26. Juli 2017 Lesezeit: ~14 Minuten

Herausforderungen in der Straßenfotografie

Bist Du schon länger in der Straßenfotografie unterwegs und hasst Veränderungen? Erläufst Du Dir immer die gleichen Wege und Deine Bilder ähneln sich sehr? Dann probiere die folgenden Herausforderungen und Aufgaben in der Straßenfotografie aus und verlasse Deine Komfortzone. Dies hilft Dir nicht nur, die Leidenschaft für die Fotografie neu zu entfachen, sondern Du lernst auch eine Menge.

Gute Straßenfotograf*innen sind wahre Allrounder und müssen generell ein gutes Auge entwickeln. Mit den folgenden Aufgaben kannst Du jedoch einzelne Bereiche gezielt verbessern, um Deine Fähigkeiten zu komplettieren.

Ein Hund an der Leine

Trage Deine Kamera wie eine Halskette

Aller Anfang ist schwer und als ich mit der Straßenfotografie anfing, war ich sehr nervös, offen mit meiner Kamera zu arbeiten. Ich hatte das Gefühl, dass alle Augen auf mich und meine Kamera gerichtet waren, sobald ich auch nur ansatzweise probierte, durch den Sucher zu blicken. Dadurch wurde es sehr schwierig, mich auf das Wesentliche — die Fotografie — zu konzentrieren. Ich war mehr damit beschäftigt, darüber nachzudenken, was diese Menschen über mich denken könnten, anstatt mich auf das nächste Bild zu konzentrieren. Auf diese Weise macht Straßenfotografie auch keinen Spaß, sondern artet in Stress aus.

Um selbstbewusster im Umgang mit der Kamera zu werden, solltest Du die Kamera solange in der Öffentlichkeit tragen, bis Du Sie gar nicht mehr bemerkst. Egal ob es nur kurz zum Wochenendeinkauf geht und Du gar nicht vorhast, zu fotografieren. Die Kamera wird ab jetzt Dein ständiger Begleiter.

Ziel

Werde selbstbewusster mit der Kamera in der Öffentlichkeit und vergiss mögliche Blicke, die Du auf Dich ziehst. Du wirst merken, dass sich sowieso viel weniger Leute für Deine Kamera interessieren als Du denkst. Vielmehr führt Deine Unsicherheit dazu, dass Du jeden Blickkontakt als negative Erfahrung einstufst.

Indem Du Deine Kamera ständig dabei hast, ist sie nichts Besonderes mehr für Dich. Du kannst Dich völlig selbstverständlich bewegen und fotografieren, ohne dass Du ständig das Gefühl hast, von allen Seiten beobachtet zu werden.

Eine Person geht durch einen Türbogen eine Treppe hinauf

Reduziere Dich auf das Wesentliche

Wenn Du das nächste Mal eine interessante Szene entdeckst, die Du fotografieren möchtest, beachte den gesamten Bildausschnitt. Versuche, jedes Detail wahrzunehmen und frage Dich, ob es notwendig ist, um die Geschichte, die Du erzählen möchtest, voranzutreiben. Wenn es nichts zu Deiner Geschichte beiträgt, verringere den Bildausschnitt.

Der beste Weg, um die unwichtigen Elemente auszublenden, ist, näher an den eigentlich wichtigen Bildteil heranzugehen. Gehe so nah heran, bis nichts Irrelevantes mehr im Bildausschnitt zu sehen ist und jedes Detail zu Deiner Geschichte beiträgt.

Ziel

Die Straßenfotografie unterscheidet sich von anderen Genres insofern, dass sie ungestellte Szenen zeigen soll. Dies bedeutet, dass wir die Orte und Geschehnisse, die wir fotografieren, nicht verändern dürfen. Ein häufiger Fehler dabei ist, zu versuchen, das Bild mit so vielen Blickfängen wie möglichen vollzustopfen.

Dies führt allerdings dazu, dass das Bild eher chaotisch wirkt als interessant. Die gezeigten Details stehen teilweise in keinerlei Verbindung zueinander und sind für die eigentliche Geschichte unwesentlich. Indem wir das Bild reduzieren, gelingt es uns, eine für die Betrachtenden verständliche Bildsprache zu entwickeln.

Ein Fahrrad

Eine Armlänge Abstand

Als er gefragt wurde, weshalb er immer aus mindestens einer Armlänge Abstand fotografiert, antwortete Bruce Gilden leicht ironisch, dass er aus dieser Distanz nicht plötzlich niedergestreckt werden könne. In dieser Aussage findet sich zumindest die Wahrheit wieder, dass es wichtig ist, nah ran zu gehen.

Für diese Aufgabe solltest Du am besten nur Bilder von Menschen, die etwa 1,5 Meter von Dir entfernt sind, aufnehmen. Am einfachsten gelingt Dir das mit einer kurzen Festbrennweite, zum Beispiel einem 35-mm-Objektiv, das Du vorfokussierst. So brauchst Du nur noch den richtigen Bildausschnitt zu finden und kannst schnell reagieren, um das passende Bild zu schießen. Geh näher ran, ohne den Ort zu beeinflussen und nimm authentische Blickwinkel auf.

Ziel

Näher heranzugehen ist einer der grundlegendsten Tipps in der Straßenfotografie. Du musst nicht einmal gut sein, um diese Aufgabe zu bewältigen, aber es wird sehr große Auswirkungen auf Deine Bilder haben. Diese Herausforderung hilft Dir zudem, die vorhergehende Aufgabe zu meistern und Dein Bild auf das Wesentliche zu reduzieren.

Mit der Zeit wirst Du merken, dass es gar kein „Problem“ darstellt, Menschen offen auf der Straße von Nahem zu fotografieren. Sie sind meistens sowieso zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um Dich zu bemerken.

Du lernst zudem, Dich unbemerkter auf der Straße zu bewegen, ohne große Aufmerksamkeit zu erregen. Mit Selbstbewusstsein und einer gewissen Selbstverständlichkeit wirst Du Bilder aus nächster Nähe aufnehmen, um authentische Szenen einzufangen.

Ein Mann mit Hut und Krawatte

Bleibe an derselben Stelle

Anfangs fühlte ich mich sehr unwohl dabei, in der Öffentlichkeit zu fotografieren. Um meine Nervosität zu bekämpfen, lief ich von Ort zu Ort, ohne die eigentliche Atmosphäre wahrzunehmen. Diese Unruhe zeigte sich sowohl in meiner Körpersprache, als auch in meinen Bildern. Kommunikation passiert zum größten Teil nonverbal im Unterbewusstsein. Wenn wir nervös oder gestresst sind, wird das von anderen Menschen bemerkt.

Anstatt nun von Ort zu Ort zu rasen, probiere Dich an der folgenden Herausforderung und verweile an derselben Stelle über einen längeren Zeitraum. Idealerweise sollte das ein Ort sein, an dem viele Menschen vorbeikommen. Zu Beginn fühlt es sich wahrscheinlich ziemlich merkwürdig an, einfach an einem Ort zu stehen, während Menschenmassen an einem vorbeiziehen. Mit der Zeit wird es Dir nicht mehr schwer fallen, so aus der Masse hervorzustechen, einfach „ziellos“ dort zu stehen und Bilder zu machen.

Ziel

Als Fotograf*innen beschleicht uns häufig das Gefühl, dass wir von allen Seiten beobachtet werden. Auch wenn es sein mag, dass unsere Kameras Blicke auf sich ziehen, ist vieles nur pure Einbildung. Für eine längere Zeit an derselben Stelle zu bleiben, hilft Dir, in der Öffentlichkeit selbstsicherer im Umgang mit der Kamera zu werden. Du wirst merken, dass Du mit der Zeit immer weniger auffällst und Reaktionen auf Dich ziehst.

Des Weiteren verdeutlicht Dir diese Übung, wie wichtig es ist, eine Szene ausführlich zu fotografieren. Je länger Du auf demselben Platz bist, desto mehr Details beginnst Du zu entdecken, die Du ansonsten verpasst hättest. Außerdem wirst Du überrascht sein, wie sich der Anblick im Laufe des Tages verändert. Wenn Du sogar das Glück hast und die Sonne herauskommt, kannst Du die unterschiedlichen Lichtbedingungen zu verschiedenen Uhrzeiten vergleichen.

Ein Hund auf der Straße

1.000 Bilder

Ich bin normalerweise eher zurückhaltend, wenn ich auf der Straße fotografiere. Bei einem normalen Spaziergang von etwa zwei bis drei Stunden mache ich vielleicht 20 bis 50 Fotos, aus denen ich am Ende wählen kann. Auch wenn ich sehr selektiv bin, was das Fotografieren angeht, wäre es durch die Digitalfotografie gar nicht notwendig, sich selbst so stark zu beschränken.

Mit meiner Erfolgsrate bin ich recht zufrieden. Aus den erwähnten 20 bis 50 Bildern ist meist eines dabei, das ich anderen zeigen kann. Dennoch verpasse ich sicherlich auch die eine oder andere Situation, weil ich zu stark grüble, statt einfach abzudrücken. Zwing Dich dazu, beim nächsten Mal die Speicherkarte vollständig zu füllen und so viel wie möglich zu fotografieren.

Ziel

Um so eine Menge Bilder einzufangen, musst Du eine Szene mit Potential sehr gründlich abfotografieren. Wenn Du diese Herausforderung ernst nimmst, wirst Du Deine Kamera kaum vom Auge wegführen. Stattdessen wirst Du einen mentalen „Zen“-Status erreichen und die Gegenwart sehr genau wahrnehmen.

Zudem kann es als Straßenfotograf*in sehr schwierig sein, von 0 auf 100 zu kommen, wenn Du insgesamt nur sehr wenige Bilder machst. Indem Du die ganze Zeit unter Hochspannung stehst, fällt Deine Konzentration nicht ab, sodass Du die sich darbietenden Situationen sofort erfassen und fotografieren kannst. Am Ende musst Du für Dich entscheiden, welches Tempo für Dich am besten ist. An einem Tag gezielt sein Maximum auszureizen, kann Dir Deine persönlichen Grenzen aufzeigen und Du bist um eine Erfahrung reicher.

Ein Geländer

Bleib Deinem Equipment treu

Benutze dieselbe Kamera-Objektiv-Kombination für einen Monat. Denk erst gar nicht darüber nach, Dein Equipment zu wechseln, nur weil Du Dir vorstellst, mit einem anderen bessere Bilder machen zu können. Wenn Du zu häufig Deine Objektive oder Kameras wechselst, wirst Du mehr damit beschäftigt sein, Dich in Dein neues Werkzeug erst einzuüben, als Dich mit der Fotografie an sich auseinanderzusetzen.

Für diesen einen Monat wirst Du keine Gedanken an Deine Ausrüstung verschwenden. Die beste Kamera ist die, die Du dabei hast und damit wirst Du die besten Dir möglichen Bilder machen.

Ziel

Viele Fotograf*innen schieben den Misserfolg auf die Ausrüstung und suchen nach Ausreden. Die einzige Sache, an der Du in diesem Monat arbeiten wirst, sind Deine persönlichen Fähigkeiten als Fotograf*in. Du wirst Dich mit der Komposition, Deiner Persönlichkeit und Deinen fotografischen Fähigkeiten auseinandersetzen und nicht mit Deiner Kamera. Zudem lernst Du diese eine Kamera in- und auswendig kennen und kannst sie praktisch blind bedienen.

Eine Straßenszene bei Nacht

Fotografiere in Farbe, wenn Du sonst nur in Schwarzweiß arbeitest oder umgekehrt

Bist Su lieber in Schwarzweiß zuhause und hast Dich bislang nicht getraut, Deine Bilder auch in Farbe zu zeigen? Dann solltest Du es ausprobieren, Deine eigene Komfortzone zu verlassen und auch einmal einen neuen Stil auszuprobieren. Entdecke, welchen Einfluss verschiedene Farben haben können oder wie sich Licht und Schatten auf monochrome Bilder auswirken.

Du wirst fasziniert davon sein, wie unterschiedlich derselbe Ort durch die unterschiedliche Herangehensweise wirken kann.

Ziel

Farbfotografie erfordert eine ganz andere Sicht als die Schwarzweißfotografie. Schwarzweiß betont das Licht und die Schatten, während die Farbfotografie die gesamt Farbpalette betont. Während Du ganz bewusst auf die Farben achtest, nimmst Du die Umwelt ganz anders wahr, als in der Schwarzweißfotografie. Jeder Farbklecks kann ungewollt die Aufmerksamkeit von den Protagonist*innen ablenken. Indem Du Deinen eigenen Stil drastisch änderst, wirst Du vor neue Herausforderungen gestellt, auf die Du kreative Antworten finden musst.

Eine Person im Sonnenuntergang

Schau Dir Deine Bilder nicht sofort an

Mit Hilfe der Digitalfotografie haben wir die Möglichkeit, unsere Bilder sofort anzuschauen. Anstatt allerdings unseren Fokus auf das nächste Bild zu legen, verschwenden wir unsere Zeit mit Dingen, die wir sowieso nicht mehr ändern können. Der einzige Grund, Deine Bilder kurz anzuschauen, ist, um zu beurteilen, ob die Belichtung stimmt. Alles andere kannst Du im Nachhinein nicht mehr beeinflussen und lenkt nur von Deiner eigentlichen Aufgabe ab.

Sollte die Komposition nicht perfekt gewesen oder deine Hauptperson nicht ideal getroffen sein, sollte das keinen Einfluss auf die folgenden Bilder haben. Anstatt darüber zu grübeln, was alles schief lief, lenke Deine Konzentration auf das nächste Bild und mach das Beste draus. Selbst wenn das Bild, das Du im Display siehst, in Ordnung aussieht, solltest Du weiter fotografieren, falls Du das Gefühl hast, noch bessere Bilder zu bekommen.

Schaue Dir Deine Bilder nach einer Fototour ebenfalls nicht sofort an. Lass sie zuerst noch reifen und beurteile Sie zu einem späteren Zeitpunkt.

Ziel

Die Bewertung Deiner eigenen Bilder ist sehr subjektiv und verzerrt. Es fällt sehr schwer, die eigenen Ergebnisse objektiv zu beurteilen, wenn die Emotionen noch sehr am Bild hängen. Indem Du Deine Bilder erst einmal liegen lässt, wirst Du eine gewisse Distanz und Neutralität aufbauen können.

Du wirst wahrscheinlich selbst schon bemerkt haben, dass es Dir viel einfacher fällt, fremde Bilder zu bewerten. Dir ist es dann möglich, nur auf das Bild zu achten. Bei Deinen eigenen Bildern wird es Dir kaum möglich sein, das Bild getrennt von Deiner eigenen Person zu bewerten. Um jedoch etwas Objektivität zu gewinnen, hilft es Dir, ein paar Wochen oder sogar Monate lang Deine Bilder ruhen zu lassen und erst dann zu entscheiden, ob Du sie präsentieren möchtest.

Straßenszene bei Nacht mit Lichtern

Veröffentliche fünf „Unfälle“ auf Social-Media-Plattformen

Social Media spielt auch unter Hobbyfotograf*innen eine immer größere Rolle. Uns ist es dort möglich, unsere neuesten Erfolge zu präsentieren oder wir stoßen auf hilfreiche Artikel. Aber wenn es darum geht, die eigene Arbeit zu präsentieren, kann es sein, dass Du Dich dazu gedrängt fühlst, einen bestimmten Stil zu befolgen, der gerade am beliebtesten ist. Dieser Druck kann dazu führen, dass sich Deine Bilder durch den äußeren Einfluss verändern und Du mehr für Deine Follower fotografierst als für Dich selbst.

Setze Dich über diesen Gruppenzwang hinweg, indem Du mindestens fünf Bilder veröffentlichst, die sich sehr von Deinem bisherigen Stil unterscheiden. Diese fünf Bilder erhalten womöglich nicht die meisten Likes, aber geht es Dir wirklich nur darum, wenn Du Bilder online stellst?

Ziel

Heutzutage haben wir zunehmend das Gefühl, von den Meinungen anderer abhängig zu sein. Die sozialen Medien verstärken dieses Gefühl. Teilweise hängt das Selbstwertgefühl von Fotograf*innen von den Likes oder Herzchen eines Posts ab. Bekommst Du viel Zuspruch, hast Du einen Höhenflug und wenn es mal nicht gut läuft, kann das auch negative Auswirkungen haben. Jedoch solltest Du immer zuerst für Dich fotografieren und damit zufrieden sein.

Veröffentliche fünf Bilder, die wahrscheinlich nicht so viele Likes bekommen. Du wirst bemerken, dass die Welt nicht untergeht, nur weil das eine Bild nicht von allen so positiv aufgenommen wird. Am Ende ist es viel erfüllender, Likes für Bilder zu sammeln, hinter denen Du selbst stehst, als bei Fotos, die in erster Linie für Deine Follower bestimmt sind.

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