08. August 2018 Lesezeit: ~4 Minuten

Die Welt ist nicht genug um 7 Uhr morgens

Wie ist es, Kind zu sein? Wie war es, selbst Kind zu sein? Wenn das Leben im Hier und Jetzt stattfindet. Immerfort. Wenn man keine Sorgen wegen gestern oder Gedanken an morgen hat. Wenn nur der Moment zählt. Diesem Hier und Jetzt möchte ich mich in meinem Langzeitprojekt „the world is not enough at seven o’clock in the morning“ fotografisch nähern. Nicht als Vater, sondern als Fotograf und möglichst abseits der gängigen Klischees von Familienalben.

Aus der Sicht eines Erwachsenen wird die Kindheit zumeist als eine Zeit gesehen, die vor allem durch Liebe, Freude und Geborgenheit geprägt ist. Als Kind jedoch befindet man sich zuweilen auf einer Achterbahnfahrt der Gefühle und Eindrücke. Auf einem Trip, der durch das permanente Wechselspiel aus Abhängigkeit und Selbstbestimmung geprägt ist. Glück, Angst, Hoffnung, Schmerz, Geborgenheit und Selbstzweifel bestimmen das Tun. Dabei kann sich die Stimmung eines Kindes innerhalb weniger Sekunden fundamental ändern.

Zwei Kinder spielen mit Kisten

Wasserbomben

Bei der fotografischen Umsetzung versuche ich – anders als meine Eltern und Großeltern – die einzigartigen Momente meiner Kinder möglichst ungefiltert einzufangen und sie damit auch überhaupt sichtbar machen zu können: kein Posieren am Auto, kein der Reihe nach Aufstellen, bis das „perfekte“ Bild aufgenommen wurde. Wenn man heute nach Jahrzehnten das Familienalbum durchblättert, beschleicht einen zuweilen das Gefühl, dass nicht wir Kinder oder die Familie im Mittelpunkt der Aufnahmen stehen, sondern das damals neue Auto, der Urlaubsstrand oder die Burg im Hintergrund.

In den 1970er und 1980er Jahren ging es zuweilen mehr um das Später-zeigen-Können, was man hat und wo man war. Das möchte ich nicht. Ich möchte, dass in meiner Arbeit meine Kinder im Vordergrund stehen. Mit ihrer ganzen Persönlichkeit. Sie posieren nicht für mich und wir stellen keine Szenen nach oder veranstalten Fotosessions. Viel mehr versuche ich, als Fotograf und stiller Beobachter auf das Leben meiner Kinder zu reagieren. Da das Fotografieren zu unserem Familienleben schon von Anfang an dazu gehörte, werden sie davon auch nicht abgelenkt.

Ein Junge vor einem großen Feuer

Zwei Jungs

Die Kamera habe ich stets griffbereit, um möglichst viel im Alltag der Kinder zu fotografieren: zu Hause, in der Stadt, beim Spielen im Garten, beim Sporttraining, bei Ausflügen. Ich versuche, genaue jene natürlichen Verhaltensweisen einzufangen, die dem Wesen meiner Kinder am nächsten sind. Es sind die Gegebenheiten des Alltags in Mitteleuropa, die unser tägliches Leben bestimmen und die ich festhalten möchte.

Als Fotograf ist es mir wichtig, das Außergewöhnliche im Gewöhnlichen zu finden und neue Sichtweisen auf Bekanntes zu zeigen. Dabei gehe ich dosiert vor, da ich ja vor allem auch als Vater am Leben meiner Kinder teilhaben möchte.

Verkleidete Kinder

Junge mit Sheriffhut

Die technische Umsetzung halte ich einfach: Ich verwende eine Fuji X100F oder eine Fuji X Pro2 , wahlweise mit 35 oder 50 mm Festbrennweite (alles Kleinbild-Äquivalente). Ich fotografiere direkt in schwarzweiß. Lediglich der Ausschnitt und die Kontraste werden am Computer etwas angepasst. Die Konzentration auf eine kompakte Ausrüstung hat zum Vorteil, dass sie in (fast) jede Jackentasche passt, um sie möglichst immer dabei haben zu können.

Zusammen mit dem Kölner Fotografen Wolfgang Zurborn von der Lichtblick School habe ich einen Fotobuch-Dummy entwickelt. Das Buch habe ich beim Portfolio Walk der Deutschen Fotografischen Akademie im April 2108 erstmals vorgestellt und es war beim Athens Foto Festival bis Ende Juli 2018 zu sehen. Die Bilder stellen einen Auszug aus dem Buch dar. Es ist immer wieder faszinierend zu sehen, wie sich durch das Layout und die Anordnung der Bilder eine neue „lesbare Geschichte“ ergibt.

Buch-Dummy

Buch-Dummy

Buch-Dummy

Für die Zukunft plane ich, neben der Weiterentwicklung des Buchprojekts auch Bilder der Serie auszustellen. Über entsprechende Hinweise zu Ausstellungsmöglichkeiten freue ich mich.

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