29. März 2018 Lesezeit: ~23 Minuten

Der Saltonsee – Retro-Trip in ein anderes Amerika

Wer etwas übrig hat für Marodes und Skurriles, wer keine Angst vor Orten hat, die man durchaus als gruselig bezeichnen kann, wird an einem Ausflug zum Saltonsee in der kalifornischen Wüste sicher Gefallen finden.

Nur einen Katzensprung vom Joshua-Tree-Nationalpark entfernt, lässt sich das Gebiet mühelos in kurzer Zeit erreichen. Es liegt sozusagen am Weg, wenn man von Los Angeles aus auf der I-10 Richtung Osten unterwegs ist. Idealer Übernachtungsort für einen Besuch am Saltonsee ist das kleine Städtchen Indio, gelegen am Schnittpunkt der I-10 mit dem Highway 86.

Gut 900 km² groß ist der größte See Kaliforniens, den es eigentlich gar nicht geben dürfte. Seine Existenz verdankt das Gewässer einem „Unfall“ – so zumindest könnte man das nennen, was dort zu Beginn des vorigen Jahrhunderts vor sich ging.

Kaputte Flagge

Der See liegt im Imperial Valley, einem einstmals fruchtbaren Tal, dem aber im Jahr 1905 das Wasser ausging, weil der zuständige Kanal nicht mehr genug kostbares Nass aus dem Colorado River ins Tal leitete. Eigentlich würde der Colorado auf natürlichem Wege dem Tal ausreichend Wasser spenden, denn er verlegt sein Flussbett in regelmäßigen Abständen ins Imperial Valley. Leider geschieht das seit Urzeiten nur alle 400 bis 500 Jahre.

Und so lange wollte man partout nicht warten, damals im Jahr 1905, zumal der schon vorher gestartete Versuch mit dem Imperial-Valley-Kanal zu scheitern drohte. Kurz entschlossen baute man also neue Wasserwege zwischen dem Colorado River und dem durstigen Tal. Man schnitt regelrecht Kerben ins Flussufer, durch die das Wasser direkt ins Tal geleitet wurde. Nur leider hatte man sich verschätzt, was die Menge anging.

Der clevere Colorado ergriff flugs die Gelegenheit, ein paar hundert Jahre zu sparen. Seine Wassermassen brachen die Kerben auf fast einem Kilometer Länge auf, was ausreichend war, sein gesamtes Wasser, von dem gerade ziemlich viel vorhanden war, ins tiefer gelegene Imperial Valley zu schicken. Zwei Jahre lang tat er das ungehindert. Man kann sich vorstellen, dass da eine Menge zusammenkam. Erst 1907 gelang es, die Fluten einzudämmen und den vorwitzigen Fluss in sein altes Bett zu verweisen.

Vögel auf einem Mast

In dieser Zeit hatte sich längst der heutige Saltonsee in diesem tief in der San-Andreas-Verwerfung gelegenen Gebiet breit gemacht. Bei der Gelegenheit hatte der Colorado auch gleich die ehemalige Ortschaft Salton verschluckt. Nach ihr ist das Gewässer benannt. Man konnte allerdings rechtzeitig evakuieren. Der See liegt unter Meereshöhe, ziemlich genau 72 m darunter und nur fünf Meter höher als der „Tiefpunkt“ des Kontinents im Death-Valley-Nationalpark bei Badwater.

Sonderlich tief ist der See nicht, nur etwa 13 m mit abnehmender Tendenz. Mag sein, dass er irgendwann wieder verschwindet, aber das wird noch eine ganze Weile dauern. 30 km misst der See in der Breite und etwa 70 km in der Länge. Einen Abfluss hat er nicht und einen Zufluss auch nicht. Ein stehendes Gewässer also. Mit all den Problemen, die damit verbunden sind.

Rund um den See wird Landwirtschaft betrieben und deren Abwässer, inklusive Dünger, gelangen ins ohnehin schon mit Algen verseuchte Wasser. Dazu kommt der steigende und inzwischen extrem hohe Salzgehalt, unter anderem hervorgerufen durch den schon immer salzhaltigen Untergrund des Imperial Valley.

Mittlerweile ist das Wasser dort salziger als natürliches Meerwasser. All das führt zu massenhaftem Fischsterben. Die Ufer sind an manchen Stellen mit toten Fischen regelrecht gepflastert. Kein schöner Anblick, auch kein schöner Geruch. Es gibt seit Jahren eine Reihe Initiativen verschiedener Gruppierungen, den See zu retten. Ob es gelingt, wird man sehen.

Müll und tote Fische am Strand

Auch in anderer Hinsicht hat es diese Gegend in sich: Der See und die Umgebung liegen ziemlich exakt auf der San-Andreas-Verwerfung und das ist die vielleicht gefährlichste Ecke in Kalifornien. Die Erde bebt immer wieder. Zuletzt hat es 2016 rund um den See ordentlich gescheppert.

24 Stunden lang dauerten die Erschütterungen. Bis 4.0 wurde die Richterskala bemüht. Größeres ist längst überfällig und so wird die Gegend von Seismologen genau beobachtet. In Kalifornien reden alle von „The Big One“ – und wenn das kommt, wird es hier und anderswo im Land verdammt ungemütlich. Und der Saltonsee könnte der Ausgangspunkt sein.

Heutzutage sind der See und seine Ansiedlungen bei Weitem nicht mehr so attraktiv wie sie es in den 1950er und 1960er Jahren einmal waren. Damals entwickelte sich die Region zu einem Resort. In Ortschaften wie Salton City, Salton Sea Beach, Desert Shores, North Shore oder Bombay Beach wurden Hotels und die dazu gehörige Infrastruktur gebaut. Jede Menge Wochenendtouristen, meist aus dem Großraum Los Angeles, verbrachten ihre Freizeit an den Ufern des Sees. Selbst Hollywoods Stars und Sternchen waren in größerer Zahl vertreten.

Doch das währte alles nicht lange. Mit zunehmender Verschmutzung durch Dünger, Algen und Bakterien wurde die ehemalige Ferienregion zu einem nach faulen Eiern stinkenden Gewässer, das seine übel riechenden Gase in Form von Schwefelwasserstoff bis nach Los Angeles sendete. Schwimmen oder surfen ist nicht mehr möglich. Bootfahren nur bedingt oder mit viel Mut. Absaufen möchte man in dieser Brühe eher nicht.

Warum sollte man sich also den Saltonsee antun? Na ja, wie oben schon gesagt: Marodes und Skurriles. Tote Fische, Schlammtöpfe, Hippies, alles da. Wir fahren also hin. Unsere Reise beginnt in Indio. Dort gibt es ein paar alte Motels und Leuchtreklamen anzuschauen, die sich bei Dunkelheit immer noch ganz gut machen. Sie erinnern ein bisschen an die Route 66.

Hotel im Rückspiegel

Motelschild bei Nacht

Der Highway 86 führt uns nach Mecca. Dort zweigt die 111 ab, auf die wir nach links einbiegen und Kurs auf das Nord-Ost-Ufer des Sees nehmen. Man kann auch schon in Indio auf die 111 fahren, sie verläuft parallel zur 86, das nimmt sich am Ende nichts.

Am Boost Mobile begegnen wir mal wieder einem Muffler Man, dieses Mal kommt er als gigantischer Cowboy daher. Wir kennen solche Figuren ja schon von anderen Autoreisen. Sie sind recht fotogen, besonders im Abendlicht. Eigentlich müsste er etwas in den Händen halten, aber das Teil fehlt oder wird gerade erneuert.

Große Figur aus dem Auto heraus aufgenommen

Riesige Figur am Wegrand

Mecca beherbergt eine weitere „Attraktion“ in Form des International Banana Museum, das kurioserweise etwas außerhalb am Grapefruit Boulevard liegt – so heißt die 111 hier. Wie gesagt, es gibt Skurriles zu sehen am Saltonsee. Das natürlich in Chiquita-Gelb gehaltene Gebäude ist auf der rechten Seite nicht zu übersehen. Schon auf dem Parkplatz vor dem flachen Bau werden wir von der ersten Banane begrüßt.

Die sitzt da so auf einem Klappstuhl in der Sonne herum. Wir schauen hinein. Abenteuerlich, was man da alles an Kitsch zusammengetragen hat. Allerdings muss man anerkennen, dass tatsächlich jedes Stück „Banane“ ist. Mal mehr, mal weniger.

Plüschbanane

Viele Spielzeugbananen in einem Raum

Ein paar Meter weiter den Grapefruit Boulevard hinunter sieht man rechter Hand die Ruinen der Toro Loco Carniceria und der davor befindlichen Tankstelle. Das GAS-Schild ist etwas verblasst, hat aber standgehalten, genau wie das Schild vor der Metzgerei.

Das öffentliche Telefon, das noch vor nicht allzu langer Zeit vor der Mauer stand, ist inzwischen abmontiert, nur die kümmerliche Säule hält die Stellung. Nirgendwo steht „No Trespassing“, also kann man sich die Überreste etwas genauer anschauen, so man an derartigen Dingen Interesse hat.

Kaputter Laden

Kran an einer Palme

Die nächste Straße rechts (Marina Drive) bringt uns zum North Shore Beach and Yacht Club, von dessen ehemaliger Pracht kaum etwas übrig ist, obwohl die Anlage 2010 restauriert wurde. Ein wenig Betrieb herrscht dort aber immer noch. Man fragt sich, was die Leute hier machen. Bootfahren? Eher nicht. Schwimmen? Ganz sicher nicht. Angeln? Um Gottes Willen. Es liegen überall tote Fische herum. Fauliger Fischgeruch in der Luft. Kein Ort, an dem man lange verweilen mag, obwohl Nancy Sinatra hier einst die Hüften geschwungen hat. „Are you ready, boots?“

Yachthafen

See mit Hügeln im Hintergrund

Inzwischen den Abrissbaggern zum Opfer gefallen, war die weiße Schachtel – so zumindest sah das Gebäude mal aus – ein Café, an dessen Dachbalken man noch die Aufschrift „Beer & Bait“ erkennen konnte. An der Rückwand befanden sich aufgeklebte Werbeplakate.

Verlassenes Haus

Also weiter nach Bombay Beach. Die kleine Siedlung North Shore, die man über die Mecca Avenue erreicht, kann man getrost auslassen. Es gibt nicht viel zu sehen dort. Dahinter erstreckt sich auf 14 Meilen die sogenannte „Salton Sea State Recreation Area“. Recreation? Geschmackssache.

Bombay Beach – das war damals in den 1950er und 1960er Jahren ein blühendes Resort. Schwimmen, Wasserski, Golf. Ein Yachtclub. Man kann sich das kaum vorstellen, wenn man heute hierher kommt. Bombay Beach hat schon fast apokalyptische Züge angenommen. An der Einfahrt wird man von einem noch gut erhaltenen Schild mit „Welcome to Bombay Beach“ begrüßt. Es macht sich prima als Fotomotiv, morgens und abends besonders. Direkt daneben weist das „Salton Sea Recreation Area“-Schild die mutigen Erholungssuchenden immer noch auf den nahe gelegenen Campingplatz samt Picknickbereich hin.

Hinweisschild

Wir trauen uns also weiter, entlang der Avenue A. Nach ein paar hundert Metern zeigt sich eine Spur von Leben. In Form einer alten, rostigen Leichtreklame, die für das Ski Inn wirbt. Ski für Wasserski. Für die örtlichen Verhältnisse ist das Ding noch recht gut erhalten. Man kann dort essen und trinken. Die Briefkästen davor bezeugen, dass hier noch Menschen leben. Etwa 250 sollen es sein. Niemand lässt sich blicken. Dahinter der Bombay Market. Bier, Lebensmittel und so etwas. Kann sein, dass er geöffnet hat, kann auch nicht sein. Wir probieren es nicht aus. Aber in Betrieb ist er.

Hinweisschilder

Übrigens, Hans Petersen scheint nicht sehr beliebt zu sein in Bombay Beach. „Do not hire this man. Never finishes anything he starts, WILD MAN. Do not hire him.“ So jedenfalls steht es geschrieben auf einem großen Stück Papier, das sicher Hans Petersens bester Freund an eine Mauer gepinnt hat. Keine Ahnung, wer Hans Petersen ist, aber wir werden ihn natürlich nicht engagieren. Für was auch? Who knows?

Aushänge an einem Holzbrett

Bombay Beach ist ein Quadrat – ein Quadrat des Verfalls. Marode Häuser, Ruinen, ein paar sind bewohnt und etwas besser in Schuss, aber nur ein paar. Autos stehen daneben, Fahrräder, Golfmobile, man lebt hier irgendwie. Man lebt mit dem Verfall, mit dem allgegenwärtigen Schrott, dem Gestank des Sees. Den Trümmern am Ufer.

Hier liegt verschiedenstes Gerümpel herum: Die unvermeidlichen toten Fische natürlich. Ein Bootswrack, an bessere Zeiten erinnernd, auf den Felsen aufgebockt. Unwirklich und unheimlich das Ganze. Wie eine Filmkulisse für Stephen Kings neuesten Horrorroman. Wer traut sich im Dunkeln hierher? Wir sind nur einem Menschen begegnet und der war von auswärts. Er hat fotografiert. Wie wir. Bombay Beach im frühen Sonnenlicht. Muss man gesehen haben.

Altes Boot am See

Titer Fisch mit Müll

Es gibt einen Film über das Leben in Bombay Beach mit Musik von Bob Dylan. Lohnt sich anzusehen. Amazon hat ihn. Hier der Trailer:

Zurück zum Highway 111, dem Grapefruit Boulevard. Haben wir schon erwähnt, dass auch hier die Eisenbahn, genauer gesagt die BNSF (The Burlington Northern and Santa Fe Railway) mit ihren endlosen Güterzügen allgegenwärtig ist? Die Schienen verlaufen parallel zur Straße, wie wir es von der Route 66 kennen. Und entsprechend laut tuten die schweren Dieselloks bei jeder Gelegenheit.

Bei Sonnenuntergang liegt eine seltsame Atmosphäre über See und Strand. Auch das Licht ist „anders“ – irgendwie passt es zu diesem Ort. Tagsüber brennt die Sonne auf die Region. Kein Wölkchen am Himmel, nicht einmal ein kleines. Wer sich nach einem Fotohimmel sehnt, muss wohl lange warten. Denn „it never rains in Southern California“. Und dann singt Albert Hammond: „It pours, man, it pours“. Wirklich? Nicht am Saltonsee. Die Niederschlagstabellen versprechen höchstens im Januar gerade einmal einen Zoll Regen.

Die nächste Ansiedlung heißt Niland. Gaston’s Cafe hat schon lange keine 24 Stunden mehr geöffnet. Es hat gar nicht mehr geöffnet. Ende 1999 wurde der Betrieb eingestellt. Sein Besitzer, Harold Gaston, ist ein Saltonsee-Pionier, der schon seit den 1930er Jahren hier lebte. Bis 2005. In den 1960ern, als die Sportfischerei am See ihren Höhepunkt erreicht, tummelten sich Tausende hungrige Angler*innen in Gaston’s Cafe. Das schlanke Schild hat überlebt. Bis heute.

Cafe-Schild

Jetzt machen wir ein paar Abstecher. Nicht, dass es nicht noch verrückter ginge. Slab City und der Salvation Mountain stehen auf dem Programm.

In Niland biegen wir im rechten Winkel nach links auf die Hauptstraße ab, die später zur Beale Road wird und über die Bahnlinie führt. Vier oder fünf Kilometer sind es bis zum Salvation Mountain, dem „Berg der Erlösung“. Nun ja. Beim Anblick des Gebildes bleibt einem erst einmal die Luft weg, zumindest, wenn man vorher noch keine Bilder davon gesehen hat. Wie auch immer, erschaffen wurde das Teil von Leonard Knight (1931–2014), den man durchaus als „religiösen Fanatiker“ bezeichnen kann. Allerdings im positiven Sinne.

Sein Lebenswerk ist der Salvation Mountain, mit dessen Bau er im Jahr 1984 begann. Knight baute fast alles aus Lehm, Stroh, Farbe und Steinen selbst zusammen. Geldspenden nahm er nicht an. Während der Bauzeit wohnte er in einem alten Truck ohne Strom und Wasser. Heute ist sein Berg, der seine Gottesbotschaft aller Welt verkünden soll, ein echter Touristenmagnet geworden. Die halbe Welt scheint den Salvation Mountain sehen zu wollen.

Man kann, wenn man sich an die gelbe Markierung hält, bis oben hinauf kraxeln. Der Berg hat es sogar in einen Film geschafft. Szenen aus „Into the Wild“ – einem Film, den sicher viele Amerika-Fans gut kennen – wurden hier, wie auch im benachbarten Slab City, gedreht. Bunt ist er, der Berg. Genauso bunt wie seine unzähligen Besucher, deren Zahl sich bei unserem Besuch allerdings in Grenzen hält.

Bunter Hügel

Frau mit Kameras in der HandMenschen unter einem Gipfelkreuz

Und dann erreichen wir Slab City. Nur einen Steinwurf entfernt vom „Berg der Erlösung“. Eine Stadt ist das nicht, ein Dorf auch nicht. Es ist kaum mehr als eine Wohnwagensiedlung, in der es keinen Strom und kein Wasser gibt, keinen Laden, kein Krankenhaus, keine Polizei, keine Ordnung. Hier leben alternde Hippies und Snowbirds, denen es in Kanada oder Alaska zu kalt ist, Rentner*innen, Kunstschaffende, Ausgestiegene aller Art.

Es sollen Hunderte sein, in den Wintermonaten sogar Tausende. In Wohnmobilen, Lastwagen, Hütten auf Bäumen und am Boden und anderen skurrilen Unterkünften. Alle für sich, alle auf ihre Art, alle, wie sie wollen. Für Aussteiger*innen: Es gibt in Slab City ein Hostel. Zum Eingewöhnen.

Aber wo sind die Menschen, die hier wohnen? Nur einer lässt sich blicken. Der fragt nach … na wonach wohl? Wir haben nix. Weg ist er. Tote Hose um uns herum. Man wird aber das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden. Zwei Knipser*innen mit Kameras um den Hals. Das kennen sie hier. Man lässt uns in Ruhe.

Schilder

Camper mit Graffiti

Die Attraktion in Slab City ist „The Range“. Ebenfalls bekannt aus „Into the Wild“. Bill, den sie hier nur „Builder-Bill“ nennen, hat sie gebaut, die große Bühne aus Holzbohlen, Brettern und Wellblech. Davor alte Stühle, zerschlissene Sofas, ausgediente Kinositze für das Publikum. Schon ist die Szene bereit für das samstägliche Konzert. Bill greift selbst zur Gitarre, Country Songs natürlich. Wer möchte, darf ebenfalls ran. Der Beifall der gesamten Kommune ist den Auftretenden sicher. Heute ist The Range leer, wie ausgestorben.

Camp

Was gibt es noch zu sehen in „The Slabs“? Einen Schuhbaum, ein in den Sand gesetztes Friedenszeichen aus Konservendosen und Flaschen samt Autoreifen im Zentrum, einen „Information Kiosk“, einen mit einer Million Gegenstände aller Art verzierten Pick-Up-Truck, seltsame Bäume aus Stahlrohren, an denen alte Radios und sonstige kaum zu identifizierende Gebilde baumeln, ein Ortsschild aus Eisenstangen und Fahrrad, an dem „Missing“-Aushänge kleben. Und tausend andere, höchst seltsame Skurrilitäten mehr. Macht Euch selbst ein Bild von dieser vielleicht letzten gesetzlosen Community.

Peace-Zeichen in der Wüste

Es gibt noch etwas zu entdecken in Niland. Die sogenannten Schlammtöpfe – das sind geothermische Aktivitäten, ausgelöst durch eine große Magmablase direkt unter uns. Wenn die in die Luft fliegt… der Saltonsee hat es eben in sich. Es blubbert dort, manchmal puffen Schlammfontänen in die Luft. Nicht sehr hoch, nur ein bisschen. Der Untergrund ist ziemlich weich, man kann sich aber trotzdem sicher bewegen.

Gleich nebenan steht ein Kraftwerk, das die hier vorkommende Geothermie zur Energiegewinnung nutzt. Nicht zu übersehen hinter dem Feld mit den Schlammtöpfen. Das Gebiet ist recht leicht zu finden: In Niland nach Süden auf die Davis Road. Irgendwann kreuzt sie die McDonalds Road. Man sieht das Kraftwerk linker Hand. Ein paar Meter weiter und man ist am Ziel. Links liegt das „Davis-Schrimpf Seep Field“, wie es offiziell heißt. Unterwegs passiert man tote Bäume in karger Landschaft. Die Stars and Stripes haben auch schon bessere Zeiten gesehen.

Industrieanlage

Wer etwas für Wasservögel übrig hat, kann hier in Niland das „Sonny Bono Salton Sea National Wildlife Refuge“ besuchen. Es ist bestens ausgeschildert. Die Generation der 68er kennt den Mann als eine Hälfte von Sonny & Cher – „I got you babe“. Später wurde er Politiker, brachte es bis zum Bürgermeister von Palm Springs und noch später in den Senat in Washington. 1998 kam ein Skiunfall dazwischen. Am Saltonsee ist sein Name verewigt. „The beat goes on.“

Damit hätten wir den südlichen Teil des Sees geschafft. Der Highway 78/86 dreht hier nach Norden ab (wir sind in Westmoreland, dort steht das verlassene Los-Jalisciences-Restaurant) und passiert Salton City, Salton Sea Beach und Desert Shores, bevor er in Mecca wieder auf die schon bekannte 111 trifft. Als Highway 78 zweigt die Straße nach ein paar Meilen übrigens nach Anza Borrego ab. Falls jemand noch ein bisschen Wüstenluft schnuppern möchte. Oder Wildblumen knipsen im Frühling.

Salton City kann man wohl als die „normalste“ Siedlung an diesem See bezeichnen. 3.700 Menschen leben hier (die Zahl schwankt ständig). Es gibt Tankstellen, Supermärkte und einen Jack in the Box. Da die 86 auf dieser Seite des Sees eine recht stark befahrene und gut ausgebaute Straße ist, lebt das Städtchen vom Durchgangsverkehr, vor allem von den Trucks, die in großer Zahl vorbeidonnern. Auf dem Marina Drive kann man eine Rundfahrt durch Salton City machen, wenn man sich den Ort näher anschauen möchte. Trotzdem auch hier: Nichts los, kaum eine Menschenseele in Sicht. 3.700 Menschen? Hallo?

Ein Stückchen weiter könnte man ein paar Dollars verzocken. Das Red Earth Casino kann nicht ganz (oder besser: gar nicht) mit ähnlichen Institutionen in Nevada mithalten, aber man kann tanken, essen und ein bisschen spielen. Natürlich gehört der Laden den örtlichen amerikanischen Ureinwohner*innen, die auf den schönen Namen „Torres Martinez Desert Cahuilla Indians“ hören.

Salton Sea Beach und Desert Shores sind die beiden letzten Orte, bevor man die Rundfahrt um den See beendet. Salton Sea Beach kann es in Sachen Marodes locker mit Bombay Beach aufnehmen. Auch hier alles voll mit Gerümpel, Schrott, Haus- und Wohnwagenruinen. Sofas im Sand, Sessel im Wasser. Aufräumen scheint ein Fremdwort zu sein, alles bleibt stehen und liegen, verrottet in der heißen Wüstensonne.

Alter Camper

Ein ähnliches Bild bietet sich in Desert Shores: Wüste, Palmen, mehr oder weniger marode Häuser und Gärten. Verlassene Gebäude dazwischen. Selbst ein Motel gibt es. Wollt Ihr mal eine Bewertung aus Trip Advisor lesen? Hier kommt sie:

This motel should give you money for staying there, not the other way around. Any price for this place would be a robbery because you need to be compensated for the discomfort. The lower lock of the room could be broken by a child, and the upper one was just covered with scotch tape. On the top of it, the atmosphere of the place is just like for expecting Jack the Ripper. The place is completely isolated, and there is nothing else around but a trailer park and old deserted buildings. The furniture of the rooms and the TV are taken from a dumpster, and the place hasn’t been renovated perhaps since it was built. Old dingy rooms with a bad stale smell, a bathroom falling apart and bed covers which do not seem too clean. I was afraid to walk barefooted in the room. We were lucky that we came out of it without a skin rash. Don’t believe the pictures on the web site. They have nothing to do with the reality.

Ach ja, es handelt sich um das Sea & Sun Motel. Falls also jemand direkt am See übernachten möchte.

Motel-Schild

Li’s Kitchen hat geöffnet. Ein Chinese, den es hierher verschlagen hat. Wann das letzte Bier im Saloon „Our Place“ geflossen sein mag? Am Scott Drive, der parallel zum Highway 86 verläuft, fällt das große Wandbild auf, das an die Wand des Alamo Market gepinselt ist. Und ein dicker Fußball liegt herum. Hier herrscht tatsächlich ein bisschen Leben.

Bemalte Mauer

Die alte Leuchtreklame der ehemaligen Bar „Sans Souci“ rostet seit Jahren vor sich hin. Das Gelände ist inzwischen von einem Zaun umgeben. Aber der hat ein Loch, sodass wir nicht durch Maschendraht fotografieren müssen.

Altes Motel

Aus Desert Shores heraus führt die 86 durch eher langweiliges, weil landwirtschaftlich genutztes Terrain. Obst- und Gemüseplantagen inklusive Gewächshäusern bestimmen rechts und links der Straße das Landschaftsbild. Gelegentlich ein paar Wege zum See hinunter. Die Straße ist vierspurig und man kann die Gegend mit 65 mph hinter sich bringen. Trotzdem wird man hin und wieder von schweren Trucks, die mit den landwirtschaftlichen Erzeugnissen der Region beladen sind, keck überholt.

Kein gestandener amerikanischer Truckee bremst für langsame Urlaubsgäste. Nicht hier, nicht anderswo. Irgendwann hören die Felder auf, es wird wieder wüstenmäßiger. Rechts zweigen die 76th und die 78th Avenue im rechten Winkel ab, über die man, so man sich am Ende der Straße noch ein Stück durch die Büsche schlägt, den Strand erreichen kann. Wirklich lohnen tut sich das nicht. Es ist einfach öde hier. Und tote Fische haben wir ja schon genug gesehen.

Viel zu sehen gibt es nicht, nur ein paar Straßenschilder („Report Drunk Drivers“ – „Melden Sie betrunkene Autofahrer“) bieten dem Auge etwas Abwechslung auf dieser eintönigen Fahrt. Und ein riesiger Palmenhain. An der Kreuzung mit der 66th Avenue erreichen wir die Vororte von Mecca. Ein Stück weiter kreuzen wir wieder die 111 und können uns jetzt aussuchen, ob wir die 111 weiter nach Indio nehmen oder auf der 86 bleiben. Beide führen uns zu unserem Ausgangspunkt zurück.

Der Saltonsee – die meisten fahren vorbei auf ihrem Weg zu den Nationalparks des Südwestens. Ihnen geht ein Stück Amerika verloren. Ein anderes Amerika.

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