12. April 2017 Lesezeit: ~9 Minuten

Testbericht: Sony RX1R II

Als „Mini-A7R II“ ist die Sony RX1R II nicht die erste Vollformat-Kompaktkamera auf dem Markt. Viel Konkurrenz gibt es allerdings auch nicht. Neben den anderen Modellen der RX1-Reihe ist es nur noch die Leica Q, die sich in den Spezifikationen deutlich unterscheidet, aber preislich im selben Rahmen bewegt.

Mit der RX1R II geht Sony im Vergleich zum Vorgängermodell in eine deutlich andere Richtung. Dieses konnten viele noch als Luxusspielzeug abtun, die RX1R II dagegen hat das Potential zu einem Allrounder in vielen Bereichen der Fotografie. Viele der Kritikpunkte, die nach der Einführung der RX1 bemängelt wurden, sind bei der RX1R II endlich behoben.

Der kleine Blitz musste einem elektronischen Pop-up-Sucher weichen, der deutlich mehr kann, als er von außen vermuten lässt. Ein wenig wirkt der Sucher wie ein Gimmick, das nachträglich hinzugefügt wurde. Mit 2.359.296 Bildpunkten, 100 % Sichtfeldabdeckung und 0,74-facher Vergrößerung entspricht er dem der Sony A7R II.

Im Vergleich zum Vorgängermodell, das keinen eingebauten Sucher hatte, ist die Kamera damit direkt interessant für alle Fotograf*innen, die auf einen Sucher nicht verzichten möchten. Zwar gab es zuvor bereits einen Aufsteck-Sucher für den Blitzschuh, aber das ist sicherlich Geschmackssache.

Ein erleuchteter Globus in einem Auto.

1/100 s, f/2, ISO 1.000

Details auf einem Globus

Details

Außerdem wurde der Autofokus des älteren Modells bemängelt. Hier hat sich auch deutlich etwas getan. Zwar pumpt der Autofokus mit seinen 399 Fokuspunkten im AF-S-Modus noch etwas, auf AF-C gestellt ist er aber sehr schnell. Als Vergleich zu größeren DSLR-Kameras dient mir meine Nikon D750 mit Sigma 35 mm f/1.4 Art . Was die Treffsicherheit bei schlechten Lichtverhältnissen angeht, verliert die Sony RX1R II hier deutlich den Vergleich, bietet aber die Möglichkeit, mit einem komfortablen Fokus-Peaking diese Schwäche auszugleichen.

Design und Handhabung

Für eine Kompaktkamera ist sie recht groß und mit 507 g (inkl. Akku und Speicherkarte) auch recht schwer. Betrachtet man aber die Leistung, die die Kamera bietet, ist sie im Vergleich zu professionellen Spiegellosen und Spiegelreflex-Kameras ein Leichtgewicht.

Im Wesentlichen hat sich seit der Einführung der RX1 nicht viel geändert und das aus gutem Grund. Es finden sich kaum überflüssige Knöpfe, alle Einstellräder und Funktionen sind bequem zu erreichen und die Knöpfe sind so weit konfigurierbar, dass nahezu jede erdenkliche Funktion mit einem Knopfdruck erreicht werden kann. Das empfiehlt sich auch, angesichts der fast schon traditionell unübersichtlichen Menüführung Sonys.

Beim Fotografieren kommt es oft auf Kleinigkeiten an und das eigene, subjektive Empfinden ist oft der entscheidende Faktor, ob eine Kamera zu einem passt oder nicht. Für mich ist es wichtig, dass eine Kamera möglichst einfache Erreichbarkeit aller wichtigen Funktionen bei gleichzeitig möglichst minimalistischem Design bietet. Die Sony RX1R II kommt dem sehr nah. Mit der Blendeneinstellung am Objektiv, der Verschlusszeit am oberen Einstellrad und der ISO-Einstellung auf dem Daumenrad sind die wichtigsten Parameter praktikabel untergebracht.

Ein Zweig liegt auf Pflastersteinen

Details eines Zweiges

Viele kleine Details, dank der hohen Auflösung.

Das Daumenrad kann zudem nicht nur auf Drehen, sondern auch auf Druck in alle vier Richtungen konfiguriert werden. Damit lassen sich der Wechsel der Fokuspunkte, schnelles Umschalten von Autofokus auf manuellen Fokus und andere Prioritäten einfach erreichen. Zudem gibt es drei weitere Tasten, die beliebig belegt werden können. Außerdem steht ein Exposure-Comp-Einstellrad zur Verfügung. An den Einstellrädern wird auch die solide Verarbeitung der Kamera deutlich. Ein versehentliches Verstellen der Räder dürfte nur selten vorkommen.

Mit der kompakten Größe ist die Kamera für Straßen- und Reisefotograf*innen interessant, die Bildqualität und Auflösung passt außerdem gut zu den Bereichen Landschaft, Architektur und Portrait. Die Flexibilität der Einstellungen macht eine optimale Handhabung in häufig wechselnden Lichtsituationen möglich. Das Klappdisplay trägt auch zu dieser Vielseitigkeit bei. Die feste Brennweite von 35 mm und eine maximale Blende von f/2 machen die Kamera zu einer vielseitigen Begleitung.

Nahaufnahme eines Gesichts

1/100 s, f/2, ISO 1.250; Naheinstellgrenze auf 20–30 cm verschoben.

Bildqualität

Im vergleichsweise winzigen Gehäuse der Sony RX1R II befindet sich der gleiche, von hinten beleuchtete, 42-Megapixel-Sensor wie in der Sony A7R II. Damit dürfte zur Bildqualität eigentlich genug gesagt sein, sie ist herausragend. Ob diese Höhenflüge in Sachen Auflösung für die eigene Fotografie wirklich notwendig sind, muss jede*r selbst entscheiden. Immerhin bringen die RAW-Dateien der Kamera es auf gut 80 MB pro Bild. Sony sollte eigentlich einen Satz Arbeitsspeicher und Festplatten mitliefern, aber Zubehör bei Sony ist ohnehin schon teuer.

Die britischen Kolleg*innen von Techradar haben die Kamera unter Laborbedingungen getestet und mit dem Vorgängermodell, der Leica Q sowie der Fuji x100T verglichen. Abseits von Laborbedingungen fällt die Auflösung natürlich auf. Die Möglichkeit, ein Bild zu beschneiden, wenn nötig, nimmt neue Dimensionen an. Beim Bearbeiten der Bilder fällt der Detailreichtum, und zwar durch alle ISO-Bereiche hindurch, auf. So werden die abstrakten Laborwerte in der Praxis sichtbar und können für das eigene Arbeiten genutzt werden.

Nahaufnahme von Blättern

Nahaufnahme von Blättern

Chromatische Aberration muss man suchen, aber man findet sie. Dezent.

Der Sensor bietet sicherlich die beste Bildqualität, die derzeit bei Sony, vielleicht sogar im gesamten Vollformat-Bereich, zu finden ist. Das gilt für Fotograf*innen. Die Videoqualität der Kamera ist mit 1080p beschränkt, eine Option für 4K-Aufnahmen gibt es nicht. Wer schwerpunktmäßig eine Kamera für’s Filmen nutzt, wird aber ohnehin zur Sony A7s greifen. Für die Ansprüche der meisten, die neben den Fotos die eine oder andere Filmaufnahme machen wollen, reichen die Funktionen allemal.

Was den Tiefpassfilter angeht, hat sich Sony etwas einfallen lassen. Bei den vorangegangenen Modellen gab es eine Version mit und eine ohne Tiefpassfilter. Die Sony RX1R II hat einen optisch variablen Tiefpassfilter verbaut, der sich, je nach Bedarf, ausschalten, auf „mittel” oder „hoch“ einstellen lässt. Ausgeschaltet verspricht die Einstellung mehr Schärfe, eingeschaltet weniger Moiré-Effekt.

Objektiv

Die Kamera hat ein fest verbautes 35-mm-f/2-Objektiv aus dem Hause Zeiss. Die Verarbeitung ist sehr solide, dementsprechend gut fühlt sich das Objektiv in der Handhabung an. Der Blendenring läuft sauber und mit festen Klicks. Der Fokusring läuft weich, aber nicht zu sehr, was ein präzises Fokussieren ermöglicht. Des Weiteren gibt es einen Ring, um das Objektiv in den Makro-Modus umzustellen, wodurch sich die Naheinstellgrenze auf 20 cm verkürzt.

Das Objektiv erfüllt die Erwartungen, die man an ein Zeiss-Objektiv hat, voll und ganz. Es ist scharf, cremig im Bokeh und hat einen nicht zu klinischen Charakter. Chromatische Aberration wird von der Kamera gut im Zaum gehalten und Verzeichnung ist in einem Maß vorhanden, das in der Nachbearbeitung keinerlei Umstände bereitet.

Ein so qualitativ hochwertiges Objektiv hat eine gewisse Größe. In diesem Fall ragt das Objektiv nicht nur ein gutes Stück aus der Kamera heraus, sondern beansprucht auch im Innern der Kamera den meisten Platz.

Eine Person hinter Blättern in der Abendsonne

1/1000 s, f/2, ISO 200

Fazit

Der Preis der Kamera ist mit 4199,-€ UVP natürlich der größte Kritikpunkt. Es ist eine Sony-Kamera, die mit ihrem Leica-Äquivalent preislich gleich auf ist. Betrachtet man die Alternativen, um in Sachen Sensor und Objektiv eine ähnliche Kombination zu bekommen, relativiert sich der Preis. Eine Alternative wäre die Sony A7R II mit einem der lichtstarken 35-mm-Objektive aus der Kooperation von Sony und Zeiss.

Diese Kombination liegt preislich, aber vor allem von der Größe her, deutlich über der kompakten RX1R II. Der wesentliche Unterschied liegt natürlich in der Möglichkeit, Objektive zu wechseln (und im Fall der A7-Reihe auch in den schier unbegrenzten Adaptionsmöglichkeiten). Wer sich für diese Kamera entscheidet, muss mit einer Brennweite von 35 mm und einer maximalen Blendenöffnung von f/2 zurechtkommen.

Neben dem hohen Preis sind die einzigen spürbaren Kritikpunkte die schlechte Akkuleistung und der fehlende Spritzwasserschutz. Um einen ganzen Satz Ersatzakkus kommen Fotograf*innen hier nicht herum und der Spritzwasserschutz wäre bei einer idealen Reisekamera eigentlich keine große Sache gewesen. Neben den Akkus gibt es noch einige andere Zubehör-Teile, die die Kamera deutlich aufwerten. Diese sind leider auch nicht günstig.

So verlangt Sony beispielsweise für die Sonnenblende aus Metall satte 189 € und für jeden Akku 44,90 €. Das Objektiv mit einem Filterdurchmesser von 49 mm nimmt aber auch dankbar verschiedenste Arten von Sonnenblenden, die der Markt zu bieten hat. Auch gut verarbeitete Griffe, die einen deutlich besseren Halt geben, ohne an der kompakten Größe viel zu ändern, sind von Fremdherstellern zu haben.

Eine Person sitzt an einem Klavier

Eine Person sitzt an einem Klavier

1/80 s, f/2, ISO 51.200

Wer also bereit ist, so viel Geld für eine Kamera auszugeben, bekommt mit der RX1R II eine Kombination aus herausragender Bildqualität, minimalistischem Design, sehr hochwertiger Verarbeitung und praktikabler Bedienbarkeit. Der neue Sucher hat aus der Point-and-shoot-Kamera eine ernstzunehmende Konkurrenz für große, schwere Kamerasysteme gemacht, die mit ihrer Flexibilität in nahezu jeder fotografischen Situation eine ideale Begleitung abgibt.