22. Juli 2020

Visuelle Interpretationen von Songs

Die Band „DMN – Demian“ aus Berlin gibt es mittlerweile schon seit mehr als zehn Jahren. Sie haben in dieser Zeit kontinuierlich ihren Sound weiterentwickelt und treten in regelmäßigen Abständen in ihrer Heimatstadt auf. Die Musik von DMN würde man, wenn man sie einzuordnen versucht, als Progressive Rock bezeichnen.

Sie ist gekennzeichnet von tiefen Bässen, flächigen Sounds und knackigen Beats – einem Wechselspiel zwischen klaren und verzerrten Gitarren. Gefühlt ist sie sehnsuchtsvoll und atmosphärisch. Man kann sich ihr hingeben, mitschwingen und zugleich zu härteren Rockpassagen in mitreißenden Enthusiasmus verfallen.

Ich bin mit den drei Bandmitgliedern – Luka, Melle und Costa – seitdem ich nach Berlin gezogen bin, befreundet und habe viele ihrer Konzerte fotografiert. Vor etwa einem Jahr fragten sie mich, ob ich Lust hätte, zu jedem ihrer Songs des neuen Albums eine Fotocollage anzufertigen, die meine ganz persönlichen Empfindungen und Gefühle zum jeweiligen Track widerspiegelt. Da ich großer Fan ihrer Musik bin, musste ich nicht lange überlegen und sagte zu.

Meine Collagen sind subjektiv und entstanden aus der jeweiligen Stimmung heraus. Sie sind abgeleitet von Textpassagen oder gekoppelt an rein musikalische, emotionale Wahrnehmungen. Jetzt, mit etwas Abstand zum Gestaltungsprozess betrachtet, kann ich noch nicht einmal jedes Bild im Detail erklären – jede Collage ist Ausdruck des Moments.

Für die eine habe ich ein paar Stunden gebraucht, an anderen habe ich etwas länger gearbeitet. Andere Entwürfe musste ich aufgeben und fing wieder von vorn an. Die Grundlagen für die Fotomontagen waren einerseits Fotos aus meinem eigenen Archiv, andere habe ich wiederum neu dafür aufgenommen.

„Globe“ beispielsweise ist ein Song, der die Interpretation zulässt, dass es inhaltlich um den Klimawandel geht. Ungefähr ein Jahr vor der Entstehung der Collage fotografierte ich meinen Kollegen unten bei uns auf der Arbeit im Hof. Es war ein kalter Tag im Winter, gefühlt der einzige, an dem es in diesem Jahr schneite. Luka, der Gitarrist und Sänger, der für die Songtexte der Band verantwortlich ist, gab mir den fertig gemixten Song.

Ich hörte ihn an und erinnerte mich an das Bild im Hof. Schnell war die Idee mit der Überlagerung des Himmels mit Wolkenspiel entstanden, die für mein Empfinden einerseits gut zum Text und andererseits gut zur subtilen, harmonischen aber dennoch kraftvollen Melodie von „Globe“ passt. So entstand die Idee zum Bild in diesem Fall also sehr schnell. Wie auch dieser Collage ist allen Fotomontagen der Reihe die Irritation gemein. Diese ist entweder geografisch, maßstäblich, beides zugleich oder sie entsteht durch die Überlagerung mehrerer Fotos.

Collage einer Person, die auf Wolken läuft

Collage zum Lied „Globe“

Ein anderes Beispiel, bei dem sich bei mir durch die musikalische Anmutung des Songs ein starkes Gefühl entwickelte, war „Tectonics“. Der Track ist sehr schnell, musikalisch etwas härter und schriller als alle anderen. Fast schon angsteinflößend. Als ich über ein Bild zum Song nachdachte, waren die ersten intuitiven Gedanken, dass ich etwas Gegensätzliches darstellen wollte. Etwas Ambivalentes – eine Art Kontrast – schwarz und weiß.

Nach einigen Stunden bzw. Abenden am Rechner erschien mir das bis dahin entstandene Bild allerdings als zu stereotypisch, ohne es näher zu beschreiben. Ich verwarf die Idee, an der ich lange gearbeitett hatte und hörte mich nochmals sehr intensiv in den Track hinein.

Die finale Idee war eine Art im Takt schwingende Menschenmenge. Durch die Überlagerung von vier Gesichtern und die Spiegelung der Gesichtshälften entstand ein kollektives Phantombild, das für mich die Härte des Songs und die teils aggressive Stimmung etwas differenzierter als der Entwurf zuvor widerspiegelt. Es stellt ein Gefühl dar, das für mich einerseits wahnsinnig mitreißend ist, andererseits auch schnell eine Sehnsucht nach harmonischeren Tönen auslöst.

Collage in der zwei Gesichter ineinander verschmelzen

Collage zum Lied „Tectonics“

Andere Bilder der Reihe entstanden auch durch die Geschichte hinter dem Song und sind sehr autobiografisch durch den Songwriter und Gitarristen Luka geprägt. Er erzählte mir die Ideen zu den Tracks aber erst nach der Entstehung der Bilder. Da ich ihn und seinen Werdegang aber schon sehr lange kenne, habe ich rückwirkend vieles in den Songtexten richtig interpretiert.

Ähnlich wie die Musik sollen auch die Collagen/Fotomontagen die Betrachter*innen und Hörer*innen einladen, beides auf sich wirken zu lassen und den eigenen Empfindungen – akustisch und visuell – Raum für Interpretationen zu geben. So ließ mir die Band auch freie Hand bei der Gestaltung der Bilder und fand die so entstandenen Collagen passend zu ihren Songs und vor allem war es auch interessant für sie zu sehen, welche Assoziationen ich zu diesen hatte.

Schattenriss einer Person vor Bäumen

Collage zum Lied „Breezes“

Collage aus zwei Bildern. Unten ein Wald im Schnee und oben eine Hausmauer mit Lampe

Collage zum Lied „Again“

Eine Person ist umhüllt von einem Laken und steht in grünen Büschen

Collage zum Lied „Influx“

Unscharfes Gesicht

Collage zum Lied „NYX“

Collage eines Raums mit Betonboden unten und einer Felswand von oben

Collage zum Lied „Obstinate“

Collage zum Lied „Oxygen“

Collage von Wasser im Vordergrund und einem Himmel voller Vögel

Collage zum Lied „Take me far“

Collage einer Menschenmenge vor einer fahrenden Bahn vor einem Wolkenhimmel

Collage zum Lied „Owe you nothing“

Noch sind nicht alle Songs vom neuen Album veröffentlicht, aber man kann sich von den ersten Titeln schon einen Überblick auf Youtube verschaffen. In den nächsten Monaten werden nach und nach alle zehn Songs veröffentlicht. Die visuellen Gedanken hinter jedem Track gibt es vorab schon hier zu sehen.

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