Schwarzweißfoto einer verwischten Waldlandschaft.
13. Oktober 2017 Lesezeit: ~4 Minuten

TRAVEL (POETRY)

Der Beginn ist eine sehr delikate Phase. Ihr müsst wissen: Es ist das Jahr 2009, ich war im Begriff, zum ersten Mal Vater zu werden und durch den Verlust meiner Fahrlizenz hatte ich mich in gewisser Art und Weise selbst gezwungen, auf die Bahn umzusteigen. Bis zum damaligen Zeitpunkt war ich ein sehr leidenschaftlicher Autofahrer oder Gast eines Flugzeugs und nutzte die Dienste der Deutschen Bahn AG nur sporadisch als nicht geschätzte Alternative.

Wie die meisten meiner Mitbürger*innen verlor ich meist unzufriedene Worte über die Unpünktlichkeit der Züge. Zum ersten Mal musste ich mich auf diese Art zu reisen vollumfänglich einlassen. Schon aus rechnerischen Gründen war ich umgehend im Besitz einer Bahncard 100. Zu meinem Erstaunen fand ich sehr schnell Gefallen daran.

Als ein ständiger Gast auf der Überholspur, der seine Fahrzeit in erster Linie mit Telefonaten verbrachte, gab mir diese neue Art zu reisen eine Form der Entschleunigung und Ruhe, die ich sehr schnell zu schätzen wusste. Hinzu kam, dass ich mein Heimatland aus einer anderen Perspektive kennenlernte und ein großer Fan der wunderbaren Landschaften und abstrakten Bilder wurde, die ICE-Reisende tagtäglich erleben dürfen.

Schwarzweißfoto einer verwischten Stadtlandschaft.

Am Anfang war es mehr ein Zeitvertreib und eine technische Herausforderung, zu versuchen mit der Kamera diese Bilder einzufangen. Ich würde mich, wie wohl viele leidenschaftliche Fotograf*innen als Kameranerd bezeichnen und versuchte mich an verschiedenen Systemen und Kamera-Linsen-Filter-Kombinationen, bis ich irgendwann das fand, was ich zu finden erhoffte. Die Bilder in meiner Version, die ich erlebte und die mich faszinierten.

Irgendwann war mir klar, dass diese immer größer werdende Bildermenge in einem eigenen Projekt münden sollte. Einem Portrait. Einem persönlichen Portrait Deutschlands aus dem Zugfenster. Aus meiner Sicht als Zugreisender. Ein Portrait, das die Schönheit zeigt, die mich immer wieder von Neuem entzückt.

Schwarzweißfoto einer verwischten Stadtlandschaft.

Ich würde mich nicht als Patriot bezeichnen und auch Patriotismus ist eine Emotion, der ich mehr Negatives als Positives zuordne. Gerade in der heutigen Zeit, die ich durchaus kontrovers betrachte, ist es aus meiner Sicht sehr wichtig, dass gefallene Grenzen nicht wieder auferstehen und weitere fallen.

Wir als Menschen mehr zusammenwachsen und uns weder Nationalitäten, noch Sprachen oder Hautfarben trennen. Dennoch verspüre ich eine spezielle Verbundenheit zu Orten oder auch Regionen, die ich als Heimat, Wahlheimat oder auch Heimatland bezeichne und denen ich Projekte wie dieses gewidmet habe.

Schwarzweißfoto einer verwischten Stadtlandschaft.

Fast alle meine Projekte (aktuell sind es etwa zehn an der Zahl) verstehe ich als konzeptionelle Portraits, an denen ich meist über viele Jahre arbeite, bevor ich sie in Ausstellungen und Büchern zeige. Auch genau in diesem Moment sitze ich im ICE von meiner Wahlheimat Hamburg auf dem Weg in meine Heimat Heidelberg und habe schon Schönes sehen dürfen und ein paar schöne neue Motive schaffen können.

Ansicht eines gerahmten Schwarzweißfotos an einer Wand. Auf dem Bild sind verwischte Streben zu sehen.

Ein paar Worte technischer Natur zu diesem Projekt: Wie erwähnt hatte ich einige Systeme und Kamera-Linsen-Filter-Kombinationen getestet, bis ich schlussendlich bei einer ALPA 12TC mit Schneider-Kreuznach 35 mm und einem PHASE1 IQ180 ankam. Diese Kombination ist nicht nur für seine technische Qualität unglaublich kompakt, sondern bildet auch so ab, wie es mir wünsche – sehr detailreich. Gleichzeitig erlaubt sie mir eine entschleunigte und dynamische Arbeitsweise.

Bild einer Kamera in schwarzweiß mit einem runden Aufsatzokular.

Die finalen Motive werden im Format 131 x 65 cm, dem Maß eines ICE2-Fensters, auf einem schönen, matten Papier mit archivfester Pigmenttinte gedruckt und im schwarzen Holzrahmen präsentiert.

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