Spionagefotograf mit Hut und Lederhandschuhen fotografiert mit besonderer Kamera durch etwas hindurch.
01. März 2018 Lesezeit: ~22 Minuten

Wie mit Kameras spioniert wurde

„Wissen ist Macht“ wusste schon der englische Philosoph Francis Bacon (1561–1621). Und sich Informationen still und heimlich zu beschaffen, ist bei Weitem kein Phänomen der Moderne. Bereits vor etwa 3.400 Jahren nutzte das kleinasiatische Volk der Hethiter geheimdienstliche Strategien, um den altägyptischen und übermächtigen König Echnaton zu besiegen.

Auch Kardinal Richelieu (1585–1642), überzeugter Verfechter des Absolutismus, engagierte Spion*innen, um die Machterhaltung König Ludwig XIII. zu sichern und die Briefe des französischen Adels abzufangen. Bis auch das Medium der Fotografie erstmals zu Spionagezwecken eingesetzt wurde, sollten jedoch noch mehr als zwei Jahrhunderte vergehen.

12. April 1861. Mit dem Angriff auf Fort Sumter im heutigen US-Bundesstaat South Carolina beginnt der Amerikanische Bürgerkrieg. In der Anfangsphase hat keine der beiden Parteien – die als Union organisierten Nordstaaten und die konföderierten Südstaaten – einen geordneten Geheimdienst. Also werden umgehend kleinere Agententruppen aus dem Boden gestampft.

Deren erste Versuche, an geheime Informationen zu kommen, schlagen jedoch fehl: So gibt sich der aus den Nordstaaten stammende Nachrichtenoffizier Lafayette Baker als Fotograf aus, möchte Landschaftsbilder schießen und hochrangigen Offizieren der Südstaaten anbieten, Portraits von ihnen aufzunehmen. Sein Ziel: sich Zugang zu militärischen Anlagen verschaffen, Briefe und Lager fotografieren.

Unter dem Decknamen Sam Munson geht Baker, ausgerüstet mit einem Stativ und einer klobigen, schwarzen Kiste, hinter die feindlichen Linien im amerikanischen Virginia. Seine Enttarnung als Spion folgt auf dem Fuße und er entgeht nur knapp dem Tod durch Erschießen.

Eine als Radio getarnte Kamera liegt auf einem Holztisch mit Aktentasche dahinter und Lupe davor.

Smartphone-Vorläufer? Die Fotofunktion, ohne die heute kein Handy auskommt, war bereits Mitte der 1960er Jahre in der Transistomatic Radio Camera präsent. Zum Fotografieren wird das Radio um 90° nach links gedreht. Mit Verschlusszeiten von 1/40 oder 1/90 s bannt die GEC G822 ihre Aufnahmen auf die quadratischen Negative in der 126er PAK-Kassette im Format 28,5 x 28,5 mm. Das Objektiv mit f/11 sitzt direkt neben dem Frequenzrad. Der Hersteller, General Electric Co. aus London baute sogar einen kleinen Blitz mit ein. Bei Markteinführung im Mai 1964 kostete die GEC G822 etwa 24 £ – in heutigen Standards mehrere 100 Euro. 1966 war jedoch schon Schluss mit der Produktion.

Ungestört, weil unbekannt

Auch, wenn Bakers Erfolg als Geheimagent ausblieb, setzte sich der Trend fort, Kameras zur Informationsbeschaffung einzusetzen. Der Vorteil: In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war das Medium der Fotografie noch zu neu, als dass sich Kommandeure davon bedroht gefühlt hätten. So war zwar die Qualität der Aufnahmen allenfalls durchschnittlich, doch die Fotografen konnten relativ unbehelligt arbeiten.

Heutzutage würde bei den sperrigen Kästen, die damals zum Einsatz kamen, kaum jemand an den Begriff Spionagekamera denken. In den letzten gut eineinhalb Jahrhunderten haben sich die Geräte grundlegend verändert.

Die Ursprünge dessen, was heute unter dem Begriff Spionagekamera verstanden wird, gehen zurück auf den Briten Thomas Bolas (1848–1932). Der gelernte Chemiker hatte ein ausgeprägtes Interesse für Fotografie und veröffentlichte am 21. Januar 1881 im britischen Journal of the Photographic Society seine Entwürfe für eine stativloses Aufnahmegerät: die hölzerne Detective Camera.

Basierend auf dem erst wenige Jahre zuvor entwickelten Gelatine-Bromid-Verfahren ähnelte sie im Prinzip einer zweiäugigen Spiegelreflexkamera. Im Inneren steckten ein Dutzend Trockenplatten (8 x 10,5 cm) sowie ein Rapid-Symmetrical-Objektiv (f/8) des britischen Traditionsunternehmens Ross & Co.

Als Holzkasten oder Koffer getarnt, wurde die Kamera unter dem Arm getragen und konnte so von den Passanten unbemerkt Bilder machen. Das Prinzip des unauffälligen Fotografierens gefiel den Verantwortlichen von Scotland Yard auf Anhieb, sodass sie Bolas’ Design übernahmen.

Eine Minikamera, eine Sonnenbrille und eine geöffnete Kamera auf einem Tisch.

Nase pudern: Diese Petie-Kleinstbildkamera versteckt sich in einer Puderdose. Neben aufklappbarem Spiegel, Puderfach und integriertem Lippenstifthalter gibt es auch eine Kartusche, in der zwei Ersatzfilme verstaut werden können. Auf die Petie passen 16 Aufnahmen im Format 14 x 14 mm, die vom Achromat Röschlein Kreuznach 25 mm f/11 mit einer Verschlusszeit von 1/50 s festgehalten werden. Produzent des abgebildeten Modells „Petie Vanity“ (französisch für „kleiner Kosmetikkoffer“) war Kreher & Bayer Offenbach, vertrieben hat es 1956 der Frankfurter Walter Kunik. Andere Verstecke für die Petie waren Zigarettenschachteln oder Spieluhren.

Vom Koffer in die Kleidung

In dieser frühen Phase der Entwicklung von Geheim- oder Spionagekameras war noch nicht daran zu denken, Kameras bewusst in Alltagsgegenständen oder Kleidung verstecken zu können. Davon geträumt wurde allemal. Sogar schon 25 Jahre vor der Erfindung der Detective Camera durch Bolas 1881.

Der Londoner Alex I. Austen sehnte sich nach einer tragbaren Kamera, die von anderen nicht als solche erkannt würde und in einem Hut Platz fände. Man müsse natürlich das Erscheinungsbild der Kopfbedeckung beibehalten und lediglich ein etwa zwei Zentimeter großes Loch einarbeiten, das durch eine scheinbare Hutschnur geöffnet und geschlossen werden könne, so der Visionär.

1884 war es soweit. Der Franzose Leande Mendoza entwickelte die erste Hutkamera – ein Einzelstück. Schließlich gingen immer mehr Hersteller und auch die Detektive selbst dazu über, ihre Apparate mit viel Aufwand zu verstecken. Neben Schuhputzkisten und Büchern waren auch Tarnungen direkt am Körper sehr begehrt.

Hüte, Westen, Schuhe, Knöpfe, Handschuhe oder Krawatten – Kleidungsstücke erwiesen sich bis nach Ende des Kalten Krieges als optimales Versteck. Bereits 1890 fertigte das Pariser Unternehmen Edmond Bloch die erste industrielle Krawattenkamera (Photo-Cravate).

Mit Beginn des Ersten Weltkriegs bekam die Entwicklung spionagefähiger Kameras einen gehörigen Schub. Plötzlich wuchs der Drang, Informationen über den Feind so schnell, zuverlässig und unauffällig wie möglich zu bekommen. Also wurden immer kleinere Geräte entwickelt, die sich immer besser verstecken ließen und auch eine höhere Bildqualität lieferten.

Kugelschreiber, Feuerzeuge, Lippenstifte, hohle Münzen, Spazierstöcke, Zigaretten- und Streichholzschachteln, Uhren, Parfümflakons, Handschuhe, Revolver. Die Möglichkeiten der Tarnung waren schier unbegrenzt.

Zu dieser Zeit kristallisierten sich auch nach und nach die drei großen Kategorien der Spionagekameras heraus: Auch wenn Expert*innen noch immer darüber streiten, ab wann eine Kamera tatsächlich eine Spionagekamera ist, sind sich die meisten doch einig, dass grob zwischen Kleinstbildkameras, versteckten Kameras und Reprokameras unterschieden wird.

Auf einem Holzuntergrund liegt eine Landkarte, auf der eine Lupe liegt. Daneben befindet sich eine Kameraarmbanduhr.

Wer hat an der Uhr gedreht? Anstatt auf dem Ziffernblatt beiläufig nach der Uhrzeit zu sehen, kann mit der Steineck A-B-C verdeckt fotografiert werden. Da es keinen Sucher gibt, wird nach Gefühl ausgelöst. Kein leichtes Unterfangen, das viel Übung erfordert. Die A-B-C wurde von 1949 bis 1951 vom Kamerawerk Dr. Steineck im oberbayerischen Tutzing produziert. Acht Aufnahmen mit 6 mm Durchmesser finden in der Steineck Platz, ehe das Rundfilmmagazin neu zu bestücken ist. Das Objektiv ist ein Steinheil 12,5 mm f/2.5.

Reporter arbeiten verdeckt

Immer wieder wurden Spionagekameras auch zu zivilen Zwecken eingesetzt, nicht selten von Journalist*innen. Der Berliner Händler Walter Talbot vertrieb ab Anfang der 1920er Jahre die Geheim-Westenkamera mit 35-mm-Film. Am 13. Januar 1928 schaffte es ein mit dieser Kamera geschossenes Foto auf die Titelseite der New Yorker Tageszeitung Daily News.

Ein Reporter besuchte die Hinrichtung der wegen Mordes verurteilten Ruth Snyder und fotografierte sie auf dem elektrischen Stuhl. Ein Szenario, bei dem das Fotografieren bis heute eigentlich streng verboten ist. Statt die Kamera jedoch in seiner Weste zu tarnen, trug er sie um den Fußknöchel und verbarg sie unter seinem Hosenbein.

Weitere bekannte Namen im Zusammenhang mit Geheimkameras Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts waren der Berliner Hersteller A. Stegemann (Hand-Kamera), R. D. Gray aus New York (Westen-Kamera), der Optiker George Lowdon aus dem schottischen Dundee, Vega SA aus Genf und der französische Ingenieur und Erfinder Jules Carpentier.

Die Blütezeit der Spionagefotografie waren die Jahre während des Kalten Krieges. Beim Konflikt der beiden Supermächte USA und Sowjetunion ging es naturgemäß auch um das Gebiet der Informationsbeschaffung: Wie ist der Gegner militärisch ausgerüstet? Was werden seine nächsten Handlungsschritte sein? Mit welcher Technik arbeitet er?

Um die Antworten auf derlei Fragen vor dem Kontrahenten zu haben, installierten alle nationalen Geheimdienste spezielle Abteilungen für die Entwicklung neuer Spielereien. Egal, ob das „Office for Technical Services“ beim Vorläufer des amerikanischen CIA oder der „Operativ-technische Sektor“ in Diensten des KGB und der Stasi – äußerte ein*e Agent*in den Wunsch nach einer Kamera, die noch kleiner und noch leiser fotografierte, sollte er sie haben. Es glich einem technischen Schlaraffenland.

Auf einer Holzpberfläche liegen geheime Briefsachsen, eine Brille und ein sonderbares Kameragerät.

Foto-Füller: Schreiben kann dieser ganz schön klobige Stift zwar nicht, hat dafür jedoch ein fotografisches Gedächtnis. Im Stylophot Standard hatte statt einer Mine ein spezieller 16-mm-Film Platz, der doppelt perforierte Aufnahmen im Format 10 x 10 mm macht. Am unteren Ende der Stiftkamera gibt es ein Stativgewinde; der rote Filter oben dient für das präzise Festlegen des Bildausschnitts beim Blick durch den Sucher. Entworfen wurde die Stylophot-Kleinstbildkamera vom deutschen Ingenieur Fritz Kaftanski, produziert vom französischen Unternehmen Secam in Paris. Die Verschlusszeit liegt bei 1/50 s, die Blende bei f/6.3, f/8 oder f/11.

Den Feind im Blick

Bei der Entwicklung von Kameras, die ideal getarnt werden können, leicht zu bedienen sind und auch dann noch funktionieren, nachdem sie jahrelang unbeachtet in der Ecke lagen, wurde die Konkurrenz stets mit Argusaugen beobachtet. So orientierte sich der KGB in der Bauweise seiner ab 1948 konstruierten F21 am Vorbild der deutschen Robot-Kameras. Letztere wurden ab 1934 unter dem Firmennamen Otto Berning & Co. hergestellt und dienten der deutschen Luftwaffe unter anderem für Beweisfotos zerstörter Kriegsziele.

Die CIA wiederum wollte an eine ausreichend große Menge Minox-Exemplare kommen. Als dies den Amerikanern jedoch nicht gelang, wurde kurzerhand die Eastman Kodak Company beauftragt, ein ähnliches Gerät zu entwerfen. 1945 entstand so mit der Matchbox Camera (auch Camera-X genannt) die erste eigene amerikanische Spionagekamera.

Diese maß lediglich 22 x 38 x 60 mm, hatte eine Verschlusszeit von 1/60 s bei f/8 und konnte 34 Aufnahmen auf ihren 16-mm-Film bringen. Je nachdem, wo der Spion seine gefälschten Zündholzer einsetzen wollte, ob Europa oder Asien, gab es die passende Schachtel für die Minikamera.

Auch dem Ministerium für Staatsicherheit (MfS) der ehemaligen DDR war an hochsensiblen Informationen gelegen. 1952 gründete die Stasi den Auslandsnachrichtendienst HVA (Hauptverwaltung Aufklärung) und schon bald wurden die ersten eigenen Spionagekameras entwickelt, beispielsweise spezielle Aktenkoffer mit infrarotdurchlässiger Belederung.

Nicht handlich, aber stets gut versteckt, war die sogenannte Durch-die-Wand-Kamera, die meist in Hotels zum Einsatz kam: Potenziell wichtige Personen wurden in ein Zimmer gebucht, dessen Nachbarräume von der Stasi selbst gemietet und mit allerlei Technik verwanzt wurden. Die Durch-die-Wand-Kamera hatte ein etwa 45 Zentimeter langes Objektivrohr, dessen Nadelöhrobjektiv durch eine verdeckte Bohrung in der Wand auf eine Sitzgruppe oder das Bett im überwachten Zimmer gerichtet war.

Kam nun die Zielperson in ihren Raum, konnte nebenan unbeobachtet beobachtet werden. Kaschiert wurde die Durch-die-Wand-Kamera zum Beispiel durch eine präparierte Kuckucksuhr. Andere Nadelöhrobjektive erforderten ein nur ein millimetergroßes Loch in der Tapete, um störungsfreie Bilder aufnehmen zu können.

Spionagefotograf mit Hut und Lederhandschuhen fotografiert mit besonderer Kamera durch etwas hindurch.

Durch die Wand: Mit dieser Yashica Fr aus dem Jahr 1976 samt Spezialobjektiv konnte die Stasi durch Wände und Türen gucken. Dafür wurde auf das normale Contax/Yashica-Bajonett zunächst ein Adapter und schließlich ein Nadelöhrobjektiv geschraubt. In eigens vorbereitete Bohrungen, beispielsweise in der Wand, eingeführt, lässt sich so das Nachbarzimmer bequem observieren. Die Objektivspitze ist nur wenige Millimeter breit, sodass sie unauffällig in einer Kuckucksuhr oder hinter einem kleinen Loch in der Tapete versteckt werden kann.

Spionagekonstrukteur Walter Zapp

Ebenfalls hoch im Kurs standen Mikropunktkameras, die komplette Dokumente auf eine Fläche von etwa 1 mm² verkleinern konnten (so groß wie ein Punkt am Satzende), um sie vor ungewollten Leser*innen zu verbergen. Ihren ersten regelmäßigen Einsatz hatte die Mikropunktkamera zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg.

Über den Urheber der Technik herrscht bis heute keine Klarheit: Manche schreiben diesen Erfolg dem russisch-jüdischen Emanuel Goldberg zu, andere sehen Walter Zapp an seiner Stelle. Egal, ob Zapp nun die Lorbeeren für die Mikropunktkamera einstreicht oder nicht, bekannt geworden ist er mit einer anderen, weitaus bedeutenderen Erfindung, die heute stellvertretend für die Gattung der Spionagekamera gilt. Die Rede ist natürlich von der Minox.

Als der Deutsch-Lette Zapp 1934 mit der Entwicklung der Minox begann, ging es im keineswegs darum, Geheimagenten das ideale Werkzeug – und später auch Regisseur*innen die perfekte Requisite – zu liefern. Er wollte schlichtweg eine Kamera bauen, die so handlich sein sollte, wie eben möglich. Die Filmgröße der Ur-Minox betrug 6,5 x 9 mm und war damit vier Mal kleiner als der 35-mm-Standardfilm.

Später wurden die verschiedenen Minox-Modelle mit Filmen im 8×11-Format bestückt. Sie konnte sowohl für Nahaufnahmen (Dokumente) als auch normale Motive eingesetzt werden, lieferte 50 Bilder ohne Nachladen und schaffte in der Regel mindestens 250.000 Auslösungen. Trotz der geringen Kameragröße wurde die Minox für ihre Schnelligkeit und die gute Bildqualität geschätzt. Auch von westlichen Geheimdiensten – die CIA nutzte sie noch in den 1990er Jahren.

Aktenmappe, Notizbuch und Stempelkissen mit Stempeln auf einem Tisch.

Zum Mitschreiben: In dieser Notizbuchattrappe ist eine Kiev Vega verborgen. Der 16-mm-Film wird in einer speziellen Filmkassette vom Typ Minolta 16 aufbewahrt. Die Vorauslösung erfolgt durch seitliches Ziehen am goldenen Stift; ist die Kamera „scharf“, wird der Buchdeckel angehoben und der darunter liegende Auslöser durchgedrückt. Die Notizbuch-Variante stellte der KGB in den 1980er Jahren her. Im Mai 2013 wurde ein solches Modell beim Wiener Auktionshaus Westlicht für 1.200 € versteigert.

Schrumpfkönige bei der CIA

Was dem KGB die Minox, war der CIA die T-100. Der kleine, aber feine Unterschied: Während die Minox ursprünglich als normale Kamera konstruiert wurde, war das Ziel der T-100 von Anfang an klar. Die Amerikaner*innen suchten ein Gerät, das ihre Agent*innen beim heimlichen Kopieren wichtiger Sowjet-Dokumente unterstützte.

Herausgekommen ist eine zylindrische Kamera, sechs Mal kleiner als die Minox. Die T-100 konnte in Kugelschreibern, Lippenstiften, Uhren oder Feuerzeugen getarnt werden und legte bis zu 100 DIN-A4-Seiten auf ihrem nur 4 x 15 mm großen Film ab.

Die Bauweise der T-100 erinnerte mehr an die Fertigkeiten eines Uhrmachers als die einer Kameramanufaktur. Das Objektiv hatte einen Durchmesser von winzigen vier Millimetern, bestand aber dennoch aus acht hochpräzise gefertigten Elementen, die teilweise nur so groß waren wie ein Stecknadelkopf.

Da der Film nach dem Auslösen automatisch von einer zu nächsten Spule transportiert wurde, war die T-100 technisch gesehen die kleinste Point-and-shoot-Kamera der Welt. Für eine derart spezielle Kamera musste natürlich auch eine spezieller Film her: Besonders dünn und hochauflösend sollte er sein.

Die Lösung war ausnahmsweise einmal keine Sonderanfertigung. Stattdessen bediente man sich in einem verwaisten Regal voller Kodak-1414-Filme, die in der frühen Phase der Satellitenfotografie eingesetzt wurden. Auf das richtige Format zurechtgeschnitten, waren sie ideal.

Briefsache mit Aufdruck "Streng geheim" auf einer Tischplatte mit einer kleinen Minikamera darauf.

Amerikanische Japanerin: Obwohl in Japan produziert, fiel diese Kleinstbildkamera, hier aus dem Jahr 1948, nach Ende des Zweiten Weltkriegs fast komplett in die Hände der Amerikaner. Nur etwa so groß wie eine 20-Cent-Münze, arbeitet die Petal Camera mit eigens angefertigten, runden negativen von 22 mm Durchmesser. Die Petal verfügt über zwei Aufnahmemodi: „B“ für dunkle Objekte oder Innenaufnahmen, „I“ für helle Außenaufnahmen. Die verbaute Festbrennweite beträgt 12 mm bei f/5.6. Trotz geringer Kameragröße hat der Hersteller Petal Kogaku Co. auf einen optischen Sucher nicht verzichtet.

Fummelarbeit

Allein an der T-100 wird deutlich, dass zur Spionagefotografie eine gehörige Portion Fingerspitzengefühl gehörte. Die Kameras mit Filmen zu bestücken, war eine Kunst, die nicht viele beherrschten. Zunächst ging es natürlich darum, die filigranen Bauteile und empfindlichen Minifilme nicht zu beschädigen.

Eingelegt wurden die Filme entweder in kompletter Dunkelheit oder mit Hilfe von Infrarotlicht. Für die T-100 dauerte das pro Film eine Viertelstunde – bei den schnellsten Kolleg*innen. Doch auch, wenn alles heil an Ort und Stelle landete, war das nur die halbe Miete.

Schließlich musste der Film nicht nur unbeschadet, sondern auch korrekt eingelegt werden, um gute Bilder zu ermöglichen. Also führte kein Weg an mehreren Testbelichtungen vorbei, um zu sehen, ob alles reibungslos funktionierte.

Nun sind die wenigsten Spion*innen für ihre filigrane Arbeitsweise bekannt. Die vollen Filme unversehrt aus der Kamera zu holen, war daher meist eine Aufgabe für die Technikabteilung der Geheimdienste. Das bedeutete natürlich auch, dass die Kamera in der Regel mit jedem vollen Film zurück zur Zentrale musste – ein Auswechseln und Weiterknipsen seitens der Spion*innen war meist nicht drin. Dies übernahmen die Expert*innen im Labor.

Auch wenn die Agent*innen sich nicht mehr um mechanische Aspekte ihrer kleinen Assistenten kümmern mussten, bedeutete das noch lange nicht, dass sie stets perfekte Fotos ablieferten. Schlechte Lichtverhältnisse, Schatten über den Dokumenten oder Unschärfe waren gängige Probleme. Die kleinen Kameras hatten weder Sucher noch Zoom und konnten nicht fokussiert werden. Da half nur Erfahrung. Auch für Geheimagent*innen gilt: Übung macht den Meister(spion).

Eine Zigarettenschachtel aus Plastik mit der Aufschrift "Kings" und einem Lichteinfallloch auf der Vorderseite.

Als Glimmstängel getarnt. Zugegeben, genau hinschauen darf man nicht, sonst wäre es ein Leichtes, diese gefälschte Zigarettenpackung als Spionagewerkzeug zu enttarnen. Eingesetzt wurde sie vor allem vom KGB. Im Innern steckt ein 35-mm-Rollfilm, die Auslösung erfolgt stets mit 1/100 s bei f/9.5 und 17 mm, indem die herausstehende Zigarettenattrappe nach unten gedrückt wird.

Mit besserer Technik belohnt

Häufig begann das Training mit ganz normalen 35-mm-Kameras. Die Agent*innen sollten zunächst die Grundlagen des Fotografierens erlernen. Die technische Abteilung der CIA nutzte dazu Mitte der 1970er Jahre zum Beispiel die Olympus OM-1. Auch die Konkurrenz beim KGB vertraute auf handelsübliche Geräte.

Dass zunächst normale Apparate verwendet wurden, sollte zudem verhindern, potenziellen Doppelagent*innen sofort die technischen Leckerbissen auf dem Silbertablett zu servieren. Daher dauerte es oft mehrere Monate oder gar Jahre, ehe sich ein*e Agent*in durch zuverlässige (oder geschickt als solche getarnte) Arbeit eine bessere, effizientere Ausrüstung verdiente.

Der sowjetische Elektroniker Adolf Tolkachev arbeitete zwischen 1979 und 1985 für die CIA und bekam zunächst nur eine normale Pentax ME für 35 mm an die Hand. Die konnte er mithilfe einer Klemme an einer Stuhllehne befestigen, um heimlich Dokumente zu fotografieren. Und das tat Tolkachev auch fleißig. 150 Filme hat er in weniger als einem Jahr gefüllt. Kurz darauf vertraute man ihm schließlich sechs handgefertigte T-50-Kameras an.

Ab und an wurden auch handelsübliche Kameras durch unauffällige, aber wirksame Modifizierungen direkt für Spionagezwecke umfunktioniert. Die CIA nahm sich beispielsweise eine Leica Standard und stanzte den Firmennamen aus dem Objektivdeckel. So konnte auch bei geschlossenem Objektiv heimlich durch den Leica-Schriftzug hindurch fotografiert werden.

Seitenaufnahme eines Mannes in Mantel und mit Hut, der Lederhandschuhe und ein sonderbares Armband trägt.

Wer geheim fotografiert, muss nicht nur darauf achten, selbst so unauffällig wie möglich aufzutreten. Auch die verwendete Ausrüstung darf unter keinen Umständen als Spionagewerkzeug enttarnt werden. Unter Fachleuten wie auch Hobbyagenten wird zwischen drei grundlegenden Kategorien von Spionagekameras unterschieden: Kleinstbildkameras, versteckte Kameras und Reprokameras. Diese Armbanduhrenkamera vom Typ Steineck A-B-C gehört zur ersten Kategorie.

Geheimagent für Jedermann

Mittlerweile ist das Spionieren nicht mehr nur Geheimdiensten oder Detektiv*innen vorbehalten. Eine kurze Suche im Internet und schon erhält man unzählige Gadgets, angefangen bei Videoüberwachung und Nachtsichtgeräten über die GPS-Ortung von Smartphones und Fahrzeugen bis hin zu Störsendern oder der Verwanzung ganzer Gebäude. Hunderte Onlineshops bieten eine umfassende Ausrüstung an, um auch dort Augen und Ohren zu haben, wo sie eigentlich nicht hingehören.

Natürlich gibt es auch im Jahr 2014 noch versteckte Kameras. Die funktionieren alle digital und können über automatische Aufnahmeintervalle wochenlang im Stillen fotografieren. Getarnt werden sie zum Beispiel in Radioweckern, Tischleuchten, Thermometern, Rauchmeldern, USB-Sticks oder präparierten Autoschlüsseln. Für das nötige Kleingeld kann also jede*r von uns ein bisschen James Bond spielen.

Die wohl bekannteste Kleinstbildkamera ist die Minox. Sie wurde erstmals 1937 in Lettland gebaut und gilt heute als die Spionagekamera schlechthin. Die letzte analoge Minox im klassischen 8×11-Format wurde Ende März 2012 produziert. Mit der Minox DSC Digital gab es zwischenzeitlich eine moderne Variante im klassischen Minox-Design mit 5,1-MP-CMOS-Sensor, 1,5-„-LCD, 9-mm-Objektiv (42 mm KB) mit f/2 und JPG- sowie Videofunktion. Auch sie hat jedoch inzwischen das Zeitliche gesegnet.

Um noch handlicher und somit leichter zu verbergen zu sein, wurde bei einigen Kleinstbild- und auch versteckten Kameras auf den Sucher verzichtet. Somit musste nach Gefühl ausgelöst werden. Die Agent*innen wurden ausführlich geschult, den richtigen Abstand zwischen Kamera und Objekt (meist ein Dokument) einzuhalten, um die korrekte Schärfe im Bild zu haben.

Auch Filmformate von 9,5 oder 16 mm zählen zu dieser Kategorie. Neben der Minox wurden auch die Feuerzeugkamera Echo 8, die Armbanduhrenkamera Steineck ABC, die Milox TI-246 oder die Ajax-8-Agentenkamera für Spionagezwecke eingesetzt.

Für die versteckten Kameras wurden spezielle Tarnungen entworfen, in der Regel unauffällige Alltagsgegenstände wie Bücher, Knöpfe, Aktentaschen, Spazierstöcke, Thermosflaschen, Gürtel, Zigarettenschachteln oder Radios.

Zu den Modellen zählen unter anderem die Schweizer Tessina, die Toyka 58-M, die Toychka und F-21-Kamera, die Minox III, die Infrarotkamera HFK von Zeiss oder die 35-mm-Kameras mit 24×24-mm-Bildrahmen von Robot. Versteckte Kameras, die am Körper befestigt werden, etwa am Handgelenk oder der Krawatte, wurden meist über einen Fernauslöser betätigt.

Reprokameras wurden speziell für das Fotografieren von Dokumenten entwickelt. Die Apparate wurden oft in Diplomatenkoffern oder präparierten Notizbüchern aufbewahrt. Der KGB baute in den 1970er Jahren unter anderem eine Zvouk-Lippenstiftkamera, die bis zu 30 Bilder auf speziellen 6-mm-Filmkassetten festhielt.

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