11. April 2017 Lesezeit: ~6 Minuten

Im Fokus: Ilka Brühl

Alles begann im November 2014, als die Fotografin Ines Rehberger nach Braunschweig gezogen ist. Auf Facebook rief sie dazu auf, sich zu melden, falls man aus der Gegend käme. Da ich die Art, wie sie Menschen abbildet, schon immer toll fand und neugierig auf die Person hinter der Kamera war, habe ich mich überwunden und ihr geschrieben.

Ich bin auch heute noch kein Mensch, der nur so vor Selbstbewusstsein strotzt, aber damals war das ein großer Schritt für mich. Schließlich haben wir uns nicht verabredet, um einen Kaffee zusammen zu trinken, sondern um Fotos zu machen. Von mir. Ach herrje, was hatte ich da bloß getan? Die Zeit bis zum Termin war größtenteils erfüllt von negativen Gefühlen. Wie war ich bloß auf die vermessene Idee gekommen, dass sie Fotos von mir machen würde?

Würde sie wenigstens höflich lächeln und bloß nie etwas posten oder mich gleich rauswerfen, wenn sie sah, wie blöd ich mich anstellte? Mehrmals überlegte ich, das Ganze wieder abzusagen, doch die unverbesserliche Optimistin in mir hielt mich davon ab. Zum Glück! Denn daraus entwickelten sich eine ganz tolle Freundschaft und eine große Entwicklung, die ich durchlaufen habe. Ines war und ist einfach so ein lieber Mensch, dass ich mich sofort wohlgefühlt habe.

Bei wenigen Grad über Null sind wir draußen durch den Regen gerannt und haben so manchen Vorübergehenden irritiert, als wir mich direkt neben den fahrenden Autos platziert haben. Es funktionierte einfach – wir waren voll auf einer Wellenlänge. Ines hat es mir denkbar einfach gemacht und dafür bin ich ihr bis heute unglaublich dankbar. Besonders gefallen hat mir damals, dass ich nicht so ein erzwungenes Lächeln aufsetzen musste, sondern mich zeigen konnte wie ich bin, manchmal auch ganz verletzlich.

Daraufhin kam so viel positives Feedback, dass es mir mittlerweile ein starkes Bedürfnis ist, hin und wieder daran zu erinnern, dass jeder Mensch auf seine Weise schön ist. Im Laufe der Zeit folgten auf dieses Shooting viele weitere und ich habe so tolle Menschen kennengelernt, meine Fotofamilie.

Das mag ich auch so gern am Modeln: die Menschen. Bisher habe ich ausschließlich liebe Leute über die Fotografie kennengelernt. So unterschiedlich wir auch alle sind, dieses Hobby vereint uns. Da ist einfach so eine kreative Grundstimmung, die wir alle gemein haben. Besonders bewusst wird mir das immer auf unseren Meet-ups, privat organisierten Treffen, bei denen Modelle und Fotograf*innen zusammenkommen.

Ich habe schon von solchen gehört, wo nur die Ergebnisse zählten und die menschliche Komponente zu kurz kam. Das kann man über unsere Treffen jedenfalls nicht behaupten. Es ist einfach immer eine tolle Zeit mit Herzensmenschen, wo man nicht komisch angeguckt wird, wenn man mitten in der Nacht vorschlägt, Bilder unter Wasser zu machen oder vor dem Sonnenaufgang aufzustehen, um Fotos zu machen.

Auch wenn ich das jetzt schon häufiger gemacht habe, finde ich jedes Shooting einzigartig. Manche Fotograf*innen haben eine ganz konkrete Vorstellung von dem Bild und geben quasi millimetergenaue Angaben. Andere überlassen das Posing ganz mir und drücken dann im richtigen Moment ab. Beides hat irgendwie seine Vorteile, aber der richtige Mittelweg ist mir am liebsten. Dann kann man sich nämlich selbst in die Bilder einbringen, ohne sich alleingelassen zu fühlen. Dabei habe ich dann nämlich häufig die Sorge, dass der Mensch hinter der Kamera nachher enttäuscht von den Bildern ist.

Doch bisher habe ich mich immer sehr wohlgefühlt bei den Shootings, auch wenn ich manchmal schon an meine Grenzen gegangen bin. Häufig komplett durchgefroren, nass und schmutzig zu sein, gehört einfach dazu. Dafür erlebt man auch lauter tolle Sonnenuntergänge und sieht Landschaften, die man sonst vielleicht nie entdeckt hätte.

Besonders schwer fallen mir allerdings die Shootings unter Wasser, weil ich aufgrund meiner Gesichtsspalte meine Nase nicht gegen einlaufendes Wasser schützen kann. Meist habe ich den ganzen Tag danach Kopfschmerzen, was mich aber nicht davon abhält, es immer wieder zu machen. Die Ergebnisse sind einfach irgendwie immer so magisch.

Häufig läuft das Ganze auf TFP-Basis, weil ich die Idee selbst so toll finde und mich über das Vertrauen freue, das mir entgegengebracht wird. Es kam im letzten Jahr aber auch manchmal vor, dass ich wegen meines Studiums wenig Zeit hatte und die Idee so schon etliche Male umgesetzt hatte. Dann habe ich dafür Geld oder die Fahrtkosten erstattet bekommen. Insgesamt habe ich in Fahrten und Klamotten aber mehr investiert, als ich bekommen habe, was mich überhaupt nicht stört, weil es mir meist ja auch sehr viel Spaß macht.

Spannend finde ich immer, dass ich auch selbst fotografiere und daher beide Seiten kenne. Die Kombination trifft man relativ häufig an, weil es den Modellen irgendwann nicht mehr reicht, die Ideen anderer umzusetzen. Ich möchte eigentlich auf keine der Rollen verzichten, da ich so meine eigenen Geschichten erschaffen kann, aber auch immer wieder an den Werken anderer teilhaben kann. Außerdem ist es für mich als Fotografin manchmal von Vorteil, wenn ich weiß, was ich da gerade von meinem Modell verlange.

Vor der Kamera kann es hingegen nicht schaden, Kenntnis von den Grundlagen der Fotografie und Bildgestaltung zu haben. Eine Kombination aus beidem sind die Selbstportraits, die mir die Möglichkeit geben, die volle Kontrolle über meine Ideen zu behalten. Von der Umsetzung finde ich diese aber am schwersten, was Bildausschnitt und Fokus angeht.

Wenn ich so zurückdenke, bin ich wahnsinnig froh, dass ich damals nicht gekniffen und Ines doch besucht habe. Die Fotografie hat mir zu mehr Selbstbewusstsein verholfen und viele liebe Menschen in mein Leben gebracht.

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