anderer Leute von Leuchttürmen an oder gehst Du völlig unbeeinflusst zum Ort?

Ich versuche, möglichst unbeeinflusst zu den Orten zu gehen. Das einzige ist, dass ich mir Bilder suche, auf denen ich erkennen kann, woher das Licht kommt. Also in welcher Richtung geht die Sonne auf? Oder wie sieht es vor Ort bei Sonnenuntergang aus? Mehr als ein oder zwei Fotos schaue ich mir vorher nicht an.

Meine Inspiration kommt dann vor Ort. Ich schaue mich dann dort um und suche mir eine Perspektive. Natürlich kann ich mich nicht davon freisprechen, auch Fotos gemacht zu haben, die es so schon gab, aber ich versuche die Orte für mich zu entdecken.

Manchmal mache ich auch gar kein Foto. Dann sah der Ort auf Ecosia super aus, aber es passt an dem Tag einfach nicht. Das ist auch in Ordnung und ich genieße es einfach für mich, ohne ein Foto davon zu machen. Das Foto steht nicht immer im Vordergrund.

Sich spiegelnde Landschaft in einem See

Fällt es Dir manchmal schwer, den Ort nicht nur durch die Kamera zu betrachten, sondern auch für Dich zu genießen?

Ja, darauf muss man als Landschaftsfotograf*in ganz besonders achten, um das nicht aus den Augen zu verlieren. Am Anfang war ich viel öfter auch ohne Kamera unterwegs und habe nur das Handy mitgenommen, um im Notfall Bescheid zu geben.

Im Laufe meiner Fotografie habe ich mich dann schon öfter dabei ertappt, dass ich gedacht habe: Wenn Du davon kein Foto bekommst, wäre das richtig blöd. Und dann konzentriert man sich viel mehr auf die Kamera als auf die Landschaft. Da muss ich mir dann selbst in den Hintern treten, dass ich das nicht mehr mache.

Ich bin mittlerweile ganz gut darin, nicht mehr so einen großen Wert auf die Bilder zu legen, sondern erst einmal die Gegend, die Atmosphäre, Gerüche oder auch die Temperaturen selbst wahrzunehmen, bevor ich dann die Kamera in die Hand nehme. Aber es ist eine Herausforderung.

Ja, das kann ich mir vorstellen. Ich behaupte, man sieht Deinen Bildern auch an, dass Du wirklich mit allen Sinnen an den Orten warst. Vielen Dank für das schöne Gespräch und viel Erfolg weiterhin!

Wasserfall in einem Wald

SIGMA Online Days 2020

Ihr wollt mehr von Maike sehen und hören? Dann schaltet zu den SIGMA Online Days ein, die in diesem Jahr online stattfinden werden. Dann werden neben Maike auch weitere Expert*innen über Fotografie und Technik sprechen und als Publikum könnt Ihr live Fragen stellen. Zudem gibt es auch ein Gewinnspiel mit großartigen Preisen. Seid gespannt!

Direktlinks zu Youtube:
10. Dezember
11. Dezember

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