20. April 2017 Lesezeit: ~5 Minuten

Between The Light – San Francisco im Portrait

Der Nebel drängt langsam von der See herein und hin und wieder ist eine Möwe zu hören, die irgendwo über meinem Kopf ihre Kreise zieht. Ich stapfe tapfer die Hügel des Russian Hill empor, auf der Suche nach einem neuen Motiv für meine Fotoserie. Das Nebelhorn eines Frachters ertönt und unterbricht die Stille.

Der Trubel und das Leben des Tages sind schon lange zum Erliegen gekommen. Die Stadt wird in Kürze jedoch wieder erwachen. Dieser Moment, der von Stille und Einsamkeit inmitten Tausender Menschen geprägt ist, hat mich schon immer fasziniert. Ab und zu huscht eine dunkle Gestalt über die Straße und kreuzt meine Wege.

Ich bin auf der Suche nach Motiven, die „mein“ San Francisco wiedergeben und die Schönheit, aber auch den Charakter der Stadt zeigen. Ganz gezielt habe ich mich für Bilder in den frühen Morgenstunden entschieden, da sie in meinen Augen genau diesen spannenden Moment wiedergeben, in dem eine Stadt erwacht.

Restaurant bei Nacht

Ein kleiner Turm an einer nächtlichen Straße

Als ich meine Serie begann, hatte ich meine Aufmerksamkeit auf die üblichen touristischen Motive wie die Golden Gate Bridge, die steilen Straßen San Franciscos, Cable Cars und Alcatraz gerichtet. Hungrig sog ich die Stadt in mich auf. Doch irgendwann veränderte sich mein Blick. Ich suchte nach einer anderen Perspektive.

Nach einigen Aufenthalten erkannte ich, dass Menschen, die in einer Stadt leben, einen ganz anderen Blickwinkel auf ihre Umgebung haben, als jene, die nur für einen kurzen Besuch dort sind. Meine Motivsuche führte mich nun weg von den Menschenströmen, hin zu ruhigeren alltäglicheren Orten.

Allerdings wollte ich der Idee, die Stadt ohne Menschen zu portraitieren, treu bleiben. Ich machte die Nacht zum Tag und häufig verließ ich mein Hotel schon um vier Uhr morgens. Es war kalt, feucht und dennoch lagen eine Spannung und Faszination in der Luft, die man mit Worten nicht wiedergeben kann. Die Stadt hatte mich in ihren Bann gezogen.

Früh entschied ich mich für den Einsatz analoger Kameras. Daraus ergaben sich zwei Besonderheiten: Meine Ausrüstung bestand aus einer Hasselblad 500cm und einer Rolleiflex 3,5F, die beide das quadratische Format unterstützen. Dies war die erste technische Entscheidung, die einen großen Einfluss auf die Komposition und Bildsprache der finalne Serie hatte.

Meine zweite Entscheidung war die Wahl des Films. Sie fiehl auf den Kodak Portra 160 und 400. Die nächtlichen Szenen weisen einen sehr hohen Kontrastumfang auf, daher wählte ich einen Farbnegativfilm, der bei der richtigen Belichtung spielend damit umzugehen weiß. Natürlich beeinflusste auch diese Entscheidung die Bildsprache der fertigen Serie deutlich.

Blick auf eine Großstadt

Ein Taxi auf einer Straße

Über vier Jahre lang sammelte ich Bilder. Einige entstanden am frühen Morgen, andere mitten in der Nacht. Ich empfand eine große Genugtuung, nach vollendeter Arbeit erschöpft und durchgefroren im Hotelzimmer anzukommen. Erst einige Tage später würde ich wissen, ob die Bilder, die ich am Morgen aufgenommen hatte, meiner Vision entsprachen. Bis dahin musste ich abwarten.

Da ich immer wieder nach San Francisco reiste, wuchs meine Sammlung Monat für Monat an. Wann war es nun an der Zeit, die Serie zu beenden? Diese Frage war nicht so leicht zu beantworten, wie ich dachte, denn am Ende eines langjährigen Projekts häufen sich Zweifel am Konzept.

Zumindest ging es mir so, als ich Anfang dieses Jahres die Idee für ein Buchprojekt erarbeitete. War der Zusammenhang der Bilder für den Betrachter schlüssig? Hatte ich es wirklich geschafft, ein Portrait der Stadt aufzunehmen, die mich so in ihren Bann gezogen hatte?

Doch dem Zweifel folgte die Gewissheit, dass ich es mir selbst schuldig war, die Serie würdig zu beenden. Was vor mehr als vier Jahren mit spontanen nächtlichen Ausflügen und Spaziergängen in San Francisco begann, hatte sich für mich zu einem ausgiebigen Fotoprojekt entwickelt. Es war an der Zeit, den Bildern einen Zusammenhang und Rahmen zu geben und ein Buch schien das geeignete Format dafür.

Eine nächtliche Straße

Ein Restaurant bei Nacht

Die größte Herausforderung lag in der Auswahl der Bilder. Mit der Hilfe meines Freundes Johannes Meger gelang es nicht nur, die besten Bilder für eine Fotoserie zu bestimmen, sondern auch, sie in eine spannende Reihenfolge zu bringen. Es folgten einige schlaflose Nächte, bis das Design des Buches fertig war. Ein weiterer guter Freund, der Portraitfotograf Jesse Struyvelt aus Belgien, verfasste ein kurzes Vorwort und vervollständigte damit mein Projekt. Das Buch war fertig.

Es freut mich sehr, hier eine Auswahl der Bilder zeigen zu dürfen und meine Geschichte zur Entstehung des Buches wiederzugeben. Ein Projekt, das mich so viele Jahre begleitet hat, hat nun ein würdiges Ende gefunden. Allerdings höre ich bereits wieder den Ruf der Straßen von San Francisco und es wird mich sicher wieder hinausziehen, um die Stadt weiter zu erkunden. Ob dies zu einem zweiten Band führt, bleibt ungewiss.

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