12. Februar 2019 Lesezeit: ~4 Minuten

Die Welt hinter dem Spiegel

Meine erste Systemkamera wurde in einen Schrank verbannt, nachdem sie durch ein neueres Modell ersetzt wurde. Sie hatte so ihre Eigenheiten, war aber im Grunde eine sehr gute Kamera. Auf dem Gebrauchtmarkt würde sie nicht mal mehr ein Appel und ein Ei einbringen und so fristete sie einsames Dasein.

Durch Zufall habe ich von jemandem erfahren, der Digitalkameras auf Infrarot umbaut, also den Sperrfilter vor dem Sensor austauscht. Da kam mir die Idee, meiner alten Kamera einen neuen Zweck zu verleihen und diesen Umbau vornehmen zu lassen. Der Umbau funktionierte reibungslos, doch das war nur der Anfang. Schnell musste ich feststellen, dass zum einen nicht jedes Objektiv für diese Art der Fotografie geeignet ist (Stichwort „Hotspot“) und zum anderen ist es gar nicht so einfach, die Motive einzuschätzen.

Bachlauf

Baum über einem Bach

Das ist so ähnlich, wie mit Schwarzweißfotografie ohne Liveview und ohne elektronischen Sucher. Früher hat man immer gesagt, „man muss lernen, schwarzweiß zu sehen“. Meine ersten Versuche waren alle für die Tonne und das, obwohl ich mich als erfahrenen Fotografen bezeichnen würde. Tatsächlich musste ich erst Erfahrungen sammeln, um zumindest ungefähr einschätzen zu können, ob ein Motiv für diese Art der Fotografie taugt.

Eine große Hilfe ist der elektronische Sucher der Systemkamera. Nach dem Umbau sah man alles in violetten Tönen. So konnte man höchstens den Bildaufbau prüfen, nicht aber, wie der Infrarot-Effekt wirkt. Irgendwann kam ich auf die Idee, den Sucher auf schwarzweiß mit Rotfilter und hohem Kontrast einzustellen. Das ist zwar immer noch nicht das Endergebnis, doch sieht man so schon eher, wie der Infrarot-Effekt wirkt.

WaldKölner Dom

Die Bilder selbst muss man dann noch am Computer „entwickeln“. Dazu gibt es viele Tutorials im Internet, mit denen man anfangen kann. Da das menschliche Auge diesen Bereich des elektromagnetischen Spektrums nicht wahrnehmen kann, kann kein Mensch sagen, wie das wirklich aussieht. Zumal selbst der für Menschen sichtbare Teil des Lichts vom Gehirn verarbeitet und interpretiert wird. Daher hat man im Infrarot-Bereich viel Spielraum für Experimente.

So sieht man in meinen Infrarot-Bildern eine gewisse Entwicklung, die sich sicherlich fortsetzen wird, denn irgendwann hat man sich an einem Look satt gesehen. Außerdem macht das Experimentieren viel Spaß. Ich habe aber nicht nur den farblichen Look weiter entwickelt, auch inhaltlich habe ich mich von den Anfängen wegbewegt.

Baumkronen

Bachlauf in rosa

Anfangs stand natürlich viel Natur und Landschaft auf dem Programm, denn das Chlorophyll in den Pflanzen lässt die Blätter bei entsprechender Bearbeitung der Bilder strahlend weiß erscheinen. So wirken im Prinzip alltägliche Motive exotisch und surreal, was die Bilder sehr plakativ macht. Da ich keine Filter vor der Linse nutze, sind kurze Verschlusszeiten möglich. So habe ich angefangen, auch Menschen und ihre Umgebung auf diese Weise zu fotografieren.

Besonders Spaß machen mir derzeit aber Bilder, die wirken, als hätte man sie auf einem anderen Planeten gemacht. Und zwar ohne sie zu inszenieren oder Composings per Bildbearbeitung zu erstellen. Ich wähle mittlerweile gezielt Motive aus, die sich dafür eignen und greife auf Stilmittel wie Perspektive oder Ausschnitt zurück. Besonders mag ich es, wenn ich absichtlich die Position und Perspektive wählen kann, um extreme Blendenflecke zu produzieren. Ich weiß, das ist nicht jedermanns Geschmack, aber ich mag das sehr. Ich finde, das lässt die Bilder noch fantastischer aussehen.

Rosa LichterRiesenrad

Aus der anfänglichen Spielerei ist für mich ein weiterer fotografischer Weg entstanden und eine weitere Art, mich künstlerisch auszudrücken. Zu diesem Endlos-Projekt habe ich auch einen kleinen Foto-Blog angelegt: World behind the mirror (engl.: Welt hinter dem Spiegel). Ähnlich wie ein Spiegelbild zeigt die Infrarot-Fotografie die uns vertraute Welt, aber irgendwie doch anders.

Ähnliche Artikel