27. November 2020 Lesezeit: ~12 Minuten

Maruan Bahrour eröffnet eine Kunstgalerie in Köln

Im digitalen Zeitalter eine eigene Kunstgalerie zu gründen, ist das eine. Das auch noch während einer Pandemie anzugehen, das andere. Ich habe mit Maruan Bahrour gesprochen, der das nicht nur trotzdem, sondern auch erst recht gerade jetzt macht und zurzeit mit einer Crowdfunding-Kampagne sammelt, um im Januar „The Stage Gallery“ in Köln zu eröffnen.

Hallo Maruan, danke, dass Du Dir die Zeit für ein Interview nimmst! Wer bist Du, was machst Du?

Ich bin Fotokünstler, Veranstalter verschiedener Kunstevents und Gründer der InstantCologne, einer internationalen Polaroid/Fuji-Instax-Ausstellung im Rahmen des Photoszene-Festivals Köln. Nun sammle ich Geld, um eine Kunstgalerie – mit Schwerpunkt Fotografie – in Köln zu eröffnen.

Ich arbeite seit Mitte der 1990er Jahre als freiberuflicher Fotokünstler in Köln und Hamburg. Polaroid war dabei immer ein fester Bestandteil meines Arbeitsprozesses, sei es in der vordigitalen Zeit zu Testzwecken oder als bewusst gewähltes Medium für Kunstprojekte. In den letzten zehn Jahren habe ich in verschiedenen Städten unter dem Namen „Showcase… the one night gallery!“ eine Kunstveranstaltung organisiert.

Menschen in einer AusstellungMenschen in einer Ausstellung

Gibt es nicht schon genug Kunstgalerien? Was wird Deine von anderen unterscheiden?

Das besondere Konzept dieser Galerie ist es, nicht nur bereits etablierten, sondern auch aufstrebenden Künstler*innen aus aller Welt eine Bühne zur Präsentation ihrer Werke zu bieten. Durch monatlich wechselnde Gruppenausstellungen möchte ich Künstler*innen die Möglichkeit bieten, neue Kontakte zu knüpfen und Netzwerke zu bilden. Diese Galerie soll auch ein Treffpunkt für kulturelle Veranstaltungen – Musik, Literatur und so weiter – sein.

Ich denke außerdem, dass es gar nicht genug Räume geben kann, um Kunst zu zeigen! Sicherlich gibt es gerade in den großen Städten schon eine Menge Galerien, aber die meisten davon sind eher traditionell ausgerichtet. Das heißt, sie vertreten eine bestimmte – meist überschaubare – Anzahl Künstler*innen auf vertraglicher Basis. Diesen sind sie damit auch verpflichtet, da bleibt wenig Raum für Experimente.

Werke in einer Ausstellung

Aufstrebende und daher sehr oft noch nicht etablierte Künstler*innen haben es sehr schwer, ihre Werke in einem solchen Umfeld zu präsentieren. Für den Nachwuchs bleiben die Türen meist verschlossen. „The Stage Gallery“ möchte – neben den klassischen Veranstaltungsformaten wie etwa Einzel-ausstellungen – auch „neuen“ Künstler*innen mit wiederkehrenden, offenen Gruppenausstellungen eine unkomplizierte Präsentationsmöglichkeit bieten.

Ein weiteres Highlight und zugleich ein Schwerpunkt der Galerie werden regelmäßige internationale Fotoausstellungen sein, die Fotograf*innen aus allen erdenklichen Ländern die Möglichkeit bieten, ihre Fotos in Köln, der Stadt der Photokina, zu zeigen. Des Weiteren soll es artverwandte Veranstaltungen geben, aber zu viel möchte ich jetzt noch nicht verraten.

schwarzes Polaroid, Lichtspuren vor erleuchteter Turmuhr

© Maruan Bahrour

schwarzes Polaroid, Portrait mit vorgehaltenen Händen

Was wird die konzeptuelle Klammer der Galerie sein, wenn sie sich nicht nur auf Fotografie oder spezieller die Sofortbildfotografie beschränkt? Wird gezeigt, was der Galerist gut findet?

Ein Schwerpunkt soll zukünftig die Fotografie in ihren verschiedensten Formen sein. Von Polaroid, Wetplate, experimentellen Verfahren bis zur klassischen Fotografie. Es sind monatliche Ausstellungen – mehrheitlich themenbezogen – vorgesehen. Ferner wird die InstantCologne – als reine Sofortbild-Ausstellung – ein jährliches Highlight sein, wenn auch mit leichten Veränderungen in der Zukunft.

The Stage Gallery versteht sich aber grundsätzlich als eine „offene“ Galerie, es wird also keine Selbstbeschränkung geben. Erst einmal sind alle Formen künstlerischen Schaffens denkbar und willkommen, aber auch hierbei wird es meist ein Thema als Vorgabe geben und nicht immer müssen uns persönlich die Werke gefallen. Viel wichtiger ist es, spannende Ausstellungen zu zeigen!

Collage aus 12 Polaroids

© Ina Echternach

Polaroid Portrait mit Eiffelturm

© Ariel Shelleg

Warum genau jetzt, mitten in einer globalen Pandemie, eine Galerie gründen?

Diese Frage ist durchaus berechtigt, aber eine Krise sollte man ja nicht einfach nur aussitzen, sondern auch versuchen, sie zu bewältigen! Vielen Menschen sind durch die Pandemie und den damit einhergehenden Entwicklungen erhebliche Verluste entstanden. Nicht nur finanziell; auch das soziale Leben wurde stark eingeschränkt.

Besonders hat es dabei die Kulturbranche – in allen Bereichen – getroffen. Für bildende Künstler*innen ist die Ausstellungstätigkeit die wichtigste Form des Austauschs mit dem eigenen Publikum und nicht selten auch die wichtigste Einnahmequelle. The Stage Gallery möchte gerade in dieser Situation ein positives Signal senden und einen aktiven Beitrag zum Erhalt einer lebendigen Kunstszene leisten.

schwarzes Polaroid mit Gold einer Konstruktion

© Maruan Bahrour

Gerade in der jetzigen Zeit sind immer mehr kulturelle Einrichtungen von einer Schließung bedroht. Dies wäre ein großer Verlust für das gesellschaftliche Leben, da Kunst uns alle bereichert und gerade in schwierigen Zeiten Menschen miteinander verbindet. Ich möchte mit meiner Galerie besonders jetzt Künstler*innen eine Perspektive bieten.

Die Idee zu dieser Galerie spukte aber auch schon eine Weile in meinem Kopf herum – um genau zu sein, etwas mehr als zwei Jahre. Seit Mitte 2019 war ich dann konkret auf der Suche nach einem geeigneten Ort. Sie ist also nicht als Schnellschuss aus den Umständen der Pandemie geboren, bekommt dadurch aber jetzt vielleicht einen anderen Stellenwert.

buntes abstraktes Bild

© Maruan Bahrour

Welche Erfahrungen, Kontakte und vielleicht auch welches Team hast Du, die Dich sicher machen, die Galerie etablieren und langfristig unterhalten zu können?

Ich habe ja bereits 2010 eine Veranstaltungsreihe mit dem Titel „Showcase… the one night gallery!“ in Bonn und später auch in Hamburg ins Leben gerufen. Dabei handelte es sich um monatliche Gruppenausstellungen in der Form einer Kunstveranstaltung mit Künstler*innen aus allen Bereichen wie Malerei, Fotografie, Bildhauerei, Video und mehr.

Parallel organisierte ich auch immer wieder ganz klassische Ausstellungen mit befreundeten Künstler*innen und auch meine eigenen Shows. Das waren schon sehr lehrreiche Projekte, dabei kommt das Know-how dann von ganz allein, wenn man diese Sachen selbst in die Hand nimmt.

Ende 2018 kam mir, beim Besuch der Paris Photo, dann die Idee zur InstantCologne, einer internationalen Polaroid/Fuji-Instax-Ausstellung im Rahmen des Festivals Photoszene 2019 in Köln. Nach dem überragenden Erfolg und der durchweg positiven Resonanz, auch aus dem Ausland, war klar: Eine eigene Galerie muss her!

Portrait

© Maruan Bahrour

Portrait

Allein ist so ein Projekt in diesem Ausmaß allerdings nicht so einfach zu stemmen, da war es schon ein Glücksfall, eine zuverlässige Partnerin, die mir bei der Realisierung der InstantCologne bereits geholfen hatte, auch für diese Idee begeistern zu können.

Sigrun Schneider, selbst auch Künstlerin, und ich bilden das Kernteam von „The Stage Gallery“. Wir sind allein für die Ausrichtung der Galerie verantwortlich, werden aber von einem Pool sehr guter Freund*innen, die etwa Fotodrucker, Rahmenproduzent und erfolgreiche Blogger*innen sind, und uns mit ihrer Kompetenz jederzeit zur Seite stehen, unterstützt.

Kunstportrait, Person zeigt zwei Daumen hoch

© miegL

Wie ist der aktuelle Stand in Deiner Planung? Was steht schon, was muss noch gemacht werden?

Zunächst sind wir mit der Renovierung und der Einrichtung der Galerie beschäftigt. Dieser Prozess wird noch bis Ende des Jahres dauern. Auch wird gerade an der Webseite gearbeitet, noch gibt es ja nicht so viel zu zeigen. Die Planung der ersten Gruppenausstellung „First Stage“ hat allerdings schon begonnen und die Bewerbungsphase ist gerade abgeschlossen.

„First Stage“ wird eine gemischte Gruppenausstellung mit – und das ist uns für die Premiere sehr wichtig – Künstler*innen aus der Region sein. Das schließt natürlich auch Düsseldorf mit ein!

In welche Ausgaben fließt das Geld, das Du aktuell in Deiner Crowdfunding-Kampagne sammelst?

Die Spenden werden verwendet, um die Miete der Galerie für das erste Jahr zu zahlen, also um sicherzustellen, dass der Betrieb ohne Unterbrechung laufen kann. Weiter, um Inventar für die Galerie – einschließlich eines neuen Fußbodens, Bilderrahmen und Stellwände – zu kaufen und möglicherweise das Gehalt eines Teilzeitmitarbeiters zu meiner Unterstützung zu decken.

Konzertportrait

© Maruan Bahrour

Konzertportrait

Gibt es neben Spenden für die Kampagne weitere Möglichkeiten, Dich bei der Galeriegründung zu unterstützen?

Finanzielle Unterstützung – gerade in dieser Zeit – ist besonders willkommen, da wir leider keinen Anspruch auf eines der staatlichen Hilfsprogramme im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie haben. Wir waren dafür einfach zu spät dran mit unserer Gründung und davor waren wir halt nur Veranstalter ohne eigenen Ort, hatten also keine laufenden Betriebskosten.

Eine Crowdfunding-Kampagne schien uns da eine gute Idee zu sein, um uns etwas finanzielle Sicherheit für das erste Jahr zu verschaffen, das ja nun ganz anders verlaufen wird als gedacht und sicherlich durch weiterhin nötige Einschränkungen des öffentlichen Lebens so schnell keine dicht gedrängten Besuchermassen auf unsere Vernissagen spülen wird.

Wir freuen uns aber auch sehr über jede Form von Werbung, sei es durch die Weiterleitung unseres Spendenaufrufs, unserer Ausschreibungen, Erwähnungen in Blogs, Berichten in den Medien und natürlich riesig über Interviews wie dieses!

Ganz besonders werden wir uns im neuen Jahr über Besucher*innen freuen, in welcher Form auch immer das dann möglich sein wird. Und über Kuchen während der Renovierungsphase im Dezember!

Landschaftsaufnahme am Meer

© Maruan Bahrour

Wann wird die Galerie eröffnet und was erwartet Besucher*innen in der ersten Zeit?

Wir starten im Januar 2021 mit unserer ersten, bereits erwähnten Gruppenausstellung „First Stage“, die als unsere offizielle Eröffnung Mitte Januar geplant ist. Gewöhnlich feiert man so ein Ereignis ja mit möglichst unzähligen Freund*innen und Gästen, aber selbstverständlich werden wir uns an die dann aktuell geltenden Vorgaben zum Infektionsschutz halten, wodurch es wohl eher ein etwas stilleres Fest werden wird.

Dies liefert uns aber auch einen guten Grund, die große Party zu einem späteren Zeitpunkt unter besseren Voraussetzungen nachzuholen!

Gemälde

© Ursula Krenzler

Kunst Objekt im Raum

© Brigitte Mekelburg

Was für digitale bzw. virtuelle Anteile und Ableger wird es geben, inwieweit ist eine Galerie in Köln auch spannend für alle, die nicht unmittelbar vor Ort sind?

Für den Anfang wird sich der digitale Anteil neben der Webseite auf unseren Instagram-Auftritt beschränken. Es sind zwar virtuelle Ausstellungen geplant, jedoch sollen diese lediglich begleitend sein. The Stage Gallery sieht sich als kommunikativer Knotenpunkt, der Menschen real miteinander verbinden und den persönlichen Austausch fördern möchte!

In einer anderen, als der eigenen Stadt – und ganz besonders in Köln – auszustellen, ist immer spannend! Nicht nur für die eigene Vita, die sich damit interessanter gestalten lässt, sondern auch, um über den Tellerrand zu blicken und neue Kontakte zu knüpfen. Sicher, Netzwerke lassen sich auch prima über Social-Media-Plattformen aufbauen, jedoch kann für wahre Künstler*innen nichts den Auftritt auf der realen Bühne ersetzen.

buntes abstraktes Bild

© Sigrun Schneider

Als ich Deine Kampagne zum ersten Mal sah, fand ich die Idee klasse, hatte aber eher den Eindruck einer fixen Idee. Den hast Du nun ja schon ausgeräumt. Da Du nicht den ganzen Prozess vloggst, nehme ich an, dass es noch viel mehr gibt, was man online überhaupt nicht mitbekommt.

Ja, richtig! Der auf der Kampagnenseite sichtbare Stand zeigt auch nicht die ganze „Wahrheit“. GoFundMe ist als Crowdfunding-Plattform eher in den USA geläufig, hat uns aber gegenüber anderen Anbietern zum Beispiel den Vorteil geboten, dass wir die Kampagnenzeit nicht begrenzen und keine Mindestspendenmenge im Zeitraum X erreichen müssen, um anfangen zu können.

Einer der Nachteile, wenn man es so nennen möchte, ist, dass viele Menschen aus dem deutschen Sprachraum, die mit der Plattform nicht vertraut sind, die Galeriegründung aber unterstützen möchten, sich dann bei mir gemeldet haben, um einen direkten Spendenweg zu erfragen.

Außerdem war die Resonanz auf unseren Bewerbungsaufruf für „First Stage“, die Gruppenausstellung zur Eröffnung, einfach nur überwältigend. Wir hatten so viele Bewerbungen von unglaublich tollen Künstler*innen, dass es im Februar einen „Zusatztermin“ mit einer „First Stage Vol. 2“ geben wird!

Danke für diese Einblicke, Maruan! Ich bin gespannt darauf, den weiteren Weg von The Stage Gallery zu verfolgen und freue mich darauf, bei der Eröffnung im Januar hoffentlich mit dabei sein zu können. Und wünsche Deiner Crowdfunding-Kampagne noch viel Erfolg!

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