28. September 2016 Lesezeit: ~7 Minuten

Eine Liebeserklärung an den Film

Der 10. September 2015. Dieses Datum ist für mich der Beginn einer neuen Liebe. An diesem Tag habe ich mir meine erste analoge Kamera gekauft, eine Nikon FM2. Sie ist schwarz, voll mechanisch, hat eine Belichtungszeit von 1/4000 s, besitzt einen integrierten Belichtungsmesser und ist gemacht für die extremsten Temperaturen. Ein eigentlich unverwüstliches, über 30 Jahre altes Arbeitstier.

Der Grund für den Kauf meiner ersten Analogkamera war, dass ich einen neuen Anreiz in der Fotografie benötigte und zugleich auch eine kleine Auszeit von der digitalen Fotografiewelt. Ich hatte mich an den Werken, die man in den sozialen Netzwerken zu sehen bekommt, zum Großteil einfach satt gesehen, hatte aber auch an meinen eigenen Aufnahmen keine Freude mehr. Ganz davon abgesehen, wollte ich mich der analogen Fotografie schon immer widmen und an diesem Tag war es soweit.

Telefon an einer Wand

Jetzt, gut ein Jahr und etliche verschossene Filme später, nach Stunden in der Dunkelkammer und einem schmaleren Bankkonto, weiß ich: Ich werde nie mehr aufhören, analog zu fotografieren.

Vorher weiß man das natürlich nicht, aber ich habe schnell gemerkt, dass ich viel zu lange damit gewartet habe. Das, was ich vor Augen habe, wenn ich an für meinen Geschmack schöne Fotografien denke, und was ich immer wieder bei anderen Fotografen bewundere, die auf Film fotografieren, kann ich nun endlich selbst in die Tat umsetzen.

Blick nachts aus einem Auto heraus

Ein misslungener Fokus oder eine fehlende Schärfe in einer analogen Aufnahme sind für mich, je nach Motiv, nicht so störend wie bei einer digitalen. Für mich ist eine Aufnahme dann schön, wenn ich sie länger betrachten kann und sie eine bestimmte Wirkung auf mich hat, ein bestimmtes Gefühl auslöst. Oft sind es sogar diese kleinen Makel, die ein analoges Bild für mich am Ende zu dem machen, was es ist, nämlich ein einziger Moment, den ich festgehalten habe, so wie ich ihn in diesem Augenblick gesehen und gespürt habe, ohne zu versuchen, ihn im Nachhinein zu perfektionieren.

Was meine analoge Ausrüstung betrifft, war es am Anfang schon sehr gewöhnungsbedürftig, da ich mit einem 28-mm-Objektiv für die Straßenfotografie angefangen habe und es zudem nicht gewohnt war, ein Bild mit Blende f/8 oder kleiner zu schießen, da der Großteil meiner digitalen Aufnahmen offenblendig fotografiert wurde. Mittlerweile hat sich mein Auge aber daran gewöhnt und ich sehe die Dinge ebenso für die 28-mm-Linse.

Unterführung

Da ich schon immer gern in der Nacht mit meiner Kamera unterwegs war, wollte ich das natürlich ebenfalls im Analogen umsetzen. Obwohl ich mit meiner Nikon FM2 bei Nacht echt gute Erfahrungen gesammelt habe, trotz maximaler Offenblende von f/2.8, wollte ich meine neuen Linsen für die Filmfotografie nutzen können. Meine alte Dame bekam also eine kleine Weggefährtin, die Nikon F100. Mit ihr habe ich mir die Anschaffung der lichtstarken und teuren Linsen von früher gespart.

Nikon hat 1959 das F-Bajonett eingeführt und es bis heute, trotz Erfindung des Autofokus, nicht eingestellt, sondern immer wieder neu entwickelt. Die heutigen neuen Linsen ohne Blendenring können nur von Analogkameras genutzt werden, die damals schon eine automatische Blendenerkennung hatten. Bei der von mir gekauften Nikon F100 ist das der Fall, somit kann ich ohne Probleme meine lichtstarken Objektive nutzen. Sie gehörte zu den letzten Analogkameras von Nikon und hat einen Autofokus mit fünf Messfeldern.

Mädchen vor nächtlichen Lichtern

Ich fotografiere viel in dunklen Lichtverhältnissen, daher habe ich auch diverse Filme getestet. Darunter waren der Kodak Portra 800, der Fuji Superia 1600 oder auch mal ein auf ASA 1200 gepushter Kodak Tri-X 400. Mein persönlicher Favorit für die Nacht ist aber definitiv der Cinestill 800T. Er hat eine Farbtemperatur von 3200 Kelvin und wurde speziell für Kunstlicht entwickelt, wie man es zum Beispiel in Bars, bei Konzerten, an Haltestellen, in Unterführungen, bei Leuchtreklamen oder in Straßen hat.

Durch seine Auslegung auf Kunstlicht werden zudem unerwünschte Farbstiche vermieden und man erhält eine natürliche Farbwiedergabe. Da der Cinestill 800T sein Zuhause in der Filmindustrie hat, verleiht er den Bildern einen ganz besonders cineastischen Look und hebt sich somit für mich von all den anderen lichtempfindlichen Filmen ab.

Frau am Fenster im Lichtschein

Egal ob bei Tag oder bei Nacht: Schnappe ich mir meine Kamera und gehe mit mal mehr, mal weniger Plan nach draußen, um zu fotografieren, dann ist das eine Zeit, in der ich mir selbst Gutes tue.

Würde man mich fragen, warum ich denn mit diesen alten Teilen fotografiere, würde ich antworten: Es ist das Einlegen des Films, das Geräusch des Aufziehens, das Geräusch des Auslösens oder das Anhalten des Atems, um richtig zu fokussieren. Das nicht ständige Kontrollieren auf dem Display, unabhängig vom Ergebnis hin und wieder einen Film selbst entwickeln und dabei enttäuschende Ergebnisse aufgrund falscher Mischverhältnisse erhalten.

Ein verregnetes Fenster

Das Abgeben oder Einschicken der Filme im Labor, die Vorfreude auf die entwickelten Negative und Scans, das Betrachten der Negative durch das Vergrößerungsglas, der einfach einzigartige Look und Charme von Film. Das sind die ganz kleinen Dinge der analogen Fotografie, die am Ende im Ganzen das Besondere für mich ausmachen.

Mir hat mal jemand gesagt, dass es ja eigentlich nicht schwer ist, mit so einem integrierten Belichtungsmesser analog zu fotografieren. Das ist korrekt, aber das heißt für mich nicht, dass es durch die elektronische Hilfe langweiliger wird. Genau dann gilt es eben, aus dem „Einfachen“ etwas Besonderes zu machen. Noch nicht einmal unbedingt für den Außenstehenden, sondern einfach nur für mich. So wie ich die Dinge um mich herum in diesem Moment eben sehe.

Frau in der Badewanne

Ich mag es, Menschen oft so zu fotografieren, wie sie deren Umfeld vielleicht noch gar nicht gesehen hat. Meistens auf eine emotionale Weise, wie sie im Alltag für andere sonst nicht sichtbar wird. Es kam auch schon vor, dass genau durch diese Emotionalität eine besondere Bindung zur Aufnahme entstanden ist und das ist für mich das schönste Kompliment, das ich am Ende bekommen kann. Der schönste Nebeneffekt der Fotografie, egal ob digital oder analog, ist für mich der, dass ich mit Menschen in Kontakt gekommen bin, die die gleiche Leidenschaft teilen. Aus diesen Bekanntschaften haben sich mittlerweile sogar Freundschaften entwickelt.

Alles Schöne, was wir auf unbearbeiteten Aufnahmen zu sehen bekommen, ist nicht erfunden. Es ist alles bereits vorhanden, es steckt in jedem einzelnen Tag, jeder Stunde und Sekunde, wir müssen es einfach nur erkennen. Ich liebe dich, Film!

Ähnliche Artikel